Tot am Ring. Wolfgang Wiesmann

Читать онлайн.
Название Tot am Ring
Автор произведения Wolfgang Wiesmann
Жанр Языкознание
Серия Kommissarin Fey Amber
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783942672788



Скачать книгу

paar Stunden auf der Insel echt was erlebt.“

      „Das kannst du laut sagen. Wenn das so weitergeht, schreibe ich darüber einen Roman, oder einen Krimi, wenn es der Stoff hergibt.“

      „Gegen einen Roman habe ich nichts, aber das mit dem Krimi lass mal, den schreibst du jeden Tag im Dienst.“

      „Übrigens, Inge hat zusammen mit einem Kollegen den Verband für Resozialisation von entlassenen Straftätern Witten gegründet.“

      „Ach, das ist ja interessant. Ich weiß, dass die Sozialarbeiter mit einem Verband Kontakt haben.“

      „Jetzt muss ich unbedingt was essen, mein Magen hängt mir auf den Schuhsohlen. Ich laufe gleich zur Sehliebe, aber vorher rufe ich noch Rolf an.“

      „Lass das, Karla, wer weiß, was er dir erzählt. Schon ist es mit der Ruhe vorbei und du fährst womöglich noch zurück nach Bochum, falls es einen Fall zu lösen gibt. Dafür kenne ich dich zu gut, Miss Marple!“

      „Wieso? Hast du was gehört? Steht was in der Zeitung?“

      „Nee, aber bei euch im Präsidium ist doch immer was los, vor allen Dingen, wenn du Urlaub hast.“

      „Ich rufe ihn trotzdem an.“

      „Tu, was du nicht lassen kannst. Wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, kann man dich nicht davon abbringen. Bis dann, schlafe gut.“

      „Du auch.“

      Gleichzeitig schmatzten sie einen Kuss durchs Telefon.

      Karla hielt ihr Handy in der Hand und starrte es an.

      „Scheiß was drauf“, sagte sie und wählte Rolfs Nummer.

      „Karla? Sorry, ich bin etwas im Stress! Frauenleiche im Muttental. Heute gefunden. Ich bilde gerade eine Mordkommission. Wie geht es dir? Bist du gut angekommen?“, spulte Rolf im Telegrammstil ab.

      „Ich habe es geahnt, kaum bin ich weg, passiert wieder was. Weißt du Näheres über die Frau?“

      „Nee, wir sind mit unseren Ermittlungen erst am Anfang.“

      „Gibt es schon Fotos? Wenn ja, schick sie per E-Mail.“

      „Spinnst du, Karla, geht’s noch? Selbst wenn ich schon welche hätte, schicke ich dir nix. Du hast Urlaub, schon vergessen?“, wies Rolf sie zurecht. „Wir bekommen das hier schon hin, auch ohne dich.“

      „Das glaube ich dir. Aber wenn ich euch helfen kann, lass es mich wissen.“

      „Meine liebe Karla“, antwortete Rolf pathetisch, „du genießt jetzt deinen Urlaub. Wir erledigen hier unsere Arbeit. Wenn du ausgeruht zurückkommst, zählen wir auf dich, dann kannst du auch wieder Morde aufklären.“

      „Okay, mach’s gut und viel Erfolg bei den Ermittlungen.“

      „Na klar. Dir viel Spaß, tschüss.“

      4. Polizeipräsidium

      – Bochum; Mittwoch –

      „Chef? Gibt es schon etwas Neues?“

      „Jau, komm rein, Klaus.“

      Klaus Pfeffer setzte sich vor Rolfs Schreibtisch und schlug die Beine übereinander. Dabei zupfte er seinen Schal zurecht, den er über einer grauen Lederjacke trug.

      Rolf hatte gerade den Telefonhörer aufgelegt.

      „Lass mich wetten“, sagte Klaus. „Das war Karla, ne?“

      „Du kennst unser aller Lieblingskollegin ja haargenau“, scherzte Rolf.

      „Na klar, wie geht es ihr?“

      „Sie ist gut angekommen. Ich Dussel habe ihr von der Leiche im Muttental erzählt. Stell dir vor, sie wollte ein Foto von dem Opfer und vom Fundort.“

      „Nee, ne, du hast ihr doch hoffentlich nichts geschickt?“

      „Sehe ich so aus, Klaus?“

      „Natürlich nicht. Aber Karla kann manchmal hartnäckig sein. Uns beide wickelt sie doch um den Finger, wenn sie will“, grinste Pfeffer.

