Das purpurne Tuch. Wolfgang Wiesmann

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Название Das purpurne Tuch
Автор произведения Wolfgang Wiesmann
Жанр Языкознание
Серия Kommissarin Fey Amber
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783942672603



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ich der Welt Kinder schenke, Kinder von einem Manne, der Kafurs Erbe würdig ist.“

      Sie zitterte am ganzen Leibe, als sie diese Worte sprach. Beseelt von einem unsterblichen Geist setzte sie ihren Weg fort. Navigieren war nicht ihre Stärke, aber ihre Kenntnisse reichten, um die Richtung zu bestimmen, die zur Küste führte. Sie ging still vor sich hin auf der Suche nach einem Handelsweg, auf dem Pferdekarren fuhren oder Packtiere Zinn oder Wolle transportierten. Sie hoffte, mitgenommen zu werden, um so schneller an einen Hafen zu gelangen. Kafur hatte ihr erzählt, dass die Römer Teile des Landes besetzt hatten. Es wäre für sie von Vorteil, den Römern in die Hände zu fallen. Sie würde sich als römische Aristokratentochter ausgeben. Die Sprache beherrschte sie und ihre edlen Gewänder machten ihre Geschichte glaubhaft. Von einem Überfall würde sie berichten. Einheimische Horden hätten sie von ihren Eltern getrennt. Alle außer sie wären hingerafft worden.

      Sie sah an sich hinunter, folgte dem Schwung ihres Kleides und betrachtete ihre bestickten Ärmel. Tatsächlich, zum ersten Mal trug sie Frauenkleider. Zum ersten Mal in ihrem Leben durfte sie sich ganz wie eine Frau fühlen. Sie war so gefangen von ihren Gefühlen, dass sie nicht bemerkte, dass sich zwei Männer von hinten näherten und letzte Schritte zielstrebig auf sie zu machten. Diesmal gab es kein Entkommen. Einer der abgedroschenen Kerle warf sie zu Boden. Sie schrie, aber die Männer lachten grunzend und rissen ihr das Gewand vom Leibe. Es waren keine Römer, so viel stand fest. Ein feister, nach ranzigem Fett stinkender Langbart sah sich kurz den Ring an, ließ ihn aber verächtlich stecken, nahm die Figur aus dem Gewand, drehte sie in seinen Händen und warf sie ins nahe Gras. Der Dicke, dessen fauler Geruch mit jedem seiner Atemzüge zu ihr vordrang, hatte sein Knie in ihren Magen gedrückt, sodass ihr Gesicht vor Luftnot bläulich anlief und sie nun heftig nach Erlösung rang. Der Bärtige schob den Dicken beiseite und zog ihr die Schuhe aus und auch ihr Untergewand. Nur ein schlichtes Hemd bekleidete sie noch. Die Männer kramten ihr Diebesgut zusammen, wobei ihnen das lederne Säckchen in die Hände rutschte. Sie öffneten es. Als sie aber nur rötliches Pulver darin entdeckten, warfen sie es achtlos weg und zogen gelassen davon.

      VII Die Idee

      Siobhan hatte ihre erste böse Lektion als Frau gelernt. Andererseits, einen Jungen hätten sie vielleicht getötet. Sie kauerte auf den Knien und sah sich nach der Figur um, kroch durchs Gras und fand sie nach einer Weile. Ihr Hemd war verdreckt und nass. Ihre Füße schmerzten vor Kälte. Frierend beugte sie sich nieder, um das Säckchen vom Wegrand aufzuheben. Etwas Pulver fiel auf ihr nasses Hemd und färbte es rötlich. Erst erschrak sie, glaubte es sei ihr Blut, doch dann wusste sie gleich, dass Assuman ihr kostbares Purpur mit auf den Weg zu den Göttern gegeben hatte. Schnell verschloss sie das Säckchen in dem Wissen, dass Purpur wertvoll war und sehr begehrt. Wer diesen Farbstoff besaß, stieß bei den Römern auf reichlich Interesse.

      Von Weitem sah sie jemanden auf sich zukommen. Der Schreck steckte ihr noch im Blut, sodass sie weglaufen wollte, aber ihre Knie waren vom Kriechen auf dem eisigen Boden so steif geworden, dass sie ihr nicht gehorchten. Wie gelähmt ließ sie Freund oder Feind näher kommen, bis sie erkannte, dass es eine Frau in Lumpen war. Ihre Haare fielen ihr wild durchs Gesicht, sodass sie ihre Augen nicht sehen konnte.

      „Mädchen, haben sie dich erwischt? Du blutest, lass mal sehen. Da muss Essig drauf. Damit waschen wir die Wunden, dann binden wir Comfrey drüber.“

      Als die Frau zu ihr trat und die Färbung des Hemdes genauer betrachtete, wich sie zurück.

      „Du bist nicht von hier. Das Blut! Es ist kein Menschenblut. Wer bist du?“

      Die Frau war im Begriff, die Flucht zu ergreifen, da hob Siobhan ihr Hemd, entblößte ihre makellose weiße Brust und bat die Frau zu bleiben.

