Briefe an Olympias und Papst Innocentius. Johannes Chrysostomos

Читать онлайн.
Название Briefe an Olympias und Papst Innocentius
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660154



Скачать книгу

seiner Geburt schon ein Vertriebener, ein Flüchtling geworden und im zartesten Alter mit seiner ganzen Familie in ein fremdes, weit entlegenes, barbarisches Land hinübergewandert? Und gerade Dieß wurde die Veranlassung, daß Ströme von Blut vergossen, daß frevelhafter Mord und Todtschlag verübt, daß alle jene Kleinen im frühesten Kindesalter gleichsam in Reih und Glied hingeschlachtet, daß die Kinder sogar von der Mutterbrust hinweggerissen und dem Mordbeil zur Beute gegeben wurden.

      Während sie die Milch der Mutter noch im Munde hatten, drang schon durch Kehle und Hals das scharfe Eisen. Was könnte schrecklicher sein als dieses Trauerspiel? Und Das verübte Derjenige, welcher den Heiland zu tödten suchte, und der langmüthige Gott ertrug es, daß dieses grausame Spiel in Szene gesetzt, daß so viel Blut vergossen ward; er ertrug es, obgleich er es verhindern konnte; er wollte nach seiner unergründlichen Weisheit eine so weit gehende Langmuth beweisen. Als er aber aus dem fremden Lande zurückgekehrt und größer geworden war, wurde wieder von allen Seiten der Krieg gegen ihn eröffnet. Zuerst wurden die Jünger des Johannes (obgleich Dieser dem Herrn treu ergeben war) neidisch und mißgünstig: „Der bei dir war jenseits des Jordans,“ sagten sie, „sieh, der hat sich auf’s Taufen verlegt, und Alle laufen ihm nach.“6 So konnten nur Leute sprechen, die vom Ärger geplagt, vom Neide gequält, von der Leidenschaft angefressen waren. Deßhalb stritt und haderte auch einer der Jünger, die so sprachen, mit einem Juden, indem er die Lehre von den Reinigungen auf’s Tapet brachte und zwischen Taufe und Taufe — zwischen der Taufe des Johannes und der Taufe der Jünger des Herrn — Vergleichungen anstellte. „Es entstand nämlich,“ so heißt es, „zwischen einem der Johannesjünger und einem Juden Streit über die Reinigungen.“7 Als Jesus nun aber auch Wunder zu wirken begonnen hatte, wie viele Verleumdungen wurden da erst laut? Einige schalten ihn einen Samariter und Besessenen: „daß du ein Samariter bist und den Teufel hast;“8 Andere einen Verführer: „Dieser ist nicht aus Gott, sondern verführt das Volk;“9 Andere einen Teufelskünstler: „Er treibt die Teufel aus in Beelzebub, dem Obersten der Teufel;“10 und diese Vorwürfe wiederholten sie fortwährend, nannten ihn einen Widersacher Gottes, bezichtigten ihn des Fraßes und der Völlerei und der Trunksucht und der Freundschaft mit verkommenen Sündern. „Es kam (sagt er selbst) der Menschensohn; er aß und trank, und sie sagen: Seht, der Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und schlechten Menschen.“11 Und als er mit der öffentlichen Sünderin sprach, schalten sie ihn einen falschen Propheten: „Wenn er ein Prophet wäre, so würde er wissen, wer dieses Weib ist, das mit ihm redet;“12 und so wetzten sie ihre Zähne gegen ihn Tag für Tag. Aber es waren nicht allein die gewöhnlichen Juden, die diesen Krieg gegen ihn führten ― nicht einmal Die, welche für seine Brüder galten, waren ihm zugethan, und aus seiner eigenen Familie fand der Kampf gegen ihn seine Nahrung. Daß nämlich selbst Diese verführt waren, erkenne aus der Bemerkung des Evangelisten: „Auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.“13

