Название | Kässpätzlesexitus |
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Автор произведения | Michael Boenke |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839246009 |
Der Witwer-Club Ostrach legte einen vom Publikum mit jaulenden Aufforderungsrufen begleiteten Fehlstart hin, nicht dass es ein Jump-Start gewesen wäre, eher das Gegenteil. Die Herren hatten vermutlich altersbedingt den Startschuss nicht gehört. Vielleicht waren sie auch zu sehr mit dem Öffnen der ersten Schnapsflasche beschäftigt, sie hatten sich einen Obstler zum Wettessen ausgesucht. Rollator-Paule sprach nur vom Essen, er wusste vermutlich nicht, dass er einer der Hauptakteure in einem spannenden Wettbewerb war.
Nachdem die frauenlosen, freundlichen alten Herren einen Teil des Obstlers auf dem Tisch verleppert hatten, auch etwas in den kleinen Gläschen schwappte, prosteten sie sich unter Gejaule des Publikums erst einmal zu. Dann verzehrten sie in aller Ruhe die goldgelben Kässpätzle, die mit buttergeschmelzten Zwiebelchen und klein gewürfelten Speckstückchen verfeinert waren. Die Herren genossen Kässpätzle, Schnaps, aber vor allem die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wurde.
Etliche Schnäpse nach dem ungehörten Startschuss, die erste Kässpätzlesschüssel war noch zur Hälfte mit kränkelnden Teigwaren gefüllt, bemerkten die sympathischen Herren den Tumult an Tisch 6 nicht.
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Die Junge Union
Die Junge Union sah gar nicht so jung aus, wie das vor Union befindliche Adjektiv schließen ließ. Vier freundliche, gutgekleidete, sympathische Herren und eine attraktive Quoten-Dame warteten auf das Start-Plopp. Dann ging es bei Hahnenwasser diszipliniert, aber energisch zur Sache. Ihre Strategie war es, wie im politischen Leben ein strammes Tempo vorzugeben, Vorbildfunktion in allen Bereichen. Diszipliniert mit Hahnenwasser, wie sie Leitungswasser nannten, arbeiten und immer den Sieg vor Augen haben. Hahnenwasser, erstens wegen des sauberen Images, zweitens weniger Blähungen. Strategieansatz zwei, wie im politischen Leben, alles geben: Enthusiasmus gepaart mit Willensstärke und Freude. Sie würden gewinnen. Die Alten von Tisch eins, nette CDU-Wähler mit Sympathiebonus, aber keine Gegner. Die Harley-Rocker, beeindruckend, aber auch nur das Outfit. Vermutlich wie alle Motorradfahrer zu doof, um zu begreifen, wo man das Essen reinsteckt. Dieser Trinksportverein und Die Tiere, auch keine Gegner, Lachnummern, die ersten fünf Minuten reingesteckt, was ging. Einer hatte sich schon übergeben und das nach knappen fünf Minuten. Und diese Motorrad-Schlampen waren bestimmt nur angereist, um später von den Harley-Trotteln gevögelt zu werden – so wie die aussahen.
So die Annahmen der Jungen Union. Die wenigen Worte, die vielen Gedanken der Jungpolitiker wurden jäh von aufgeregten Rufen an Tisch sechs unterbrochen.
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Trinksportverein Schluck
Der Trinksportverein Schluck war mehr Interessengemeinschaft denn Verein. Hoffnungsvolle junge Erwachsene mit kleinen PS-starken, tiefergelegten Automobilen und kühnen Frisuren. Ihre rare Freizeit vergeudeten sie nicht sinnlos, nein, sie gingen saufen. An jedem Wochenende. Wochenende war Freitag, Samstag, Sonntag, Montagmorgen.
Klaus-Dieter, Anführer des Trinksportverein Schluck, weil er die interessanteste Frisur hatte. Etwas stand bei einem ansonsten blondierten Kopf schwarz auf Wiedehopfart in die Höhe. Die blondierte, fast kahlrasierte Seitenansicht war mit etwas geschmückt, das an ein Toilettentapetenmuster aus den 70er-Jahren erinnerte.
Ronnie, etwas intellektuell schwächer als Klaus-Dieter, schmückte eine hübsche Vokuhila-Frisur. Sein Hobby war Jägermeister. Er konnte das Veranstaltungsteam davon überzeugen, für ihren Tisch, Tisch Numero vier, keine Spezi hinzustellen, sondern den Jägi – nachdem sie alle ihre Ausweise gezeigt hatten.
Rocky, der eigentliche Loser der Truppe, da er vier Anläufe für den Führerschein brauchte, enttäuschte die übrigen hochmotivierten Trinksportler in ihrer Prä-Siegeseuphorie, da er sich schon nach fünf Minuten unter den Tisch erbrach. Das meiste war bräunliche Flüssigkeit.
