In Schlucken-zwei-Spechte. Harry Rowohlt

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Название In Schlucken-zwei-Spechte
Автор произведения Harry Rowohlt
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783862870776



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Hund.« Mein Vater ant­wortete: »Schön vielleicht, aber er ist so verspielt und gutmütig. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie der die Schutzhundprüfung bestanden haben soll.« Der Bundes­grenzschützer brach einen großen Ast ab und ging ohne Vorwarnung auf meinen Vater los. Da hättest du den verträumten und gemütlichen Toxi sehen sollen. Er ging dem Bundesgrenzschützer gezielt an die Kehle, so daß der richtig in Gefahr geriet. Seitdem haben wir den Hund gesiezt.

      Toxi konnte sogar Leute nachmachen. Das hat man ja auch nicht oft. Ich habe neulich Robert Gernhardt töd­lich beleidigt. Der hat seine »Bella« in der Toskana als Welpe aus dem Mülleimer gefischt, halb Pointer und halb Dalmatiner. Dalmatiner sind, wie wir alle wissen, ziemlich dämlich, und Pointer sind Jagdhunde. Ich habe Robert furchtbar beleidigt, indem ich behauptete, Jagd­hunde seien humorlos. Boxer hingegen haben wirklich Humor. Die sind zwar ursprünglich als Bullen-Beißer auch Jagdhunde gewesen. Sie haben diesen vorstehen­den Unterkiefer, um sich am Auerochsen festbeißen zu können. Wenn dann so fünf, sechs Stück am Auerochsen hängen, wird er matt. Und anschließend wird er mit Speeren erlegt. Aber sonst hatten die Hunde nicht viel zu tun und sind deshalb freundliche Familienhunde geworden.

      Du sagtest, euer Köter konnte Menschen nachmachen?

      Ja. Meine Mutter hat diese alte Wassermühle im Huns­rück von ihrer Mutter geerbt. Ernst von Salomon war dort zu Besuch. Er hatte in seiner Eigenschaft als Frei­korpskämpfer einmal von einem Demokraten ordentlich eins aufs Nasenbein bekommen, weshalb er Zeit seines Lebens furchtbar schnarchte. Salomon schlief unten im Gästezimmer, und Toxi machte sich Sorgen, weil der so schnarchte. Das hatte er noch nie in der Lautstärke gehört. Der Hund machte die ganze Nacht kein Auge zu. Meine Mutter wachte irgendwann nachts auf und ging pinkeln, und Toxi führte sie ganz aufgeregt oben an den Treppenabsatz, guckte nach unten und machte »Rhrhrh­rhrhrh«. Daraufhin weckte mich meine Mutter, und Toxi führte mir das auch nochmal vor. Es hat ihm keine Ruhe gelassen, daß ein Mensch solche Geräusche macht. Ein Hund, der Leute nachmachen kann – das hat man doch selten.

      Da hätte er bei mir auch seine Freude gehabt. Ich habe mal in Berlin bei Freunden in einer Wohngemeinschaft übernachtet, im Flur. Am nächsten Morgen hatte einer der Bewohner einen geschwollenen Arm, weil ihn seine Freundin die ganze Nacht angeknufft hatte. Sie dachte, er schnarcht so verheerend, bis sie im Morgengrauen merkte, daß ich es war – durch zwei geschlossene Türen hindurch. Ein Hund, der Schnarchen nachmachen kann, ist mir allerdings noch nicht begegnet.

      Toxi konnte noch mehr. In Westerland auf Sylt hab ich mir mal weiße Turnschuhe gekauft. Toxi war dabei und guckte in einen Ganzkörperspiegel, den es in Schuhlä­den oft gibt, damit man sieht, wie der Schuh am gesam­ten Menschen wirkt. Er guckte also ausgiebig seine Füße und anschließend uns an – sehr vorwurfsvoll. Weil mei­ne Mutter sich Schuhe kaufte, dachte Toxi, er wäre doch allmählich auch mal dran. Es war ganz deut­lich zu se­hen. Er sah im Spiegel seine unbeschuhten Füße an, guckte dann ziemlich trübselig in unsere Rich­tung und dachte: »Da reißt man sich den Arsch auf für diese Fa­mi­lie, aber da hast du dich geschnitten, wenn du glaubst, daß wenigstens zwei Paar Schuhe für dich raus­sprin­gen.«

      Toxi fuhr gerne Auto. Im Allgäu auf der Voralpen­stra­ße hielten immer die Autos an, weil die Leute das Pan­orama genießen wollten. Da sprang Toxi rein und ließ sich bis zum nächsten oder übernächsten Kaff einen Lift geben, weil er so gern Auto fuhr. Wenn die Leute ihn zur Polizei bringen wollten, sprang er heraus und versuchte, einen Lift zurück zu bekommen, was natür­lich viel schwieriger war. Dann kam er oft mit blutenden Pfoten nach Hause. Schließlich machte meine Mutter den Füh­rerschein. Es ist ein Verbrechen, daß sie ihn bekommen hat. Toxi hat sich in Nullkommanix das Autofahren abgewöhnt.

      Du erzählst so viel von euren Kläffern, bist du etwa ein Hundenarr?

