Название | Morgen wird ein guter Tag |
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Автор произведения | Sir Thomas Moore |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854457060 |
Obwohl man den Krieg teils erwartete und die manischen Tiraden von Hitler und dem deutschen Propagandisten Lord Haw-Haw [Spitzname der verschiedenen Sprecher des aus Deutschland ausgestrahlten, englischsprachigen Radioprogramms im Zweiten Weltkrieg] aus unserem Radio bellten, klammerte sich jeder an die Hoffnung, dass er sich vermeiden ließe. Das verstärkte sich noch deutlich, als unser Premierminister Neville Chamberlain (meine achte Regierung in 19 Jahren) aus Deutschland zurückkehrte und mit einem von Hitler unterzeichneten Papierfetzen freudig in der Hand winkte. Er sichere uns den „Frieden für unsere Zeit“. Als am 3. September 1939 um 11 Uhr morgens der Kriegszustand erklärt wurde, zwei Tage, nachdem Deutschland Polen angegriffen hatte, wirkte das wie ein Schock auf uns.
Vater, Mutter, Freda und ich saßen im Club Nook ganz still um das Philco-Radio herum und hörten Chamberlain zu, wie er die heute als legendär geltenden Worte sprach:
Ich spreche zu Ihnen aus dem Konferenzraum in der Downing Street 10. An diesem Morgen übergab der britische Botschafter in Berlin der deutschen Regierung eine letzte Aufforderung. Sie besagte, dass ein Kriegszustand zwischen uns in Kraft tritt, wenn wir bis elf Uhr von ihnen nichts über die Bereitschaft hören, ihre Truppen aus Polen zurückzuziehen. Ich muss Ihnen nun mitteilen, dass so eine Zusicherung nicht überbracht wurde und dass sich dieses Land nun konsequenterweise im Krieg mit Deutschland befindet.
Wir vier schauten uns einen Moment lang ausdruckslos an, wonach Mutter meinem Vater das Gesagte mitteilte. Seine Augen wurden feucht, er schüttelte den Kopf und verließ dann mit ihr das Zimmer. Freda und ich saßen ganz still da. Wir fragten uns, was das alles bedeutete. Wenn man jung ist, wird man durch nichts so leicht aus der Bahn geworfen, und vielleicht war ich von den Nachrichten nicht so erschüttert wie die ältere Generation. Viel eher als die Bekanntgabe von Feindseligkeiten schockierten mich drei Hawker Hurricanes, die kurz danach über unser Tal flogen. Ich erinnere mich, dass ich zu ihnen hochgeschaut und gedacht habe: „Das ist nun wirklich der Krieg.“
Da Großbritannien immer noch weniger als eine Million Soldaten ausgebildet hatte – Frankreich verfügte über fünf Millionen –, veränderte sich für meine Generation alles. Die Männer meldeten sich nicht freiwillig wie im vorhergehenden Krieg, da sie wussten, was mit den Millionen geschehen war, die nicht mehr heimkehrten. Hätte es im Zweiten Weltkrieg keine Wehrpflicht gegeben, wären meiner Meinung nach nicht viele losgezogen.
Etwas musste getan werden, woraufhin der „National Service (Armed Forces) Act“ die Rekrutierung aller gesunden Männer im Alter zwischen 18 und 41 Jahren erzwang. Diejenigen, die eine Rolle bei wichtigen Industriezweigen spielten oder Zivilarbeit von nationaler Bedeutung leisteten – wie zum Beispiel in der Landwirtschaft –, fielen durch das Raster. Da ich nur Cousinen hatte, war ich der Einzige in der Familie, den man einberief. Ich nahm das alles aber immer noch auf die leichte Schulter und witzelte gegenüber anderen: „Der König hat mir so ’ne kurze Nachricht geschickt, dass es ihm ein bisschen an Leuten mangelt und uns ein wenig Ärger in Deutschland bevorsteht. Ob ich etwas dagegen hätte, da mitzumachen. Hatte ich nicht, und darum habe ich mich registrieren lassen.“ Die harsche Realität sah anders aus. Einberufen zu werden, bedeutete, sich der lange hinausgezögerten Musterung zu unterwerfen, bei der die aus medizinischen Gründen Untauglichen ausgesiebt wurden, die psychisch Instabilen und die Verweigerer aus Gewissensgründen, die einen anders gelagerten Beitrag leisten mussten, zum Beispiel als Fahrer von Rettungswagen oder als Tragbahren-Sanitäter. Die Sanduhr war gerade umgedreht worden.
Ich hatte keine Angst davor, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, und stellte niemals infrage, dass auch ich möglicherweise unseren gemeinsamen Feind ins Antlitz starren musste. Die Deutschen hatten angefangen, und ich empfand es als meine Pflicht, unser Land zu verteidigen. Zwei meiner Freunde waren bereits einberufen geworden – Charlie Dinsdale, der 1938 der Territorial Army beitrat, während er noch die Universität besuchte und dem 1st Battalion of the Duke of Wellington’s Regiment (West Riding) zugeteilt wurde, und Brian Booth von der Bradford Tech, der zur RAF ging und vier Jahre lang deutscher Kriegsgefangener war. Er kam aus einer netten Familie, die in einem großen Haus in Burley in Wharfedale lebte, hinter dem Moor. Seinem Vater gehörte ein Kalksteinbruch außerhalb von Skipton, der sich – obwohl ich es damals noch nicht wissen konnte – für mich später als eine Rettungsleine herausstellen sollte.
