„MENSCH BLEIBEN“ bis ans Lebensende. Wiebke Wanning

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Название „MENSCH BLEIBEN“ bis ans Lebensende
Автор произведения Wiebke Wanning
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783959637916



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des Gespräches der Kollegen waren leider zu 70%, wie manche Menschen so sind, schlechte Arbeitsbedingungen oder auch das Herziehen über andere Kollegen.

      Bei ca. 100 Angestellten kann es nicht nur liebe Worte übereinander geben, aber schon damals habe ich mich gefragt, warum

      z.B. ein Teil des sozialen Dienstes sich „unsozial“ verhält oder warum gerade einige Menschen aus der Pflege, so schlecht miteinander umgingen.

      Durch fast das ganze Haus ging eine negative Stimmung und ich verstehe es bis heute nicht, warum ein Mensch als Hausmeister in einem Altenheim arbeitet, wenn er sich dort, nach eigener Aussage, absolut nicht wohlfühlt und zudem kein Gespür für ältere Menschen hat.

      Auch warum Menschen allein aufgrund des Schichtdienstes und der hohen Anforderungen sowieso schon schweren Berufen, sich nur für negative Dinge in ihrem beruflichen Umfeld interessieren.

      Der Blick für die schönen Momente war bei vielen Arbeitnehmern nicht mehr oder noch nie vorhanden.

      Es ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass sie selbst der Gestalter ihres eigenen Lebens sind!

      Was auch immer bis jetzt im Leben passiert ist, es hat keinen Einfluss darauf, wie derjenige von jetzt an sein Leben gestaltet. Jeder trifft ganz allein für sich die Entscheidungen. Der Mensch ist nicht so zerbrechlich, dass er evtl. vorangegangenen Traumata einfach ausgeliefert wäre.

      Ich glaube an das menschliche Potential zu jeder Zeit über sich selbst bestimmen zu können.

      „Ein konsequenter Mensch glaubt an das Schicksal, ein launenhafter an den Zufall.“

      Benjamin Disraeli

      Telefonkontakte

      Fast alle eingehenden Telefonverbindungen des Hauses wurden von der Rezeption mit Ankündigung weitergeleitet. Je nachdem welcher Angestellte gerade Dienst hatte und egal welche Person der Anrufer war, kannte ich schon vorher die Reaktion auf meine Anrufweiterleitungen.

      In einer Abteilung wurde regelmäßig erst einmal durchs Telefon gebrüllt: „Ich habe keine Zeit!“ bevor der Anruf dann doch entgegen genommen wurde.

      Eine andere Station erklärte mir immer, was ich dem Anrufer sagen sollte, um das Gespräch nicht selbst führen zu müssen. Dass sich damit z.B. ein Angehöriger eines Pflegeempfängers nicht zufrieden gab, welcher Fragen zur gesundheitlichen Situation seines Verwandten hatte lag auf der Hand.

      Natürlich war mir bewusst, dass es bei diesen immer wiederkehrenden Vorkommnissen niemals um mich als Person ging. Ich war absolut austauschbar, jedoch war ich nicht gewillt mich mit diesem Verhalten tagtäglich auseinander setzen zu müssen.

      Ich fand dann eine Lösung für mich: Ich stellte keinen Anruf mehr durch, sondern schrieb den Kollegen eine Mail. So war ich den Launen und Eigenarten meiner Kollegen nicht mehr ausgeliefert. Optimal war dieses Verhalten natürlich nicht, denn es fehlten die zwischenmenschlichen Kontakte.

      Serviceleistungen

      Am frühen Vormittag täglich um die gleiche Uhrzeit, saßen diverse Bewohner/innen vorne gegenüber der Rezeption. Dort verweilten sie auf gemütlichen Sesseln und hatten den Eingang vom Heim im Blick.

      Sie waren eine Truppe von lauten, fordernden und lästernden Frauen und Männern, die schon mal anstrengend waren, wenn es viel zu tun gab.

      Ich aber hatte den Trick raus, ihre Wünsche kannte ich, die eine Dame wollte gerne Saft und Wasser gebracht haben, die andere eine Tasse Kaffee und Herr X. die Zeitung und Geld von seinem Taschengeldkonto, um sich Schokolade kaufen zu können. Auch Frau K. kam jeden Morgen zu mir, um zu wissen, wie es mir ging. Ein 5 min Schwatz, der uns beiden gut tat. Ich nahm mir die Zeit dazu, somit erfüllte ich zuerst diese Wünsche.