      Rolf schob die grau melierten Haare verlegen mit der schwarzen Hornbrille aus dem Gesicht. Eine typische Handbewegung, die zeigte, dass er nachdachte oder ihm etwas unangenehm war.

      „Jetzt an die Arbeit, Klaus, es gibt viel zu tun.“

      „Kein Problem, Chef. Franzi und die Kollegen haben den Fundort im Muttental schon gesichert. Der Zeuge Walter Weiß ist auch schon befragt. Adresse und Telefonnummer haben wir. Falls wir noch was wissen wollen, können wir ihn jederzeit kontaktieren.“

      „Gute Arbeit, Klaus.“

      „Ich fahre jetzt zum Fundort Muttental, Flöz Finefrau.“

      „Alles klar.“

      „Chef!“ Lotter stürzte herein und unterbrach das Gespräch.

      „Wat is?“, entgegnete Rolf ungehalten.

      Frank Lotter stand schwitzend, völlig aufgelöst, mitten im Raum.

      „Chef, eine weitere Frauenleiche!“

      „Was? Machst du Scherze, Frank?“

      „Ne, Rolf, mach ich nicht. Die Tote wurde in der Nähe vom kleinen Haarmannstempel auf dem Hohenstein gefunden. Sie wurde genau wie die Tote im Muttental in einem Baum drapiert und an Armen und Beinen festgebunden.“

      „Wer hat sie gefunden?“

      „Mutter mit Kind, eine Andrea Denk.“

      Rolf wandte sich zu Klaus: „Gibt es schon Hinweise zur Todesursache der ersten Toten?“

      „Wenn ich vor Ort bin, berichte ich dir, sobald ich Näheres weiß, okay?“

      „Okay. Lotter, du fährst jetzt mit Elke zum Hohenstein. Hurtig! Und befragt die Zeugin.“

      „Das haben die Wittener Kollegen bereits erledigt! Bin schon weg“, rief Lotter.

      Auch Klaus Pfeffer stand auf und sie verließen gemeinsam das Büro.

      Rolf lehnte sich zurück, um seine Gedanken zu sortieren. Er nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer von Tina Fritz in der Polizeiinspektion Witten.

      „Rolf?“, hörte er die Kollegin sagen.

      „Habt ihr schon Infos für mich?“

      „Haben wir, wir laufen hier schon zur Hochform auf. Ich bin über beide Funde im Bilde.“

      „Hätte ich mir denken können. Ihr seid immer so fix. Ich komme gleich zu euch rüber, um die Ergebnisse zu sichten. Die Mordkommissionen MK2 mit Klaus Pfeffer und MK3 mit Frank Lotter sind am Start. Ist die Gerichtsmedizin im Muttental angekommen?“

      „Klar, Dr. Breming ist da, Dr. Windeisen haben wir angerufen. Sie ist auf dem Weg zum Hohenstein. Kann bei dem Verkehr über die A 40 dauern.“

      „Mhm, das kennen wir ja. Bis gleich.“

      „Bis gleich.“

      Rolf legte auf und atmete tief ein. Er packte sein Brötchen aus. Er biss hinein, zäh wie Leder, schlürfte eilig den restlichen, kalten Kaffee und schüttelte sich. Sein Magen krampfte sich zusammen. Seit einiger Zeit verspürte er immer häufiger einen kurzen, stechenden Schmerz in der Magengegend. Er aß meistens zu schnell und trank viel zu viel Kaffee. Rolf ignorierte die Warnung seines Magens. Er zog das verknitterte Sakko an, darüber eine dicke, schwarze Lederjacke. Verzweifelt suchte er seine Brille auf dem übervollen Schreibtisch, beim Suchen fiel sie ihm vom Kopf.

      „Mann, bin ich ein Schussel“, sagte er. Dabei dachte er an seine Exfrau, die ihm genau das immer wieder vorgeworfen hatte.

      ‚Jetzt nicht, Greta! Verschwinde aus meinem Kopf. Ich muss mich mit anderen Dingen beschäftigen.‘ Zügig verließ Rolf das Büro.