      4. Fortsetzung: Ärgernisse beim Leiden und Sterben des Herrn.

      Da du aber auf die große Zahl der Geärgerten und Verführten hinweisest — wie viele unter den Jüngern haben zur Zeit des Kreuzes Ärgerniß genommen! Einer hat den Herrn verrathen, die andern sind geflohen, einer hat ihn verleugnet, und während alle das Weite suchten, wurde der Herr allein in Fesseln hinweggeschleppt. Früher hatte man gesehen, wie er Wunder wirkte, wie er Todte erweckte, Aussätzige reinigte, Teufel austrieb, Brode entstehen machte und andere Zeichen seiner göttlichen Macht kund gab; jetzt mußten dieselben Leute sehen, wie er, von Allen verlassen, gebunden fortgeführt ward, während gemeine Soldaten ihn umringten und die jüdischen Priester ihn lärmend und höhnend begleiteten, wie die Feinde alle ihn, den Vereinsamten, in die Mitte nahmen, wie selbst der Verräther dabei war und groß that; — wie Viele werden damals Ärgerniß genommen haben! Und als er gegeißelt ward? Wahrscheinlich war eine sehr große Menschenmenge dabei zugegen. Denn man feierte gerade ein hohes Fest, das alle Juden zusammenführte, und die Stadt, in welcher dieses verbrecherische Trauerspiel — und zwar gerade um Mittag — aufgeführt wurde, war eben die Hauptstadt. Wie Viele also werden damals zugegen gewesen sein und Ärgerniß genommen haben, als sie sahen, wie er gebunden, gegeißelt, ringsum triefend von Blut vor dem Richterstuhl des Landpflegers verhört ward! und als jene vielfachen, ununterbrochenen, anhaltenden Verspottungen gegen ihn in’s Werk gesetzt wurden! Jetzt krönten sie ihn mit Dornen, dann zogen sie ihm einen Kriegsmantel an, dann gaben sie ihm ein Rohr in die Hand, dann fielen sie wie zur Anbetung vor ihm nieder — so übten sie gegen ihn Hohn und Spott jeglicher Art. Wie Viele mögen da geärgert und verwirrt worden sein! Wie Viele mag es irre gemacht haben, als man ihn in’s Angesicht schlug und schrie: „Weissage uns, Christus, wer hat dich geschlagen?“14 als man ihn hin und her führte und ihm Spott und Hohn und Schimpf und Schmach zufügte den ganzen Tag! und zwar mitten unter dem Judenvolk! als ihn der Knecht des Hohenpriesters auf die Wange schlug, als die Soldaten seine Kleider unter sich theilten, als er gekreuzigt und am Kreuze erhöht wurde, ganz entblößt, während auf seinem Rücken die blutigen Spuren der Geißelstreiche zu sehen waren! Denn auch da zeigten sich jene wilden blutdürstigen Ungeheuer nicht besänftigt, sondern ihre Wuth nahm zu, und das Trauerspiel dauerte fort, und die Lästerungen mehrten sich. Die Einen sagten: „Der ist es, der den Tempel abbricht und in drei Tagen wieder aufbaut!“15 Andere schrieen: „Andere hat er vom Tode gerettet, sich selbst retten kann er nicht!“16 Noch Andere höhnten: „Wenn du Gottes Sohn bist, steige herab vom Kreuze, und wir wollen an dich glauben.“17 Und als sie ihm mit dem Schwamme Galle und Essig zum Tranke reichten unter rohem Übermuth! als selbst die Räuber ihn lästerten! als man sich jenes furchtbaren Verbrechens schuldig machte, von dem ich schon vorhin sprach, als man sich erfrechte zu behaupten, jener Räuber, der mit vielen Mordthaten belastet war, habe es eher verdient [als der Herr] freigegeben zu werden, und — nachdem der Richter die Wahl freigestellt hatte, — dem Barabbas den Vorzug gab, indem man Christum nicht allein dem Kreuzestode überliefern, sondern auch in schlechten Ruf bringen wollte! Sie glaubten nämlich hierdurch beweisen zu können, daß er schlimmer sei als der Räuber und so sehr in Schuld verstrickt, daß weder Menschenfreundlichkeit noch die Würde des Festes ihn retten konnte. Denn Alles zielte darauf hin, seinen Ruf zu bemakeln; darum kreuzigten sie auch mit ihm zugleich die beiden Schächer. Die Wahrheit konnte freilich nicht mit Finsterniß bedeckt werden; sie erglänzte vielmehr in hellem Lichte. Sogar des Strebens nach unrechtmäßiger Herrschaft wagten sie ihn zu bezichtigen: „Jeder,“ sagten sie, „der sich selbst zum König macht, ist ein Feind des Kaisers;“18 so wurde er, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, der Tyrannei beschuldigt! Ja selbst Gotteslästerung haben diese Verleumder ihm zum Vorwurf gemacht. Der Hohepriester zerriß ja sein Kleid mit den Worten: „Er hat Gott gelästert! Wozu haben wir noch Zeugen nöthig?“19 Und nun gar sein Tod — war es nicht der schimpflichste, den man sich denken kann? War es nicht der Tod der Verurtheilten, der Verfluchten, der ärgsten Verbrecher, die nicht werth sind, auf der Erde ihr Leben auszuhauchen? Das Begräbniß aber wurde ihm nur aus Mitleid und Barmherzigkeit gewährt. Es fand sich nämlich Jemand ein, der den Leichnam begehrte — also auch, der ihn begrub; er gehörte nicht zu seinen Angehörigen oder Jüngern, nicht zu Denen, welche er mit seinen Wohlthaten überhäuft oder vom Verderben gerettet hatte; Alle waren verschwunden, Alle entwichen. Jene boshafte und elende Lüge endlich, welche sie über seine Auferstehung in Umlauf gesetzt hatten: „Seine Jünger sind gekommen und haben ihn gestohlen“20 ― wie Viele hat sie nicht betrogen! Denn dieses Gerede, obgleich auf Erdichtung beruhend und durch Geld erkauft, fand bei Einigen Glauben, trotz der Zeichen, trotz der großartigen Offenbarung der Wahrheit. Der große Haufen wußte nicht, wie es sich mit der Auferstehung verhielt, da ja die Jünger selbst Nichts davon wußten. „Denn seine Jünger wußten nicht,“ heißt es, „daß er von den Todten auferstehen mußte.“21 Wie Viele, glaubst du nun, haben in jenen Tagen Ärgerniß genommen! Und doch ertrug es der langmüthige Gott, der Alles ordnet nach seiner unerforschlichen Weisheit.

      5. Die Apostel hatten mit vielen Hindernissen und Ärgernissen zu kämpfen. — Schluß.

      Und dann nach diesen Tagen! Die Jünger wieder versteckt und verborgen, verjagt, furchtsam und zitternd ihren Aufenthalt stets wechselnd,