Seewölfe - Piraten der Weltmeere 204. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 204
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954395408



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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-540-8

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Der polierte Spitzhelm und der Brustpanzer des spanischen Soldaten schimmerten nur noch für eine Weile im silbrigen Mondlicht, dann aber wurde auch dieser matte Glanz wie alle anderen optischen Wahrnehmungen ausgelöscht, denn der Wind, der zunehmend kräftig von der See in den Dschungel von Sumatra hinüberblies, schob Wolken vor die weiße Sichel und hüllte das Lager und die Festung von Airdikit mit tiefster Finsternis ein.

      Der Soldat hatte seine Inspektionsrunde im Inneren der Palisaden beendet und wandte sich zum Gehen. Morgan Young hörte, wie sich das Knirschen seiner Schritte auf dem sandigen Untergrund entfernte und der Mann sich zwischen den Sträflingen hindurch zum Tor bewegte.

      Knarrend öffnete sich das Tor in seinen eisernen Angeln, wenig später schloß es der Wachtposten von außen und schob den eisernen Riegel vor.

      Die Gefangenen waren wieder allein mit ihrem Schweigen und ihrer Verzweiflung, mit den dumpfen, bohrenden Fragen und den Ängsten, die die Dunkelheit und die unheimlichen Laute des Urwaldes immer wieder hervorriefen. Viele der gut vier Dutzend Spanier, Portugiesen, Engländer, Holländer und Franzosen, die hier festgekettet waren, fielen bald in einen Erschöpfungsschlaf, aber viele blieben auch wach, weil ihnen die Ausweglosigkeit ihres Schicksals zusetzte und an ihren Nerven zehrte.

      Niemand glaubte ernsthaft, daß ein Ausbruch aus den Palisaden und eine anschließende Flucht durch den Dschungel jemals gelingen konnten – niemand außer dem Engländer Morgan Young und Romero, dem jungen Spanier.

      Das Vorhaben allein mußte wie die reinste Ausgeburt des Wahnsinns erscheinen, aber die Chance war eben doch plötzlich da, und Morgan Young klammerte sich genau wie Romero mit jener Verbissenheit daran, die nur die Verzweiflung hervorzubringen vermochte.

      Sie wußten, daß nach Ablauf von einer Stunde – oder von zwei Glasen, wie man auf See sagen würde – die Wachablösung erschien und erneut einen Kontrollgang durch das Innere der Palisaden unternahm. Das ging die ganze Nacht über so, und ebenso, wie die Sträflinge hier in der Umzäunung scharf im Auge behalten wurden, überprüft man auch jene Gefangenen, die bereits im Kerker des Festungsneubaus eingesperrt worden waren.

      Somit war Airdikit zu einem ausbruchsicheren Sträflingslager geworden. Keinem war es bislang geglückt zu entweichen. Don Felix Maria Samaniego verwendete sein ganzes Können und seine Sorgfalt als Lagerkommandant darauf, daß es dabei auch blieb.

      Dennoch: In dieser Nacht sollte es geschehen, in der nächsten Stunde bis zur Wachablösung sogar. Das Heulen des Windes nahm zu, und auch das Konzert der Urwaldfauna schien anzuschwellen – eine willkommene Geräuschkulisse, die andere Laute überdecken würde.

      Morgan Young wandte den Kopf.

      Romero, der junge Spanier, saß rechts von ihm, an einen in den Boden gerammten Pfahl gefesselt wie auch er, Young, und alle anderen Gefangenen. Young konnte seine Gestalt in dieser Finsternis kaum noch sehen, aber er wußte, daß auch Romero zu ihm blickte.

      „Jetzt“, flüsterte er ihm zu. „Fangen wir an.“

      „Ja“, raunte Romero. „Versuchen wir es. Eine bessere Gelegenheit kriegen wir nicht.“ Er sprach ein relativ gutes, jedoch stark akzenthaltiges Englisch. Das hatte er in den fast anderthalb Jahren, die er hier schon festsaß, von den englischen Mitgefangenen gelernt.

