Kalteiche. Ulrich Hefner

Читать онлайн.
Название Kalteiche
Автор произведения Ulrich Hefner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839264423



Скачать книгу

in dem er meist sein Mittagessen eingenommen hatte, gehörten der Vergangenheit an. Zwar meinten die Stadtpolitiker, das neue Polizeigebäude sei ins Zentrum gerückt, doch damals in der Ebertstraße war man eben noch ein ganzes Stück zentraler gelegen gewesen und hatte in der Pause einen Abstecher in die Fußgängerzone machen können, was nun nicht mehr ganz so einfach war.

      Trevisan wusch sich gerade die Hände, als sein Mobiltelefon klingelte. Er trocknete sich ab und nahm das Gespräch an.

      »Hallo, Paps. Ich wollte mal hören, ob du gut angekommen bist.«

      Trevisan lächelte. »Klar, mitten in der Arbeit und das am ersten Tag.«

      »Ich habe eine Stunde Pause«, sagte Paula. »Wir wollten raus, die Zählung steht an, aber der Seeigel streikt, wahrscheinlich der Motor. Vielleicht könnten wir uns ja bei Sammys auf einen Kaffee treffen, ich hätte Zeit.«

      Trevisan warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach zwei. »Paula, tut mir wirklich leid, wir stecken mitten in Mordermittlungen.«

      »Das ist dein erster Arbeitstag, ich dachte, du wolltest kürzer treten.«

      »Arbeitstag, das siehst du richtig und da steckt nun mal das Wort Arbeit drin.«

      »Was ist passiert?«

      »Eine ganze Familie wurde ausgelöscht, oben an der Küste.«

      »Hast du nicht gesagt, du gehst zurück nach Wilhelms­haven, weil es hier ruhiger ist als in Oldenburg?«

      »Tja, manchmal kann man sich eben täuschen.«

      »Kommst du heute Abend auf einen Sprung vorbei? Peer würde sich freuen.«

      »Ich weiß nicht, wie spät es heute wird, ich habe Lea schon Bescheid gesagt, dass ich nicht pünktlich hier wegkomme.«

      »Schade, du weißt doch, nächste Woche fahren wir los, dann bin ich erst mal einen Monat weg.«

      »Ja, ich weiß. Wir werden uns vorher sicher noch einmal sehen, aber jetzt muss ich los, die anderen warten.«

      »Hast du Monika getroffen?«

      »Klar, sie arbeitet doch mit mir.«

      »Dann richte ihr schöne Grüße aus.«

      »Mach ich.« Trevisan steckte sein Handy zurück in die Tasche.

      Im Besprechungsraum hatten sich seine Kolleginnen und Kollegen bereits um den langen Konferenztisch versammelt. Auch Thorke Oselich war dabei. Trevisan steuerte den freien Stuhl an der Stirnseite an und setzte sich neben Monika Sander.

      Er atmete erst einmal kräftig durch. »Gut … So wie es aussieht, suchen wir einen gewaltbereiten Menschen, der zwar geplant und koordiniert handelt, aber beim Tötungsakt selbst offenbar die Kontrolle verliert. Was haben wir bislang?«

      Er wandte sich Monika zu, die sich aufrichtete. »Die Tatwaffen wurden gefunden, Krog hat angerufen. Sie lagen im Wangermeer. Ein Hundeführer, oder besser gesagt sein Hund, hat sie entdeckt.«

      »Wie weit ist das vom Tatort entfernt?«

      Monika trat vor die Pinnwand mit einer großen Landkarte und zeigte auf darauf. »Etwa einen Kilometer. – Ein Beil und ein Messer. Krog meint, dass es Geräte aus dem Baumarkt sind, die uns nicht viel weiterhelfen werden. Außerdem hatte Krog recht, der Täter trug ein Regencape aus Plastik, so wie es Radfahrer benutzen. Es war voller Blut, deswegen hat es der Hund wohl gerochen.«

      Trevisan kratzte sich am Kinn. »Gut, überlassen wir die Spuren den Spezialisten, gehen wir mal chronologisch vor. Der Täter verschafft sich Zugang zum Hof – wobei die Türen der Scheune unverschlossen waren – und tötet zielgerichtet und erbarmungslos. Er erschlägt vier Menschen und den Hofhund, bevor er wieder verschwindet. Er ist vorbereitet, hat Tatwaffen bei sich und trägt ein Regencape, um seine Kleidung vor Blutspritzern zu schützen. Anschließend verschwindet er durch die Hintertür und entsorgt die Tatwaffen in einem See.«

      »Er hatte wohl ein Rad bei sich, meint Krog.«

      »Okay, als Fluchtmittel nutzte er ein Rad, damit können wir den verdächtigen PKW erst einmal zurückstellen.«

      »Wenn es ein geplanter Raub war, der aus dem Ruder lief?«, wandte Eike Brun ein.

