Arkadiertod. Thomas L. Viernau

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Название Arkadiertod
Автор произведения Thomas L. Viernau
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967525120



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der Parks und Schlösser zu tun hatte. Die Arkadische Gesellschaft wurde gleich nach der Wende gegründet, ist also schon eine ganze Zeitlang tätig. Sie geben sogar jeden Monat eine kleine Broschüre heraus, in der über wichtige laufende Projekte berichtet wird.«

      Linthdorf kannte diese Heftchen. Er hatte gewissenhaft alle Jahrgangshefte gesammelt. Auch die Arkadische Gesellschaft war für ihn kein unbekanntes Terrain. Zahlreiche Ausstellungen und Vorträge wurden von der Gesellschaft organisiert. So oft er konnte, besuchte er diese auch.

      »Tja, nach der Matinee versammelten sich wohl die Arkadier zu einem kleinen zweiten Frühstück mit Glühwein und Imbiss im Glienicker Schlossrestaurant und wollten eigentlich wieder zurück zur Tagesordnung kommen. Ein paar von ihnen klagten nach kurzer Zeit über Schwindelgefühle und Kopfschmerzen. Einigen wurde schlecht und erbrachen sich, zwei Frauen fielen in Bewusstlosigkeit. Die Leute vom Restaurant riefen daraufhin sofort bei der SMH an und äußerten den Verdacht einer Lebensmittelvergiftung. Die ersten Rettungsärzte, die eintrafen, fanden bereits acht Bewusstlose vor.

      Eine Ärztin, die spezialisiert auf Lebensmittelvergiftungen war, gab dann Alarm. Es handele sich bei den Symptomen um keine klassische Lebensmittelvergiftung, sondern um einen Giftanschlag. Wir waren geschockt, verhängten die Nachrichtensperre um eine Massenpanik zu verhindern und rückten mit dem ganz großen Programm an. Techniker, Spurensicherung … na du weißt schon.«

      »Weiß man schon …?«

      »Ja, es handelt sich wohl um eine Vergiftung mit dem Alkaloid Taxin B.«

      Linthdorf schaute Voßwinkel leicht verstört an. Der Name des Alkaloids kam ihm bekannt vor. Erst neulich geisterte ein solch ähnlicher Name durch das Internet als neues Wundermittel im Kampf gegen Krebs. Er versuchte sich zu erinnern. Vergeblich, es war nur eine Marginalie in den Populärwissenschaftsplattformen des Netzes und von ihm nur beiläufig gelesen worden.

      Voßwinkel bemerkte, dass Linthdorf mit seiner Äußerung ratlos war. Er hatte sich eingehend mit dem Gift beschäftigt.

      »An was du denkst ist Taxol A. Verwandt mit Taxin B. Taxol A hat ein paar Kohlenwasserstoffringe mehr. Beide Alkaloide stammen von der Eibe. Taxol A allerdings von der sehr seltenen Pazifischen Eibe, Taxin B stammt von unserer Europäischen Eibe. Es ist ein alter Bekannter bei den Giftmischern. Taxin B ist das Gift der Eibe. Du kennst doch diese Gehölze?«

      Natürlich kannte Linthdorf Eiben. Schon als Kind hatte er diese dunklen Nadelsträucher, die nach unendlich langer Zeit sogar stattliche Bäume werden konnten, mit Ehrfurcht betrachtet. Im Garten seiner Großeltern standen immer mehrere Eiben als Sichtschutz zur Straße.

      Seine Großmutter hatte ihn stets vor ihnen gewarnt.

      Alles sei giftig an der Eibe. Das Holz, die Nadeln und vor allem die Samenkörner. Es reiche aus, in ihrem Schatten einzuschlafen um krank zu werden.

      Als kleiner Junge hatte er das geglaubt, später dann, als Halbwüchsiger, war sein Respekt vor dem dunklen Eibenstrauch gewichen. Sein Schulfreund Peter hatte sogar die rot leuchtenden Beeren gegessen. Die Beeren wären wohl essbar, nur die kleinen schwarzen Samenkerne im Innern der Beeren solle man tunlichst nicht mitessen, die wären wohl ziemlich giftig. Aber selbst die zahlreichen Singvögel, die mit großer Begeisterung die Beeren mitsamt den Samenkörnern pickten, schienen immun gegen das Gift der Eibe zu sein. Jedenfalls sah er in der Umgebung der alten Eiben im Garten seiner Großmutter nie einen toten Vogel.

      Er traute sich dann auch die saftig roten Beeren zu essen. Die schwarzen Kernchen hatte er vorher jedoch herausgepolkt.

      »Woran hat man es gemerkt? Schmeckt das Eibengift nicht bitter?«

      »Die klassischen Symptome: unnatürlich rote Lippen, erweiterte Pupillen, Herzrasen, das dann in eine totale Verlangsamung des Herzschlags übergeht … Schon im Mittelalter war Eibengift sehr beliebt. Das Gift der Eibe ist stärker als das Gift des Fingerhuts, unserer bekanntesten Giftpflanze.

