Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

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Название Geduld als Ressource
Автор произведения Bettina Siebert-Blaesing
Жанр Социология
Серия Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783828876781



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Lebens vergleicht er mit den „Angriffen des Teufels“ (ebd., S.25) und der „Welt“ (ebd.). Christliche Aufgabe sei es, mithilfe der Geduld dies zu „ertragen“ (ebd.) Cyprian trifft eine Unterscheidung zwischen denjenigen, die sich an der Geduld Gottes ausrichten würden und anderen, die sich an der Ungeduld orientieren würden. Ungeduld setzt er mit dem Werk des Teufels gleich, indem er sagt: „Denn wie die Geduld ein Segen Christi ist, so ist andererseits die Ungeduld ein Fluch des Teufels“27. Die Ursache aller Probleme schreibt er Andersgläubigen besonders aber dem Volk der Juden zu, als er erklärt: „Wenn ferner das gegenüber den göttlichen Wohltaten treulose und undankbare jüdische Volk zum ersten Mal von Gott abtrünnig wurde, war nicht daran die Ungeduld Schuld?“(ebd.) Im Ganzen wertet er die Geduld als positiv und förderlich, die Ungeduld stellt er als negativ und schädlich dar, wenn er behaupte, „überhaupt all das, was die Geduld durch ihr Wirken zum Ruhm aufbaut, das richtet die Ungeduld zugrunde“ (ebd.). Diese Überlegung führt zu einer aktuellen Kritik (vgl. Diskussion) an Cyprians Sichtweise zur Geduld und seiner Entwertung anderer Glaubensrichtungen und anderer Herkünfte insbesondere im Kontext der Toleranz und eines heutigen demokratischen Verständnisses sowie friedvollen Zusammenlebens (Schmidt-Salomon 2017, S. 64–65).

      2.3.3.2 Augustinus von Hippo

      Augustinus von Hippo, der in den Jahren 354–430 n.Chr. gelebt hat, wird im nördlichen Afrika im heutigen Algerien geboren. Er ist der Sohn eines Bauern und Regierungsbeamten sowie einer christlichen Mutter.28 Den christlichen Glauben lehnt er anfangs ab.29 Augustinus lehrt zuerst in Karthago, Rom und in Mailand, bekehrt sich dann aber zum Christentum. Er geht in seine nordafrikanische Heimat zurück und gründet ein philosophisch-theologisches Kloster, um sich der Stille zu widmen. Kurze Zeit später wird Augustinus jedoch als Bischof von Hippo eingesetzt und widmet sich dem Schreiben theologischer Texte. Seinen früheren offenen Lebensstil reflektiert er nun als Sünde, eine Erlösung sieht er nur in einem Gott zugewandten Leben in Demut und Nächstenliebe und in der Hoffnung auf die Gnade Gottes.30 Damit wird Augustinus sowohl ein wichtiger Repräsentant des Erlösungsdenkens seiner Zeit wie auch ein zentraler christlicher Lehrer.31 In De patientia32 sieht Augustinus den Sinn eines geduldigen Handelns darin, dass durch ein Ertragen in Geduld ein schlimmeres Übel vermieden werden könne. Der Geduld weist er eine strategische Bedeutung zu: Probleme lassen sich aus seiner Sicht nicht durch Vermeidung oder durch Ausweichen in „Ungeduld“ (ebd.) bewältigen, sondern nur durch die Akzeptanz des Problems. Er sieht die Notwendigkeit, dieses annehmend zu lösen (ebd.). Augustinus differenziert bezüglich des Auslösers von Geduld zwischen einem Grund, der aus der „Weisheit“33 resultiert, und einem Grund, der in einem „Begehren“ (ebd.) verwurzelt ist. Einzig der Grund, der „gut“ (ebd.) sei, legitimiere ein Lob der Geduld. Andernfalls wäre die „Härte“ (ebd.) des Menschen verwunderlich, der eine „falsche Geduld“ (ebd.) zeige. Augustinus unterscheidet zwischen einer „echten“ (ebd.) und einer „falschen“ (ebd.) Geduld, die erst dann zu erkennen sei, sobald der wahre Grund für ein Handeln verstanden werde. Damit warnt er davor, jedes Abwarten und Aushalten pauschal als geduldig und lobenswert anzusehen. Für ihn ist Geduld „das Festhalten am Guten, die Ausdauer, mit der man einer guten Sache treu bleibt. Geduld kennzeichnet die Standhaftigkeit und Beharrlichkeit, mit der man allen Widerständen zum Trotz am Guten festhält, über eine lange Zeit festhält.“ (Klomps 1976, S. 78–82) Klomps betont, dass Augustinus die Geduld demnach als eine „nach innen verlegte Tapferkeit“ (ebd.) verstehe, und verdeutlicht damit, dass in der Geduld eine unentdeckte Stärke liegen kann.

      In diesem Kapitel stehen Texte von Franz von Assisi, Katharina von Siena, Teresa von Ávila, Johannes vom Kreuz und Franz von Sales im Zentrum und zeigen die Bedeutung der Geduld in der Entwicklung des klösterlichen Lebens im christlichen Kontext.

