Beautiful Things. Hunter Biden

Читать онлайн.
Название Beautiful Things
Автор произведения Hunter Biden
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783455011890



Скачать книгу

      Ich las sie Dad nicht vor, als ich fertig war. Er sollte sie zum ersten Mal in der Kirche hören.

      Die erste Rede hielt General Odierno, dessen behangene Brust metallisch blühte. Er sprach über die Charakterstärke und Selbstlosigkeit, die Beau im Irak gezeigt hatte, und über die moralischen und ethischen Wurzeln seines Engagements als Generalstaatsanwalt. Er erwähnte Beaus »natürliches Charisma«, dass andere, Soldaten wie Zivilisten, bereit gewesen seien, »sich seiner Führung anzuvertrauen«.

      Dann brachte er ein Gefühl zum Ausdruck, das praktisch jeder kannte, der je mit Beau zu tun gehabt hatte.

      »Er hatte sich der Gemeinschaft verschrieben, in der er lebte«, sagte der Vier-Sterne-General, »seiner Heimat Delaware und dem Land, das – davon war ich überzeugt – er eines Tages führen würde.«

      Als General Odierno geendet hatte, trat er an den Sarg, stand eine ganze Weile stramm und ehrte Beau mit einem langsamen, bedächtigen Salut.

      Als Nächster sprach Präsident Obama. Eingerahmt von weißen Rosen und Hortensien, umgeben vom sanften Licht, das hinter ihm durch die Fensterrosette in den Altarraum strömte, ehrte der Präsident Beau mit einer beinahe fünfundzwanzig Minuten langen Rede. Er warf nur hier und da einen Blick auf seine Notizen und sprach in demselben getragenen Ton, der ihm in den sieben langen Jahren seiner Präsidentschaft so gute Dienste geleistet hatte. Selbst diejenigen, die im Nebenraum untergebracht waren, hatten das Gefühl, dass er nur zu ihnen sprach.

      Doch ein großer Teil seiner Trauerrede war an meinen Vater gerichtet, an einer Stelle nannte er ihn gar »Bruder«.

      Beau und ich waren voller Bewunderung für den Präsidenten gewesen, nicht nur für sein Verhalten meinem Vater, sondern auch der Familie gegenüber. (Er war natürlich vor allem auch mein Präsident, aber gleichzeitig war er der Basketball-Trainer meiner Tochter Maisy.) Damals in der Kirche dachte ich nicht darüber nach, aber die Situation war kompliziert. Die Auseinandersetzungen und Positionskämpfe, die zum Weißen Haus einfach dazugehören, betrafen manchmal auch meinen Vater. Ich nahm es persönlich – vielleicht zu persönlich –, wenn ich zum Beispiel erfuhr, dass irgendein Regierungsmitarbeiter versucht hatte, Dad zu untergraben. Deshalb ließ ich mich im Weißen Haus nur selten blicken. Ich wollte vermeiden, dem Präsidenten und seinem Stab beim sonntäglichen Grillfest zu begegnen, nachdem ich gelesen hatte, dass mal wieder jemand meinem Vater den Schwarzen Peter zugeschoben hatte. Ich wusste, dass es mir nicht gelingen würde, mich zu beherrschen und den Mund zu halten.

      Allerdings hatte sich Kathleen mit Michelle Obama angefreundet, und unsere Tochter Maisy und ihre Tochter Sasha verstanden sich prima seit der zweiten Klasse an Sidwell Friends, der Schule, die sie beide besuchten. Kathleen und Michelle gingen zusammen ins Sportstudio und trafen sich bei formellen und informellen Anlässen oft zur Cocktailstunde im Weißen Haus. Ich hatte zwei Jahre nach der Wahl einen Rückfall und fühlte mich in dieser Szene ziemlich unwohl, und oft hatte ich auch den Eindruck, dass die Menschen dort sich in meiner Gegenwart nicht recht wohlfühlten.

      Aber Beaus Trauergottesdienst war nicht politisch, sondern persönlich, und der Präsident war an diesem Morgen ganz für meinen Vater, meinen Bruder und die Familie da. Dafür war ich einfach nur dankbar.

      Der Präsident begann mit einem Zitat des irischen Dichters Patrick Kavanagh: »Ein Mann ist originell, wenn er die Wahrheit ausspricht, die allen Menschen guten Willens von jeher bekannt ist.« Beau, sagte er dann treffend, war in diesem Sinne originell. »Ein Mann, der tiefe Liebe empfand und im Gegenzug tiefe Liebe empfing.«

      Er sprach über den Unfall, der uns Mutter und Schwester entrissen hatte, und darüber, wie er Beau – und uns alle – geprägt hatte.