      Trevisan schüttelte den Kopf. »Falsche Zeit, falsches Objekt, falsches Vorgehen, außerdem wurde offenbar nichts durchwühlt, keine Kommoden und keine Schränke.«

      »Weil er gestört wurde und in Panik geriet«, beharrte Eike.

      »Das ist ein Bauernhof und von weitem kann man schon erkennen, dass dort Milchvieh gehalten wird. Jeder weiß, dass ein Landwirt am frühen Morgen seine Kühe melkt und selbst wenn er einmal verreist – dann tut es eben ein anderer. Außerdem schlug der Täter unvermittelt zu und war mit Axt, Messer, Regencape und Gummistiefeln entsprechend vorbereitet. Ich denke, Raub können wir ausschließen. – Sonst noch jemand eine Idee?«

      »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Herr Trevisan?«, fragte Thorke Oselich.

      Trevisan lächelte. »Mindmapping. Nehmen wir die Tat als solches, sie kann uns viel über den Täter und das Motiv verraten.«

      »Ach so, ja … Was denken Sie über die Sache?«

      »Das Motiv ist leicht erkennbar«, konstatierte Trevisan. »Rache und zwar Rache an der gesamten Familie, keiner sollte entkommen. Sogar die junge Frau, die noch zu fliehen versuchte, wurde in die Tötungshandlung einbezogen.«

      »Was bedeutet das?«, fragte Monika.

      »Das sagt uns, dass der Täter grenzenlosen Hass gegen die Familie empfand und niemand überleben sollte, der ihr angehört. Wahrscheinlich ist, dass man ihn im Familienkreis kannte und er enttarnt gewesen wäre, sollte jemand diesem Massaker entkommen. Außerdem wusste er, welche Sauerei es macht, wenn man mit einer Axt und einem Messer tötet. Deshalb hatte er sich entsprechend vorbereitet. Er tötete ohne Vorwarnung, was einen Raub eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Diese Menschen sollten sterben und sie sollten keinen einfachen Tod haben. Er musste seine aufgestauten Aggressionen abreagieren.«

      »Das lesen Sie daraus!«, bemerkte Thorke Oselich voller Anerkennung.

      »Nicht nur das«, fuhr Trevisan fort. »Täter und Opfer haben sich gekannt. Außerdem wusste er, wann die beste Zeit für die Tatausführung war. Er kam nicht mitten in der Nacht, er nutzte die Dämmerung, und er wusste, wie er ungesehen ins Haus gelangen konnte und über welche Wege er mit welchem Fluchtmittel ungesehen entkommen kann. Außerdem hat er seine Tatwaffen entsorgt, eigentlich sollten wir sie nicht finden. Mit einem Hund hat er wohl nicht gerechnet.«

      »Das heißt?«, fragte Lisa Bohm.

      »Er hat die Gegend vor der Tat erkundet und er kannte den Tagesrhythmus seiner Opfer.«

      Eike Brun fasst sich an den Kopf. »Klar, er war schon mal da.«

      Thorke Oselich lächelte. »Wie gehen wir vor?«

      »Wir brauchen noch ein paar Leute«, sagte Trevisan. »Wir müssen die ganze Umgebung erkunden und alle dort befragen. Möglicherweise wurde der Täter bei der Ausspähung im Umfeld gesehen. Außerdem sollten wir auch den Fluchtweg gründlich überprüfen. Ich nehme an, er hat irgendwann sein Fluchtmittel gewechselt und drittens müssen wir so viel wie möglich über unsere Opfer herausfinden. Sie müssen in ihrem Leben diesem Mörder dermaßen auf die Füße getreten sein, dass er zu so einer Tat fähig ist.«

      »An wie viele Leute denken Sie?«

      »Zehn, zwölf … und ich bräuchte jemanden, der sich mit dem Computer und dem Netz auskennt, nicht immer stehen die interessanten Dinge in unseren Dateien. Soziale Netzwerke verraten uns manchmal viel mehr über die Person als das Melderegister.«

      »Das könnte ich tun«, meldete sich Eike Brun. »Ich hatte mal eine eigene Community.«

      »Gut«, entschied Trevisan. »Monika, du koordinierst hier von der Dienststelle aus und führst alle Erkenntnisse zusammen. Außerdem sollten wir die