      „Ich bin nicht verletzt. Das Hemd ist gefärbt. Keine Sorge. Ich bin weder ein Ungeheuer noch eine Göttin. Bitte hilf mir.“

      Die Frau machte einen Schritt auf sie zu, behielt aber respektvollen Abstand.

      „Die beiden Männer haben dich überfallen. War es so?“

      „Ja, kennst du sie?“

      „Nein. Sie haben es auch bei mir versucht, aber da hab ich ihnen meinen Ausschlag gezeigt.“

      Die Frau griff mit einer Hand ihre Haare und legte sie nach hinten über den Kopf. Ihr Gesicht war übersät mit Flecken und Abszessen. Dann öffnete sie ihren Umhang und zeigte ihre vielen Pusteln und Geschwüre am Körper, am Hals und auf der Brust.

      „Damit hab ich sie verjagt“, sagte sie mit einem Anflug von Stolz.

      „Wieso sprichst du die Sprache der Römer?“, fragte Siobhan bibbernd. Sie hatte viele kranke Männer und Frauen während ihrer Seefahrerjahre gesehen und fürchtete das Weib nicht.

      „Ich habe diese schlechte Haut seit meiner Kindheit. Lange probierte ich die Kräuter des Waldes, Blumen und die Säfte der Bäume aus, aber nichts half. Ich lernte viel. Meine Heilkunst sprach sich herum und so warben mich die Römer an, ihren Kranken und Verletzten die Wunden zu versorgen. Da lernte ich ihre Sprache. Als Frau allein unterwegs sprichst du besser Latein, gibt es doch kaum ein Gebiet, das die Römer nicht besetzt haben. Ich bin auf dem Weg in den Süden, ans große Meer. Es soll Salz darin sein, viel Salz, und ich glaube fest, ein Bad darin wird mir helfen, meine Haut zu reinigen. Ich möchte auch die Sonne dort sehen. Es heißt, sie sei heiß wie das Feuer. Sie wird meine eitrigen Wunden trocknen. Dann bin ich geheilt und nehme mir einen Mann. Ich hatte nämlich noch keinen, wie du dir denken kannst.“

      Siobhan schöpfte Vertrauen.

      „Wie heißt du?“

      „Carmelita. Und du?“

      „Ich stamme aus Iberien, dorther, wo die Sonne so heiß wie das Feuer ist. Nenn mich Siobhan, so wie mein Geliebter es wollte.“

      „Dann hast du einen Mann? Erzähl mir von ihm. Willst du Kinder haben? Sag mir, wie er ist, wenn es dunkel wird und ihr euch auf die Felle bettet.“

      Siobhan spürte Tränen in ihre Augen schießen, beherrschte sich aber, denn sie musste Carmelita dazu bringen, ihr zu helfen. Spätestens in der Nacht würde sie einen bitteren Kältetod sterben.

      „Ich will es dir gerne sagen, doch zuvor brauche ich Kleider, sonst erfriere ich.“

      Was sie da sagte, war eine Aufforderung an Carmelita, mit ihr die Kleider zu teilen, die sie am Leibe trug. Sich die verklumpten Lumpen überzuziehen, würde sie alle Kraft der Überwindung kosten. Und dennoch blieb ihr nichts anderes übrig.

      Carmelita hatte mehrere Lagen Kleider über sich geworfen, wurde es im Winter doch frostig kalt und der Weg ans salzige Wasser konnte weit sein. Sie warf Siobhan ihren äußeren Umhang und einen kurzen Strick zum Binden zu.

      „Nimm! Das hält dich fürs Erste warm. Und nun erzähl mir von ihm.“

      Siobhan band das Gewand eng um ihren Körper und knüpfte das Säckchen mit dem Purpur an den Strick. Dann machten sich beide auf den Weg und Siobhan erzählte.

      „Ich liege am Feuer unter den Fellen und mache mich warm. Wenn er dann kommt, schlägt mein Herz wie verrückt. Er steht neben mir und streift sich die Gewänder vom Körper, bis er ganz entblößt ist. Ich bewundere seine Formen, seinen Hintern und seine muskulösen Arme, die langsam unter dem Fell meine Brüste umfahren. Seine Hände gleiten über mich und ich beginne mich zu bewegen, schiebe mein Becken gegen sein Glied, von dem ich weiß, wie sehr es nach mir verlangt. Dann küssen wir uns und dabei spüre ich, wie er langsam in mich ...“

      „Weiter! Ich will alles hören“, protestierte Carmelita heftig. „Sag mir, wie es sich anfühlt!“

      „Ein anderes Mal. Versprochen. Ich habe eine Idee, von der ich dir jetzt lieber erzählen möchte.“

      „Du wirst tun, was ich dir sage!“, keifte Carmelita und stieß sie von ihrer Seite.

      Siobhan sah sich an die vielen Schaukämpfe erinnert, die sie als Junge unter Jungen ausgestanden hatte und reagierte gelassen, konterte aber trotzdem.

      „Selbst