      Romero war Decksmann auf einer spanischen Galeone gewesen, die zweimal im Jahr von Cadiz nach Manila und zurück segelte. Kurz vor den Philippinen hatte er sich auf seiner letzten Fahrt gegen einen ruppigen Bootsmann aufgelehnt, der einen Kameraden zu Unrecht gemaßregelt und dann vom Profos hatte auspeitschen lassen. Romero wäre dem Bootsmann an den Hals gesprungen, wenn ihn seine Freunde nicht zurückgehalten hätten. Ein rasch zusammengerufenes Bordgericht hatte den Aufsässigen wegen Insubordination und versuchter Meuterei zur Höchststrafe verurteilt: Zwangsarbeit in einem spanischen Gefängnislager. Von Manila aus hatte man ihn direkt nach Airdikit im südlichen Sumatra verfrachtet.

      „Du kannst noch froh sein, daß dein Kapitän dich nicht gleich an der Rahnock aufgehängt hat“, hatte Morgan Young gesagt, als er diese Geschichte von Romero vernommen hatte. „Dann wäre dir nämlich der Anblick dieses wunderschönen Fleckchens Erde hier entgangen, mein Freund.“

      Romero hatte darüber gelacht, und auch Young hatte gegrinst. Der Aufseher hatte ihnen die Peitsche über den Rücken gezogen, aber das hatte sie beide wenig beeindruckt. Oder, anders ausgedrückt: Auf diese höchst schmerzhafte Weise war ihre neue Freundschaft zumindest handfest besiegelt worden.

      Morgan Young nahm es dem jungen Mann, der höchstens zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahre alt sein konnte, wahrhaftig ab, daß er kein richtiger Verbrecher war. In eine solche Situation an Deck, die dann zu drakonischen Strafen führte, konnte jeder anständige Seemann hineinschlittern, wenn er es mit einem unfairen Bootsmann oder Zuchtmeister zu tun hatte.

      Young seinerseits war auch kein Mörder, Meuterer oder Plünderer, sondern er war wegen eines Schiffsbruchs in die Hände der Spanier geraten.

      So war es seiner Ansicht nach nur legitim, wenn alle, die in Wirklichkeit gar nichts auf dem Kerbholz hatten, den Ausbruch aus dem Arbeitslager versuchten.

      Nicht alle waren dazu bereit, bei diesem Höllenunternehmen ihr Leben zu riskieren und so hoch zu setzen, wie es nötig war. Morgan Young hatte also eine Auslese getroffen und wußte, auf wen er zählen konnte. Da waren seine Kameraden von der „Balcutha“ – mit ihm die einzigen Überlebenden des Schiffsunglücks –, also Tench, Josh Bonart, Sullivan und Christians. Kerle, die Kopf und Kragen aufs Spiel setzten, um nur hier herauszukommen. Weiter Jonny, auch ein Engländer, über dessen Herkunft aber nichts Näheres bekannt war, dessen „glorreiche Zehn“, eine Crew, wie sie wilder und bunter nicht zusammengewürfelt hätte sein können, sowie letztlich ein paar Holländer und Franzosen, die lieber im Kampf starben, als auch nur einen Tag länger unter der erbarmungslosen Hitze und Feuchtigkeit der Äquatorzone im moskitoverseuchten Dschungel zu schuften.

      Romero fiel sozusagen die Schlüsselposition bei dem geplanten Ausbruch zu – und Young war derjenige, der voll und ganz seinen Fähigkeiten vertraute, während alle anderen ihre gelinden Zweifel daran hatten.

      Aber hatte Romero nicht schon bewiesen, daß er über eine überdurchschnittliche Fingerfertigkeit verfügte. Wer außer ihm hätte wohl an diesem Nachmittag oben auf der Baustelle des Kastells unter der scharfen Aufsicht der Posten einen Schlegel und ein Scharfeisen entwenden können? Wäre denn