      Danach hatte ich einigermaßen Ruhe, um meine Arbeit erledigen zu können.

      Es war wieder der Dienstleistungsgedanke, welcher der Verwaltung missfiel. Den kann jedoch ein Mensch nicht unbedingt haben, der mit diesem Teil des Berufes noch nie konfrontiert wurde.

      Ein Mitarbeiter erklärte sein Verhalten wie folgt: „Er wolle, dass die Menschen mobil bleiben und deshalb sollen sie sich „ihr Zeug“ selber holen!

      Meiner Meinung nach war dieses Verhalten auch sehr respektlos gegenüber den alten Menschen. Was hatten diese noch vom Leben außer ihrer erlangten Weisheit. Ihnen gebührt Respekt und dies ist eine Fähigkeit, einen Menschen so zu sehen, wie er ist und sich seiner einzigartigen Persönlichkeit bewusst zu sein. (Definition nach Erich Fromm)

      Respekt benötigt es für jede Art von zwischenmenschlichen Beziehungen. Ohne Respekt können keine guten Beziehungen entstehen und die Worte, die man benutzt, werden niemanden erreichen.

      „Die meisten Menschen

      sind in etwa so glücklich,

      wie sie sich vorgenommen haben zu sein.“

      Abraham Lincoln

      Umgang mit Demenz

      Demenz ist ein großes Thema in der Altenpflege und Seniorenbetreuung. Die psychische Störung ist nicht heilbar und bezeichnet ungefähr 50 Krankheitsformen wie z.B. Alzheimer oder vaskuläre Demenz etc.

      In Deutschland sind ca. 1,5 Millionen Menschen betroffen, etwa 45 % älter als 85 Jahre und davon ca. 65 % Frauen. Dies erklärt sich ein wenig durch die Risikofaktoren, wie z.B. Alter, Bluthochdruck, Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Depressionen und Übergewicht.

      Der Umgang mit diesen Menschen benötigt viel Geduld und das Wissen, dass die gleiche hundertste Frage für diese Menschen in dem Moment die erste ist.

      „Wo muss ich denn bloß hin?“

      Diese Frage stellte mir eine kleine, liebe Bewohnerin, die an Demenz erkrankt war, gefühlte 50 mal während meiner Schicht an der Rezeption. Sie kam mit ihrem Rollator, mit dem sie einen kleinen Bären spazieren fuhr und sprach nur diese 6 Worte.

      Geduldig zeigte ich jedes mal auf den Fahrstuhl mit den Worten: “Sie müssen mit dem Fahrstuhl in den 3. Stock, dort ist ihr Zimmer.“ Die Antwort reichte ihr, sie bedankte sich und ging für einen kleinen Augenblick in die gezeigte Richtung, bis sie wieder umdrehte, mich sah und zurückkam. Ja, das war anstrengend, aber die Dame war in sich zufrieden und glücklich.

      Umgang mit Demenz klappte außerhalb der Wohnbereiche, bis auf einen Teil des Pflegepersonals und des sozialen Dienstes, kaum.

      Eine meiner Kolleginnen beantwortete die Frage der alten Dame mit den Worten: „Soweit die Füße Sie tragen!“. Oder sie rief auf dem Wohnbereich an, dass jemand Frau S. abholen und auf ihr Zimmer bringen solle, sie würde stören. Dass jemand wie Frau S. aufgrund ihrer Erkrankung niemals in ihrem Zimmer bleibt, verstand sie nicht.

      Auch das Service- bzw. Küchenpersonal ist betroffen, denn dem dementen Menschen wird das Mittagessen hingestellt, dieser weiß damit aber manchmal einfach nichts anzufangen. Wenn Personal zum Anreichen der Mahlzeit fehlt wird das Essen abgeräumt mit der Frage: „Oh, hatten Sie denn gar keinen Hunger?“

      Eine demente Dame hat von ihrer Mahlzeit immer nur 3 Gabeln voll gegessen und dann geäußert, dass sie satt sei. Das ungeschulte Service-Personal hat dies so akzeptiert. Das geschulte Personal hat ihr mehrere Gänge von dem selben Essen angeboten, von denen sie jedes Mal ein paar Gabeln gekostet hat und somit eine ausreichende Mahlzeit zu sich nehmen konnte.

      Auf die Frage, wann sie wieder nach Hause könne, bekam eine Bewohnerin die Antwort: „Gar nicht mehr,