Название | Katharina die Große inkl. Hörbuch |
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Автор произведения | Elke Bader |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941234536 |
Über Danzig, Königsberg und das kurische Haff gelangten sie schließlich binnen drei Wochen bis nach Riga, wo sie vom dortigen Magistrat offiziell begrüßt wurden: Riga war die Grenze zum Zarenreich12. Fortan galt für Sophie eine andere Zeitrechnung: In Russland rechnete man nach dem julianischen Kalender, den Peter der Große eingeführt hatte. Mit einem Mal war es elf Tage früher. In städtischen Karossen ging es über die zugefrorene Düna. Die Zobel, die die Zarin ihnen zur Begrüßung hatte schicken lassen, sollten sie dringend benötigen, denn es war klirrend kalt. Und nun lag so viel Schnee, dass sie die weitere Fahrt bis Sankt Petersburg in Schlitten zurücklegen mussten. Sophie staunte nicht schlecht: sie war noch nie in einem solch’ prachtvoll ausgestatteten Schlitten gereist. Er konnte nur der Zarin persönlich gehören! Gut ausgepolstert mit Decken und Fellen, konnte man in dessen hölzernem Verschlag allerdings nur liegen. Ratlos stand sie vor dem Gefährt und wusste nicht, wie sie hineinkommen sollte. Der Kammerherr erklärte es ihr: „Il faut enjamber; enjamber donc!“13 Sie beherrschte perfekt Französisch, schließlich war es die Umgangssprache an den Höfen Europas, aber was der Kammerherr da faselte, klang in ihren Ohren derart komisch, dass sie sich vor Lachen kaum noch halten konnte: Die Beine sollte sie werfen? Schließlich wollte es ihr doch gelingen. Auch ihre Mutter kam in diesem Gefährt zu liegen. Sie freuten sich an den gewärmten Ziegelsteinen, die ihre eiskalten Füße wieder auftauten und dann ging es in halsbrecherischer Fahrt, gezogen von zehn Pferden - immer zwei in einer Reihe – weiter. Begleitet wurden sie von Kürassieren, einer Abteilung des livländischen Regiments und weiteren Schlitten. Es ging durch Estland und schließlich nach Kernrussland, einer kargen Ödnis aus Schnee und Eis, entgrenzt bis ins scheinbar Endlose. Wie aus dem Nichts tauchte eines Tages ein schwarzer Schlitten auf. Soldaten eskortierten das düstere Gefährt. Es hatte die Anmutung eines Sargs. Wer mochte darin sitzen? Die Insassen ließen sich nicht ausmachen, selbst die Fenster waren mit schwarzen Tüchern verhangen. Sie konnten nicht ahnen, dass darin der abgesetzte Kindzar Iwan abtransportiert wurde, den man nun von seinen Eltern getrennt hatte. Ihn erwartete lebenslange Haft unter unmenschlichen Bedingungen in der Festung Schlüsselburg, ein Umstand, der ihn allmählich dem Wahnsinn verfallen lassen würde. Sophie fröstelte. Dieses Land barg dunkle Geheimnisse.
Endlich kam ein Dorf in Sichtweite. Sophie kratzte das Eis von dem kleinen Fenster ihres Schlittens und spähte hinaus. Wie Schatten kauerten armselige Holzhütten in der bleiern grauen Landschaft, gespenstisch und unwirklich. Vor ihnen hatten Leibeigene Feuer angezündet, um sich die halb erfrorenen Hände zu wärmen. Ihre aus Fellresten und Lumpen genähte Kleidung ließ ahnen, wie wenig sie gegen die beißende Kälte Schutz bieten mochte. Ausdruckslose Gesichter, steingrau und dumpf, starrten den Schlitten und ihrer Eskorte aus erloschenen Augen nach.
Kapitel 4
Russland
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Am 3. Februar 1744 hatte die Reisegesellschaft schließlich ihr erstes Ziel im russischen Reich erreicht: Sankt Petersburg. Peter der Große hatte die Stadt an der Ostsee erbauen lassen, direkt am Mündungsarm der Newa.
Die Peter-Paul-Kathedrale, entworfen 1712 von dem Tessiner Architekten Domenico Trezzini im Auftrag Peters des Großen. Nach Peters Tod im Jahr 1725 wurde die Kathedrale die letzte Ruhestätte der Zaren.
Diese durch ein zwangsrekrutiertes, riesiges Heer an Leibeigenen aus dem Nichts erbaute Stadt war gerade einmal vierzig Jahre alt, als Sophie eintraf. Peter, für den Moskau immer das Alte, Rückwärtsgerichtete und Archaische seines Reichs verkörpert hatte, machte Sankt Petersburg 1712 zur Hauptstadt und ließ die Stadt zwangsbesiedeln. Man brachte Sophie und ihre Mutter in den Winterpalast, damals noch ein nach Entwürfen des Tessiner Architekten Domenico Trezzini erbautes Gebäude.