      Nein, Hunde sind mir ziemlich wurscht. Bis auf Trulla, die war eine echte Ausnahme. Das war ein Neufund­dackel in München, mit dem ich sehr befreundet war. Also: Vater Dackel, Mutter Neufundländerin, das heißt ein Riesenbernhardinerkopf, und dann war auch schon Schluß, da war der Hund zu Ende. Er gehörte Rita und Rüdiger Ullrich. Rüdiger Ullrich ist der Bruder der ver­storbenen Almut Gernhardt. Rüdiger und Rita sind Psychotherapeuten und mußten in die Tos­kana fahren, weil sie da irgendwas vergessen hatten. Sie haben Ulla und mir Trulla überlassen, weil ich so gut mit Trulla konnte. Das war sehr angenehm. Trulla hat immer mit ihrem Kopf auf meinem Matratzenlager gepennt, der übrige Hund, den man ansonsten vergessen konnte, pennte außerhalb. Wenn Ulla morgens zur Ar­beit ging, nahm sie Trulla mit, damit sie pinkeln konnte. Einmal um den Block und wieder rein. Trulla legte dann wieder diesen Riesenkopf auf mein Matratzenlager, und sobald ich einigermaßen wach war, tat sie so, als hätte sie gleich einen Blasenriß: »Ich muß ja sooooo dringend vor die Tür.« Trulla hatte genauso wie ich eine absolute Kneipennase. Wir sind vorzugsweise in München in den »Soller« in der Talstraße gegangen. Den »Soller« gibt es inzwischen nicht mehr. Da spielte morgens schon ein Stimmungstrio, und Trulla bekam immer einen Riesen­knochen, mit dem sie nicht mehr durch die Tür kam. Die sahen nur diesen Bernardinerkopf unterm Tisch, und deshalb hat sie den entsprechenden Knochen bekom­men. Die Kapelle, das Stimmungstrio, habe ich sehr geliebt. Der Frontmann fragte mich mal auf dem Weg zum Klo nach meinen Musikwünschen: »Mogst Kanntrie hean?« Ich mochte. Dann haben sie eineinhalb Stunden Western-Swing gespielt. Eine längst ausgestorbene Musikgattung, für die man wirklich etwas können muß. Der große Chet Atkins hat das begründet. »Bob Wills & his Texas Playboys« war die erste Kapelle, die das mach­te.

      Ich kenne deinen Musikgeschmack, seit du heute früh in Galway eine CD von dieser obskuren irischen Country-Tanzkapelle gekauft hast. Hat sich der Hund nicht ge­wehrt?

      Ach was. Irgendwann blieb Trulla mal vor einer Kneipe stehen und wollte dringend rein. Die Kneipe sah absolut nach nichts aus. Ich hab ihr gesagt, »Trulla, nee, da hast du dich wirklich verpeilt, das kann es nicht sein. Das ist doch die hinterletzte Fascho-Pinte.« Aber Trulla bestand darauf, daß wir reingehen. Ich hab gesagt: »Ja gut, Trul­la, weil du es bist, aber auf deine Verantwortung. Wenn das jetzt Scheiße ist, glaube ich dir nie wieder etwas.« Wir sind dann hineingegangen, und da merkte man, daß die Kneipe nur von außen doof aussah, weil die Hausfas­sade renoviert war. Innen war das eine so schöne Höhle, und in der Ecke ein runder Stammtisch mit einer SPD-Tradi­tionsfahne von 1869, und »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit«, und »Einigkeit macht stark«. Da habe ich gesagt: »Gut, Trulla, ich sage ja schon gar nichts mehr.«

      Ich habe in einer irischen Zeitschrift ein Cartoon gese­hen, in dem ein Mann mit einem angeleinten Wellensit­tich gerade das Haus verlassen will, und seine Frau raunzt ihn an: »Dir ist auch jede Ausrede recht, um in die Kneipe zu gehen.«

      Mit Trulla konnte man nicht nur in Kneipen gehen, sondern es war auch in Biergärten sehr schön. In Mün­chen fällt ja immer viel ab, Weißwurstpelle zum Bei­spiel, und wenn sie die irgendwo sah, schleppte sie sich völlig entkräftet an den Tisch, wo es Weißwurstpelle gab, und sah auch sofort ungeheuer abgemagert aus. Sie konnte sich also ganz gut selbst ernähren. Später, wenn ich ohne Trulla in den »Soller« ging, sagte die Gastrono­mie immer: »Hast heut den Schlumpfi net dabei?« Weil der Münchner zunächst Hunde wahrnimmt, und erst in zweiter Linie sonstiges Gesocks. Trulla hatte Zitzen­krebs, woran sie auch eingegangen ist. Bei so einem Dackelkörper hatte sie entsprechend viele Brustwarzen. Sie muß sehr gelitten haben. Das waren die drei wichti­gen Hunde in meinem Leben.

      Ich mag eher Katzen. Wir hatten eine pechschwarze Kat­ze, aber sie hat ihre sieben Leben ziemlich zügig aufge­braucht. Zweimal erwischte sie der Nachbars­hund und zerzauste sie, zweimal geriet sie unter ein Auto und zwei­mal hatte sie eine fast tödliche Infektion.

      In New York hatten wir mal eine zugelaufene Katze. Wegen dieser schönen, alten Feuerleitern können Kat­zen sich in New York aussuchen, wo sie wohnen wollen. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, habe ich mir meinen Chillum angezündet und mein Six Pack of Schä­fer ausgepackt. Dann hat sich die Katze neben mich gesetzt und an dem Chillum geschnuppert, direkt an der Glut. Ich habe in den Fernseher geglotzt, die Katze an die Wand, und beide sagten wir uns: »Too much, man, just too much, man.«

      Rosa, die Tante von meinem Freund John, lebte auch in solch einem Haus in New York, sie hatte auch eine Katze. Sie glaubte allerdings,