In den ersten Monaten nach der Kriegserklärung geschah so gut wie gar nichts und das Leben nahm seinen gewohnten Lauf. Diese Zeitspanne wurde als der „Sitzkrieg“ bekannt, da keine groß angelegten militärischen Schläge stattfanden und die Regierung sich auf wirtschaftliche Taktiken und Seeblockaden konzentrierte. Den größten Schock löste die Versenkung des Kriegsschiffs HMS Royal Oak aus, das von einem deutschen U-Boot torpediert worden war. Dabei kamen im Oktober 800 Menschen ums Leben, also kurz nach der Kriegserklärung.
Im Bezirk von Keighley gewöhnten wir uns – wie alle im Land – an die neuen Kriegsverordnungen, die eine Rationierung von Nahrungsmitteln, Benzin und Kleidung beinhalteten. Auch zogen wir für nächtliche Fahrten kleine Säckchen wie Kapuzen über die Autoscheinwerfer – und jeder erhielt die obligatorische Gasmaske in einer Art Pappkarton. Ich half meinen Eltern beim Nähen der schwarzen Verdunklungsgardinen, die man jede Nacht vor die Fenster hängte. Der Anblick von städtischen Gebäuden, schwer geschützt mit einem Haufen Sandsäcke, wurde schnell zur Alltäglichkeit. Da wir in einem Tal lebten und nicht das Gefühl hatten, zu einem der primären Industrieziele zu gehören, fand man in Riddlesden keine Luftschutzkeller vor, zumindest soweit ich weiß. Allerdings installierte man eine Luftschutzsirene auf den Coney-Lane-Elektrizitätswerken in Keighley, und eine Gruppe von Familien in Riddlesden buddelte sich einen über zwei Meter tiefen und circa 70 Meter langen Graben, in dem sie sich im Ernstfall schützen wollten. Ein weiterer Hinweis auf die geradezu stoische Haltung meiner Eltern gegenüber dem Krieg war die Weigerung, solch einen Graben an unserem Garten auszuheben. Wir ließen uns auch keine der Anderson-Luftschutzunterstände [ein einfacher Schutz aus dünnem Wellblech] andrehen, die so viele andere in heller Panik installierten.
Schon früh nahm die Stadt evakuierte Kinder aus Bradford auf, einer größeren Stadt, die wegen ihrer Schwerindustrie wahrscheinlich eher das Ziel von Bombardements werden konnte. Mehr als 1000 Kinder kamen in Spezialzügen und einer Flotte von Bussen, die dann alle in Empfangszentren registriert wurden, bevor man sie auf die verschiedenen Häuser verteilte. Mutter nahm etwas später zwei in Club Nook auf, und die örtlichen Schulen mussten Doppelschichten zum Unterricht organisieren. In kürzester Zeit eröffnete in Keighley das Arbeitshaus für Arme, das 1930 geschlossen worden war, wieder die Türen, um mehr als 100 ältere Menschen aus London unterzubringen. Aus der Tatsache, dass die älteste Umsiedlerin 96 Jahre alt war, wurde eine ganz große Sache gemacht. Die arme alte Frau.
Zur Abwehr eines breit angelegten deutschen Angriffs zu Land, zu Wasser oder aus der Luft erließ die Regierung unverzüglich einen zivilen Verteidigungsplan. Kriegsminister Anthony Eden ließ eine Ansprache senden, bei der er Männer im Alter zwischen 17 und 65 Jahren aufrief, in eine Art Bürgerwehr, die „Local Defence Volunteers“ (LDV), einzutreten. Später nannte man sie „Home Guard“ und heute ist sie als „Dad’s Army“ bekannt. Wie so viele andere meldete ich mich unverzüglich freiwillig. Innerhalb weniger Monate hatten sich 1,5 Millionen Männer der damals umgangssprachlich genannten „Ragtag Militia“ angeschlossen, darunter auch Onkel Arthur, der während des gesamten Kriegs Laster und Sanitätswagen fuhr. Über die LDV wird nur selten gesprochen, und einige wissen gar nicht, dass sie existierte. Sie spielte aber eine wichtige Rolle in der Beschwichtigung von Befürchtungen, dass Deutschland Spione mit Fallschirmen in Großbritannien absetzen würde, die dann unter uns unerkannt leben und arbeiten würden. In dem Fall hätten sie wichtige militärische Informationen weitergeleitet oder die Moral zersetzt. Überall tauchten nun Plakate mit Warnungen auf wie „Loose Lips Sink Ships“ oder „Be Like Dad – Keep Mum“. [Letzteres ist ein englisches Wortspiel, das „keep mum“ „die Mutter behalten“ oder „zur Mutter stehen“ bedeuten kann. In diesem Fall beschreibt „mum“