      2.3.4.1 Franz von Assisi

      Franz von Assisi (1182/1181–1226, vgl. Dieterich 1995, S. 140–142) kommt als Sohn einer angesehenen Tuchhändlerfamilie in Assisi in Italien zur Welt. Als junger Mann kämpft er als Ritter, gerät dort in Gefangenschaft, wird schwer krank und wendet sich der Orientierung an Jesus zu. Als er sich mit seinem Vater verwirft, nimmt er ein Einsiedlerleben auf, das darauf ausgerichtet ist, in Armut zu leben. Er geht als Laienprediger auf Wanderschaft, sieht sich mit allen Menschen und Tieren geschwisterlich verbunden. Schon zwei Jahre nach seinem Tod wird Franz von Assisi heiliggesprochen. Franz von Assisi wird bis in die heutige Zeit für sein Eintreten für Menschen in Armut, Krankheit und Not, für seinen Verzicht auf Gewalt und Machtmissbrauch sowie für seine Verbundenheit mit der Natur und der Schöpfung verehrt.34 Im Lobpreis des heiligen Franziskus35 stellt Franz von Assisi Gott als einen dialogischen und wohlwollenden Gott dar und der „Wunderwerke“36 vollbringt. In seiner Aufzählung der Charakteristika Gottes nennt er in diesem Gebet die Geduld eingeordnet zwischen der Demut und der Schönheit (vgl. ebd.). Damit weist er der Geduld den Stellenwert einer Verbindung zwischen allem Kleinen und Armen, das in Demut gewürdigt wird, und der Größe der Schönheit zu. Franz von Assisis praktiziert einen liebevollen und wertschätzenden Blick auf alles Lebendige. Seine Einstellung zur Geduld geht mit der von ihm gezeigten Radikalität, seiner inneren Stimme bzw. seiner Berufung zu folgen und sich bewusst für ein Leben in Armut zu entscheiden, einher.

      2.3.4.2 Katharina von Siena

      Katharina von Siena (1347–1380, vgl. Stöhr 2014, S. 119–169) orientiert sich schon als Kind an einem christlichen Leben, an Askese und Meditation. Gegen den Widerstand ihrer Eltern tritt sie als junge Frau dem Orden der Dominikanerinnen bei. Fortwährend sieht sie Jesus als ihr Vorbild und ihren Ehemann an und versteht sich bis zu ihrem Tod in einem tiefen mystischen Eheverhältnis (Borchert und Zulauf 1994, S. 53) mit ihm. Katharina verfasst fast vierhundert Briefe an Bekannte, Verwandte und an politisch zentrale Personen sowie theologische Bücher und Gebete. Hierüber gelingt es ihr, sich Gehör zu schaffen und politischen Einfluss auf Papst Gregor XI. und seinen Nachfolger Urban VI. zu nehmen. Nach ihrem Tod wird Katharina heiliggesprochen und als Kirchenlehrerin gewürdigt. Wegen ihrer besonderen Wirkung in der Förderung der Einheit Europas und des Friedens wird sie in Italien und Europa als Schutzpatronin verehrt.37 Mit Katharina äußert sich eine gläubige Christin, zum Thema der Geduld. In ihren Briefen bezieht sich Katharina häufig auf die Geduld (vgl. Stöhr 2014, S. 140). Dabei lässt sich ihr Verständnis der Geduld nur im Wissen um ihre Vorstellung eines „mystischen Ehebundes“ (Borchert und Zulauf 1994, S. 53) erklären, in dem sie ihren Körper und ihre Seele vollständig der Nachfolge Christi und Gott unterwirft. Bezüglich ihres Vorbildes für Geduld orientiert sie sich am Leidensweg Christi, der klaglos alles Schwere auf sich genommen habe (vgl. Stöhr 2014, S. 140). Geduld verbindet Katharina mit dem Begriff der Liebe, insbesondere der Liebe zu Christus (ebd., S. 150–158). Der Geduld schreibt sie den hochrangigen Titel der „Königin“ (ebd., S. 150–158) zu, die mit dem Werkzeug der „Gerechtigkeit“ (ebd.) über alle Gefühle, vor allem aber den „Zorn“ (ebd.) herrsche. In einem Brief an ihren Bruder ermutigt Katharina diesen in seiner Gefangenschaft, die Geduld sachte als eine „Waffe“38 zu nutzen, um von den Problemen seiner Situation profitieren zu können. In einem anderen Schreiben motiviert sie Papst Gregor XI. dazu, Geduld zur Verteidigung seiner Position als Papst einzusetzen.39 Geduld zeigt und entwickelt sich Katharina von Siena zufolge erst in Situationen schweren Leides, die aus ihrer Sicht als elementar zum Leben dazu gehören (vgl. Stöhr 2014, S. 120). Für sie ist es zentral, auf Gott hören zu lernen und darauf zu vertrauen, dass alles im Leben durch Gott beeinflusst wird (vgl. ebd., S. 124). Für die Entwicklung von Geduld sei es daher notwendig, den von ihr so genannten „Eigenwillen“ (ebd. S. 120–133), den sie mit jeglicher Form der „Sinnlichkeit“ (ebd., S. 124) vergleicht und als Merkmal einer aus ihrer Sicht schädlichen „Ungeduld“ (ebd., S. 120–133) versteht, abzutöten.

      2.3.4.3 Teresa von Ávila

      Als Teresa von Ávila (1515–1582, vgl. Stöhr 2014, S. 8) dreizehn Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Ihr Vater schickt sie als Jugendliche zur Erziehung in ein Augustinerkloster. Die lebensfrohe und humorvolle Teresa40 entscheidet sich aber gegen den Willen des Vaters mit zwanzig Jahren für den Wechsel in ein Kloster der kontemplativ lebenden Karmeliterinnen. In dieser Gemeinschaft findet sie, nachdem sie viele seelische Krisenphasen erlebt, die sie als mystische Erfahrungen beschreibt, über Jahre ihre innere Ruhe und Stille. Sie gründet den