      »Beau erfuhr früh, welch grausame Wendungen das Schicksal nehmen kann«, sagte er. »Aber Beau war ein Biden. Und er lernte die wichtigste Regel dieser Familie: Wenn du um Hilfe bitten musst, ist es zu spät. Es bedeutete, dass man niemals allein war: Du musst nicht fragen, denn es ist immer jemand für dich da, wenn du ihn brauchst.«

      Der Präsident sprach anerkennend über die zärtliche und doch bestimmte Reaktion meines Vaters nach diesem Schlag, wie er seinem Land gedient hatte (es war Mike Mansfield, der dienstälteste Mehrheitsführer in der Geschichte des Senats, der Dad in den Wochen zwischen Unfall und Vereidigung überredet hatte, das Amt trotzdem anzutreten), wie er sich »aus der Washingtoner Gesellschaft« heraushielt und stattdessen jeden Abend nach Wilmington zurückfuhr, um uns Kinder mit einem Gutenachtkuss ins Bett und am Morgen in die Schule zu bringen.

      »Er hat es nicht nur getan, weil seine Kinder ihn brauchten«, sagte der Präsident, »sondern, so hat es mir Joe selbst erzählt, weil er die Kinder brauchte.«

      Darauf zählte Präsident Obama eine ganze Reihe von Beaus Leistungen und Errungenschaften auf, nannte ihn einen »Soldaten, der nur knapp dem Ruhm entkommen« war, einen Staatsanwalt, »der die Wehrlosen verteidigte« und einen jener seltenen Politiker, die »mehr Fans als Feinde« hatten.

      Ein dankbares Lachen ging durch den Kirchenraum, als er sagte: »Er sah und klang sogar wie Joe, auch wenn ich glaube, dass Joe der Erste wäre, der zugeben würde, dass Beau ein Upgrade war – Joe 2.0.«

      »Beau war … charmant und entwaffnend, jemand, der einem die Anspannung nahm«, fuhr der Präsident fort, und er gab einige heitere Einblicke in das, was den öffentlichen und privaten Beau ausmachte. »Wenn er gezwungen war, an einer schicken Spendengala teilzunehmen, bei der sich die Leute viel zu ernst nahmen, kam er und flüsterte einem etwas ins Ohr, das komplett unangemessen war. Er war der Sohn eines Senators, ein Oberst der Armee und zugleich der beliebteste gewählte Politiker von Delaware – nichts für ungut, Joe –, doch all das hinderte ihn nicht daran, zu Thanksgiving mit Sombrero und Boxershorts bekleidet einen Tanz aufzuführen, wenn er damit die Menschen zum Lachen bringen konnte, die er liebte.

      Und bei all dem war er mit ganzem Herzen Staatsdiener, er hatte immer ein Notizbuch in der Tasche, um die Probleme der Menschen zu notieren, denen er begegnete, damit er sie lösen konnte, sobald er wieder im Büro war.

      Dies war ein Mann, der beim Parteitag der Demokraten nicht den ganzen Tag in irgendwelchen Hinterzimmern herumstand, um Hände zu schütteln und Wahlkampfspenden einzutreiben«, fuhr Obama fort. »Nein, er verbrachte seine Zeit damit, mit seinem Sohn im Stadionaufzug rauf- und runterzufahren, rauf und runter, immer wieder, weil er genau wie Joe wusste, worauf es im Leben wirklich ankommt.«

      Der Präsident hielt einen Moment inne. Als er fortfuhr, schien er das politische Gewitter vorauszusehen, das kurz danach heraufziehen sollte. »Wissen Sie, in diesen Zeiten von Reality-TV kann sich jeder einen Namen machen, besonders in der Politik. Man muss nur laut oder provozierend genug sein, dann bekommt man die nötige Aufmerksamkeit. Aber diesem Namen Bedeutung zu geben, ihm Würde und Integrität zu verleihen – das gibt es nur noch selten.«

      Gegen Ende bediente sich der Präsident noch einmal bei dem irischen Dichter, den er zu Anfang bereits zitiert hatte. Dieser Satz fasste den Schmerz zusammen, den wir alle verspürten, selbst in den Augenblicken, als wir Beaus in heiterer Erinnerung gedachten:

      »Und ich sagte, lass die Trauer ein Blatt sein, das fällt, wenn der neue Tag beginnt.«

      Obama trat die Stufen hinunter und ging zu Dad, der aufstand, um eine lange, tief empfundene Umarmung entgegenzunehmen. Dann küsste der Präsident meinem Vater die Schläfe – ein Zeichen der Bruderschaft, die er zuvor erwähnt hatte – und ließ ihn schließlich los.

      Jetzt war meine Schwester an der Reihe. Ich begleitete sie hinauf zum Ambo und blieb während der Rede an ihrer Seite, wir wollten unsere geschwisterliche Verbundenheit zeigen, für Beau. Ashley sprach mit Humor und Bewunderung, ihre Rede war ergreifend und voller Hoffnung. Sie war die perfekte kleine Schwester, zehn Jahre jünger als Beau.

      »Als ich in die Schule kam, malte ich ein Bild, das darstellen sollte, was mich glücklich machte«, sagte sie. »Es zeigt mich, wie ich die Hände meiner Brüder hielt.«

      Sie machte überaus deutlich, dass sie uns beide beinahe als eine Person ansah, genau wie Beau und ich es getan hatten: zwei Seiten einer Medaille.

      »Man