Der Pavillonsaal, einer der Prunkräume im Winterpalast von Sankt Petersburg. Damals war er noch ganz in Gold und aus weißem Marmor. In ihm befindet sich auch die berühmte Pfauenuhr des Engländers James Cox, die einmal Potemkin gehört hatte.
Elisabeth würde es allerdings bald zugunsten eines noch viel prunkvolleren Palastes abreißen lassen: Diese türkisweiß barocke Pracht am Ufer der Newa – ein Entwurf von Elisabeths Haupthofarchitekten, dem Italiener Bartolomeo Rastrelli – raubt noch heute Besuchern den Atem, erst recht wenn sie den Palast betreten: Vergoldete Decken und Türen, feinste Stickereien, so zart wie Engelshaar, und Tausende bunter Edelsteine strahlen ihnen dann aus den Prunksälen entgegen. Zudem beherbergt der Winterpalast heute die Eremitage, eines der bedeutendsten Museen mit einer der weltweit größten Kunstsammlungen.
Der heutige Winterpalast von der Newa aus gesehen.
Sophie bekam in Sankt Petersburg einen ersten Vorgeschmack auf den unermesslichen Reichtum, den Luxus, die Verschwendungssucht und den Prunk der Zaren. Natürlich war das Kind leicht zu verführen durch den schier unglaublichen Dressurakt mit vierzehn Elefanten, einem Geschenk des Schahs von Persien. Und auch ihrer eitlen Mutter wurde derart geschmeichelt, dass sie sich „wie eine Königin“ vorkam. Nach den Strapazen der Reise musste ihnen Sankt Petersburg wie ein exotischer Traum erscheinen. Doch es war nicht das Wunderland, sondern das Reich der Zaren. Gottgleich und absolut herrschten diese über ein endloses Land, in dem allerdings nur etwa fünfzehn Millionen Menschen lebten. Der Großteil davon bestand aus Leibeigenen, die vollkommen entrechtet waren. Wer in Landstrichen siedelte, die wenig mehr außer Ackerbau und Viehzucht boten, wurde für die Arbeit in der Landwirtschaft eingesetzt und dort bis zur Erschöpfung ausgebeutet. Mehr Glück hatte der, dessen Besitzer kulturell versiert war und ihn in seinem jeweiligen Talent förderte. Dann wurde er in handwerklichen wie auch kunsthandwerklichen Berufen, in Musik, Kunst und Literatur sowie für die Bühne in Schauspiel, Bühnenbau und -technik ausgebildet. Sie alle aber waren der Willkür ihres Herrn ausgesetzt: Ohne richterlichen Beschluss durfte dieser mit ihnen verfahren, wie er wollte - sie waren sein Eigentum. Jederzeit waren sie darum grausamen Strafen, Misshandlungen und Prügel ausgesetzt oder mit ihrem Verkauf oder dem ihrer Kinder bedroht – eine Besonderheit der russischen Leibeigenschaft, die damit in die Nähe der Sklaverei rückte. Den unermesslichen Prunk und Reichtum der Paläste hatte das Heer der namenlosen leibeigenen Künstler zu einem Hungerlohn erschaffen. Dies waren die Grundpfeiler dieser Pracht, die Sophie auf der Reise durch die unermesslichen Weiten Russlands stets auch begegneten.
Weitere drei Tage einer strapaziösen Reise standen Sophie und ihrer Mutter nach diesem Zwischenstopp bevor, denn das eigentliche Ziel war Moskau. Am 9. Februar 1744 trafen sie ein. Gerade rechtzeitig, denn nach dem julianischen Kalender war der nächste Tag der Geburtstag des Großfürsten Peter. Die Mutter berichtete umgehend an Friedrich II: „Man muss eine eiserne Gesundheit haben, um die Beschwerden der Reise und die Ermüdung der Hofetikette zu ertragen. Meine Tochter ist in dieser Beziehung glücklicher als ich. Ihre Jugend hält sie aufrecht. Gleich den jungen Soldaten, welche die Gefahr verachten, genießt sie das Großartige, das sie umgibt.“ Vom Prunk Sankt Petersburgs geblendet, musste ihnen die alte russische Hauptstadt wie ein verschlafenes Nest vorgekommen sein. Durch die angeordnete Zwangsumsiedlung nach Sankt Petersburg war Moskau verwaist, von den Herrschenden missachtet und seinem baulichen Verfall preisgegeben worden. Erst Zarin Elisabeth würde das Bauverbot Peters des Großen wieder aufheben, der verfügt hatte, dass Bauten aus Stein ausschließlich in Sankt Petersburg gebaut werden durften. Überall in Moskau standen darum bescheidene Holzhütten rund um die Backsteinmauern des Kreml, der alten Stadtbefestigung aus dem Mittelalter. Der Blick verfing sich in verwinkelten Gässchen, in denen