      Es ist kein unbekanntes Gift, obwohl es in den letzten Jahrzehnten von den modernen Giften Cyankali und Strychnin abgelöst worden ist. Es gibt ja auch kaum noch Eiben. Die wenigen frei wachsenden Eiben stehen unter Naturschutz. Meist findet man sie noch in alten Parkanlagen …«

      »Ja, in Glienicke wachsen auch noch welche. Am Sanctuarium stehen ein paar hübsche Büsche.«

      »Du meinst, die könnten vor Ort …?«

      »Naja, ganz so abwegig ist das nun auch nicht. Haben die Arkadier denn überlebt?«

      »Vier sind gestorben, da war das Gift bereits zu weit im Organismus verbreitet, acht liegen noch auf der Intensivstation im Virchow-Klinikum. Sie haben gute Chancen, durchzukommen.«

      »Habt ihr schon erste Befragungen …?«

      »Nein, es sind nicht mehr die jüngsten. Alle stehen mehr oder weniger unter Schock. Die Kellner und Köche vom Schlossrestaurant haben wir befragt. Keiner wusste etwas. Ach so, das Gift war in konzentrierter Menge im Glühwein gewesen. Der bittere Geschmack des Gifts wurde vom starken Gewürzgeschmack und dem vielen Zucker neutralisiert. Die vier Toten hatten wohl dem Glühwein etwas mehr zugesprochen. Alle anderen hatten nur einen Becher davon getrunken.«

      »Seltsam. Wer hat denn Interesse daran, so eine harmlose Truppe aus dem Weg zu schaffen? Waren das Geheimbündler? Oder haben sie Antiquitäten geschmuggelt, mit Drogen gedealt? Und wieso solch ein mittelalterlicher Giftmord? Gibt es da nicht effizientere Methoden?«

      »Mein Gott, Theo! Wir sind noch ganz am Anfang. Vielleicht ist alles auch nur ein großes Missverständnis. Natürlich haben wir uns das auch schon gefragt. Wer weiß, vielleicht hat jemand Eibensamen als Gewürz mit in die Glühweinzutaten gemischt … Wir wissen es noch nicht. Aber wir sollten uns heute Abend nicht mit so etwas Unerquicklichem wie Giftmord befassen. Morgen ist Weihnachten!«

      Linthdorf nickte und entgegnete zum Abschluss: »Mir doch egal, geh sowieso nicht hin.«

      Dann prostete er seinem alten Freund Voßwinkel zu und schlürfte den Williams-Christ-Birnengeist genießerisch aus dem langstieligen Glas, den die pummelige Kellnerin zwischendurch an den Tisch gebracht hatte.

       Manch Bild aus früherer Zeit bleibt unverhangen,

       den kühlen Platz am Teich noch stets im Sinn.

       Ob sie je kam?

       Ich sah sie wohl nie lächeln.

       Wie Lotos blüht mir auf das Wort: dahin.

      

       Qi Bai Xi 1935

      II

      Berlin, Friedrichshain

      Sonntag, 24. Dezember 2006

      Heiligabend! Aus dem Radio dudelte heiter Besinnliches. Linthdorf saß in seiner Küche und knabberte eine Möhre. Neben ihm auf dem zweiten Küchenstuhl hatte es sich seine buntgescheckte Katze gemütlich gemacht. Sie beobachtete ihren großen Gönner aufmerksam, immer darauf hoffend, etwas Nahrhaftes oder Wohlschmeckendes vom großen Tisch abzubekommen.

      Ein Blick auf die Uhr genügte.

      Linthdorf lehnte sich entspannt zurück. Es war erst halb Neun. Draußen dämmerte der Tag vorsichtig heran. Ein Blick aus dem Fenster reichte aus, um die Stimmung zu dämpfen. Nein, auch dieses Jahr wollte es nicht so richtig klappen mit der weißen Weihnacht. Bleigrau präsentierte sich der Tag. Das heiter besinnliche Musikprogramm im Radio wechselte in ein süßlich-kitschiges Geplärre. Entnervt drückte Linthdorf die Austaste. Just in diesem Moment ertönte ein vertrautes Klingelzeichen.

      Missmutig trollte er sich Richtung Flur. Maunzend folgte ihm die Katze. Das Klingelgeräusch ertönte aus der Garderobe. Dort hing Linthdorfs Mantel. Endlich hatte er das Handy aus der Innentasche des Mantels hervorgeholt, das Klingeln war inzwischen verstummt. Ein Blick auf das Display genügte, um Linthdorfs Stimmung vollständig auf null zu fahren.

      Es war seine Dienststelle in Potsdam.