Sweet Dreams Are Made Of This. Dave Stewart

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Название Sweet Dreams Are Made Of This
Автор произведения Dave Stewart
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия Musiker-Biographie
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454960



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      Von diesem Augenblick an hörten wir jeden Morgen Nummern aus Musicals wie South Pacific, The King And I, Oklahoma! oder Mandelaugen und Lotosblüten. Seite für Seite kannte ich diese umwerfenden Vinyl-Platten und alle darauf enthaltenen Songs bald auswendig. Unsere Nachbarn konnten einen sechs Jahre alten Dave nun dabei beobachten, wie er auf der Straße spazierte und dabei lauthals „There Is Nothing Like A Dame“ schmetterte. Viele Jahre später, auf dem Höhepunkt meines Ruhms, erwischte ich mich gelegentlich selbst dabei, wie ich unter der Dusche oder in einem Flughafen „Getting To Know You“ aus The King And I oder „I Enjoy Being A Girl“ aus Mandelaugen und Lotosblüten anstimmte.

      Mein Vater hatte eine großartige Stimme und sang überall im Haus zu Aufnahmen von Sängern wie Perry Como, Nat King Cole und Frank Sinatra. Als er ungefähr 70 war, gab er mir gegenüber zum ersten Mal zu, dass er eigentlich immer ein Sänger hatte sein wollen. Das war ein sehr rührender Moment. Seine Liebe zur Musik muss auf mich abgefärbt haben, obwohl ich mir dessen damals noch nicht bewusst war. Ich war überrascht herauszufinden, dass mein Dad diesen geheimen Wunsch hegte, allerdings war er auch ein sehr facettenreicher Typ. Der ganzen Health-Food-Welle war er beispielsweise überraschend weit voraus. Als er im Zweiten Weltkrieg in Indien stationiert war, erlernte er nicht nur Yoga, sondern fing auch an, sich intensiv mit Ernährung auseinanderzusetzen. Als er also nach dem Krieg zurückkehrte und der übliche Speiseplan in Nordengland Nahrungsmittel wie Pies and Peas, Fish and Chips, Dosengemüse, Biskuitrouladen und Weichkekse umfasste, die mit Brausegetränken oder Bier runtergespült wurden, aß er braunen Reis, Joghurt, Körner und Nüsse. In Sunderland! Jedenfalls war er enorm stolz darauf, dass er 60 Jahre lang sein Gewicht und seine Taille halten konnte.

      Meine Eltern waren wenige Kilometer voneinander entfernt zur Welt gekommen. Jedoch freundeten sie sich wie erwähnt im Verlauf des Krieges per Briefverkehr an. Auch die Zwillingsschwester meiner Mom, Louise, hatte einen Brieffreund, der bei den Streitkräften diente. Als die beiden Männer schließlich zurückkehrten, wurde beschlossen, dass es eine Doppelhochzeit – für Zwillinge maßgeschneidert – geben würde. Die vier heirateten also am selben Tag und in derselben Kirche – und lebten anschließend im selben Haus. Dies war selbstverständlich ein gefundenes Fressen für die lokale Tageszeitung, das Sunderland Echo.

      1962 blätterte mein Vater etwa 4.000 Pfund für ein größeres Haus in der Ettrick Grove hin – für damalige Verhältnisse ein Vermögen. Für mich klang „Grove“ viel vornehmer als „Street“. Die Schule, die ich bald schon besuchen würde, befand sich hinter unserem Haus. An die Vorderseite schlossen eine Reihe von Läden an, darunter ein vorzüglicher Fish-and-Chips-Kiosk, eine Bäckerei, eine Apotheke und ein Zeitungsgeschäft, das meiner Großmutter gehörte.

      Verglichen mit dem, was ich gewohnt war, herrschte hier richtiges Großstadtflair. Ich war immer schon hyperaktiv, doch nun, angesichts all dieser neuen Impulse, schaltete ich noch ein paar Gänge höher. Am liebsten hätte ich alles gleichzeitig unternommen: Ich kletterte auf Bäume, da in unserem Garten schöne Apfelbäume wuchsen, und begab mich auf die Suche nach Vogelnestern im Barnes Park. Einmal fand ich ein kleines Nest mit winzigen Küken darin und ging davon aus, dass sie von ihrer Mutter in Stich gelassen worden waren. Ich klopfte gegen die Scheibe des Küchenfensters, meine Mom öffnete, woraufhin ich die hilflosen Jungvögel meiner Mom übergab, die eigentlich gerade den Abwasch erledigte. Ich rief: „Drei Mal am Tag Würmer!“ Dann lief ich davon.

      Meine Mom musste mit all meinen exzentrischen Anwandlungen und Macken zurechtkommen, etwa der akribischen Pflege alter Pennys oder dem Stabhochsprung, den ich während meiner Schulzeit ausübte. Ich war letztlich so besessen davon, dass ich eine zweieinhalb Meter lange Bambus-Stange für das Training zu Hause benutzte. Außerdem focht ich mit einem selbstgebastelten Florett gegen unsichtbare Widersacher oder versuchte, mittels eines Kreidestücks, das sich an der Spitze meiner Stichwaffe befand, „Zorro“ an die Wand zu schreiben. Dann wiederum orchestrierte ich weitläufige Schlachten zwischen Piraten- und Ritterfiguren aus Plastik, die den Frühstücksflocken beilagen.