Die beiden Damen Jessie und Jeannie, oberschwäbische Vulgär-Attraktionen, begleiteten die Herren, weil sie dachten, sie wären zum Essen eingeladen und würden danach einen Riedspaziergang machen.
Jessie und Jeannie sprangen zeitgleich auf und hauchten, die Hände vor den Mund haltend, frenchnailpräsentierend:
»Oh mein Gott!«
Kajalunterstrichene Augen stierten fünfeurogroß zu Tisch sechs.
»Oh mein Gott!«
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Die Tiere
Tisch fünf belegten Die Tiere. Fünf Männer in den besten Jahren, stadt- und dorfbekannte Charmeure und Bankrotteure aus dem Badestädtchen Saulgau. Wenn sie nicht an einem Wettessen teilnahmen, und das war meistens der Fall, lungerten sie tagsüber in Cafés herum, wo man sie sehen konnte, und tranken Espressi. Abends waren sie in der heimischen oder umliegenden Saunen anzutreffen, wo sie ihre Figuren in Badehosen, die ähnlich alt waren wie deren Träger, mit eingezogenem Bauch präsentierten.
Nun saßen sie aufrecht, keine Miene verziehend, vor der ersten Schüssel und beobachteten lüstern auf den Startschuss wartend die Gegnerinnen am Nachbartisch.
Sie wussten, obwohl sie in ihrem Leben schon x-mal alles verloren hatten, dass sie heute als Sieger aus dem Wettbewerb herausgehen würden. Man sah es ihnen nicht an, aber sie hatten das Geld am nötigsten.
Plopp!
Keine Strategie, da sie wegen ihrer Schulden selten aßen und die gebrauchten Luxusautos auch im Unterhalt teuer waren, brachten sie verständlicherweise einen guten Appetit mit. Und da sie alle fünf groß gebaut waren, gingen sie davon aus, dass sie auch die größten Mägen hatten.
Die 500 Euro würden ihnen gehören, dann könnten sie sich wieder etwas kaufen, das sie sich nicht leisten konnten.
Es lief alles verdammt gut, bis es am Nebentisch, dem Tisch mit den heißen Bräuten, zum Vorfall kam.
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Die Busty Biker Brides
Schaki hatte Uniform für die Busty Biker Brides angeordnet. Bluejeans, weiße Bluse, Cowboyhut. Ihrer Schwester Schanti war es als Gastesserin erlaubt, in Zivil zu erscheinen, sie trug Bluejeans und ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf. Schaki hatte sie lediglich geschminkt und war erstaunt in zweierlei Hinsicht. Erstens, wie schnell sich Schanti dazu überreden ließ, am Wettessen teilzunehmen, und zweitens, wie ähnlich ihr Schanti sah, wenn sie gestylt war. Seit Langem umarmte sie mal wieder ihre Schwester.
Nun saßen alle fünf, vier davon mit weißen Blusen und Cowboyhüten, vor der großen, braunen Steingutschüssel und erwarteten das Plopp. Vor allem Schanti wirkte nervös, sie war beinahe zu spät zum Startschuss gekommen, da sie noch auf die Toilette musste. Nun stand sie am nächsten an der Schüssel mit der aufgemalten Zahl sechs, die Schaki als Chefin frisch aus der Küche geholt hatte, und hielt den Schöpflöffel lauernd in der rechten Hand. Schanti saß nicht, sie stand am Tisch, um schneller für die Mannschaft schöpfen zu können.
Plopp!
Schanti stach in die weiche, wohlriechende Masse und verteilte gleichmäßig auf die hingestreckten Teller. Für sich nahm sie die letzte Portion. Und dann gingen die attraktiven Bikerinnen mit ihrer Gastesserin ganz genau nach der Strategie vor, die Schaki am Baggersee vorgegeben hatte. Nur mit Disziplin konnten sie siegen. Auf dem Tisch standen fünf Flaschen mit Leitungswasser. Sie hatten einen Tag lang nichts gegessen, nur Wasser getrunken. Direkt vor dem Wettbewerb hatte jede von ihnen drei ›Rennie räumt den Magen auf‹ genommen. Der Sieg würde möglich sein.
Alle hielten sich an das von Schaki vorgegebene Esstempo. Reden war verboten. Nach drei Gabeln ein winziger Schluck Wasser.
Plötzlich würgte Schanti, hustete, wurde rot im Gesicht und fasste sich an den Hals.
Monscheri schlug ihr beherzt auf den Rücken:
»Ausspucken, los, spuck’s aus!«
Die Damengesichter wurden ernst, und Schaki sprang auf. Da krümmte sich Schanti aber schon auf