      Ich nahm alles todernst – als ob nichts anderes zählen würde. Und doch bewältigte ich vielleicht 20 solcher selbstauferlegten Aufgaben pro Tag.

      * * *

      Es gibt ein uraltes, dem Heiligen Petrus geweihtes Kloster in Monkwearmouth, einer Gegend von Sunderland, die sich unmittelbar nördlich der Mündung des Flusses Wear befindet und in der Beda der Ehrwürdige lebte und arbeitete. Dort schloss dieser legendäre Heilige auch im Jahr 731 die berühmte historische Schrift Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum ab, die Kirchengeschichte des englischen Volkes. Aufgrund seiner epischen Leistung wurde er zum „Vater der englischen Geschichtsschreibung“ und unsere örtliche Oberschule trug seinen Namen: Bede Grammar School for Boys.

      Als ich dort eingeschult wurde, war die Bede Grammar School eine sehr altmodische Schule. Mörtelbretter und Umhänge gehörten dort noch zur Grundausstattung der Lehrer – wie bei Harry Potter. Aber 1964, während meines zweiten Schuljahrs, wurde auf ein neues System umgestellt, was mit sich brachte, dass nun Kinder unabhängig von schulischer Leistung oder sozialem Hintergrund angenommen wurden. Das war bezüglich mancher Bereiche eine gute Sache und in mancherlei Hinsicht eine schlechte. Zwar erhielten nun mehr Kinder eine gute Schulbildung, aber unsere Klassenzimmer waren mit einem Schlag überfüllt – 40 bis 50 Schüler wurden in einen Raum gepfercht. Auch verursachte es Probleme, Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten plötzlich zusammenzustecken – nicht nur für die, sondern auch für die Lehrer.

      Als ich acht war, erhielt ich von meiner Großmutter ein wunderbares Weihnachtsgeschenk, einen winzigen tragbaren, batteriebetriebenen Spielzeug-Cassettenrecorder. Bevor ich jemals auch nur in Erwägung zog, Musik aufzunehmen, nahm ich Leute auf der Straße auf und erfreute mich daran, mir die Bänder anschließend anzuhören. Das war echt aufregend für mich, denn innerhalb weniger Sekunden konnte ich mit diesem Gerät die Realität einfangen und noch einmal erleben. Ich weiß noch, wie es mich verblüffte: „Wow, vor gerade mal fünf Minuten habe ich das auf der Straße gehört und jetzt sprechen diese Leute in meinem Zimmer.“ Natürlich stellen solche tragbaren Aufnahmegeräte heute eine Selbstverständlichkeit für uns dar. Aber für mich war das damals ein kleines Wunder.

      Schon mein Dad hatte Fußball gespielt und auch ich wuchs damit auf. Obwohl mein Dad nur durchschnittlich groß war, war er für mich ein großer Mann. Er wusste alles über Fußball und besuchte fast jedes Spiel des Sunderland A.F.C. Der Bruder meines Dads, Dick, arbeitete für den Verein am Drehkreuz, weshalb mein Vater stets Einlass erhielt. Das war seine Saisonkarte. Als ich noch sehr jung war, nahm er mich oft mit und ich fuhr total darauf ab. Nichts kam an die Begeisterung heran, die auf diesem Fußballplatz herrschte – bis die Eurythmics zum ersten Mal in einem Stadion auftraten und wir denselben Zuspruch erfahren durften.

      Ich wollte meinen Dad beeindrucken, indem auch ich gut Fußball spielte. Er ermutigte mich zu spielen, und schon bald war er bei meinen Spielen mit derselben Leidenschaft am Start wie bei denen der Profis. Er war ganz aufgeregt und aufgekratzt, wenn wir ein Tor erzielten oder gewannen – oder er zeigte sich frustriert, wenn wir verloren oder eine Chance ausließen. Er brüllte dann von der Seitenlinie: „Das Tor steht weit offen!“

      Ich hatte so viel Energie und wusste nicht, wie ich sie bändigen sollte – genauso wenig wie meine Eltern oder sonst jemand. Fußball war das Einzige, was mich beruhigte. Ich war so manisch, dass ich acht Stunden lang durchspielte. Fußball half mir, mich zu fokussieren, und bald schon war es das Wichtigste für mich. Alles andere rückte in den Hintergrund. So als würde man langsam die Makrolinse einer Kamera einstellen – und plötzlich stand da Jiminy Cricket, kristallklar, und klopfte mit dem Handgriff seines Schirms gegen die Linse, um zu sagen: „Du, mein Sohn, bist ein Fußballer!“ Von diesem Moment an war das alles, wofür ich mich interessierte. Ich war ganz versessen darauf und wusste, dass ich eines Tages für Sunderland auflaufen würde. Es war alles nur eine Frage der Zeit.

      Ich war natürlich nicht das einzige fußballverrückte Kind. Wir befanden uns schließlich im Nordosten Englands. Wir liebten es, Fußball anzusehen, ihn zu spielen, darüber zu quatschen und darüber nachzudenken. Er war meine erste und einzig wahre Leidenschaft, bevor die Musik an seine Stelle rückte. Aber das sollte noch zwei oder drei Jahre dauern.