Peng, Weihnacht am Vulkan. Helmut Ziegler

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Название Peng, Weihnacht am Vulkan
Автор произведения Helmut Ziegler
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871650



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vielleicht, der mit einem von Rentieren oder, das passte vermutlich besser, von Albatrossen gezogenen Schlitten vom Nordpol über den Himmel zum Südpol rauschte? Außerdem, Iglus mit Kaminen, durch die der Weihnachtspinguin klettern konnte, gab es auch nicht. Von Socken, in die die Geschenke gestopft würden, ganz zu schweigen.

      Aber natürlich sagte Peng in diesem Moment kein Wort von dem, was ihm durch den Kopf schoss. Es war schlimm genug, dass Robert so traurig war.

      »Ich kann mir genau vorstellen«, sprach Robert weiter, »wie das von heute an weiter gehen wird.« Er sah Peng nicht mehr an, sondern stützte seine Ellbogen auf den Oberschenkeln ab und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Eine einzelne Träne zerplatzte auf dem Gehweg.

      »Nicht traurig sein«, sagte Peng.

      »Ich bin nicht traurig. Ich bin wütend.« Robert holte tief Luft. »Mein Vater wird von diesem Dichter erzählen.« Er sprach betont tief und bedeutungsvoll, als müsse er im Deutschunterricht ein Gedicht aufsagen: »Schon wieder nah’n die Weihnachtstage, Gott, hilf mir, dass ich sie ertrage.« Robert ließ seine Stimme wieder fallen. »Jeden Tag bis Weihnachten wird er das sagen.«

      Peng fühlte sich zunehmend unwohl. So mies gelaunt kannte er seinen Freund gar nicht.

      »Und meine Mutter wird einen Adventskranz mit nur drei Kerzen auf den Küchentisch stellen. Und jedem erklären, ob er es wissen will oder nicht, dass der Erfinder des Adventskranzes es damals auch so gemacht hat. Wegen der Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist oder so.«

      »Klingt doch logisch«, sagte Peng.

      Aber Robert beachtete ihn gar nicht. Offenbar hatte ihn die Erinnerung an die vergangenen Weihnachtsfeiern fest im Griff.

      »Beide«, fuhr er mit bebender Stimme fort, »werden sie mich an den Adventssamstagen in die Kaufhäuser schleppen. Dann, wenn die richtig pickepackevoll sind. Und dann werden sie auf den Rolltreppen oder vor den Kassen für lange Staus sorgen, indem sie einfach vor der ersten Stufe stehen bleiben und sich umschauen oder ewig nach ihrem Portemonnaie kramen. Wenn irgendwer zu nörgeln beginnt, werden sie den ausführlich darüber belehren, dass Weihnachten die Zeit der Stille ist, dass Frieden auf Erden und unter den Menschen ein Wohlgefallen herrschen soll.«

      »Klingt, als hätten deine Eltern Spaß«, sagte Peng.

      »Wahrscheinlich sogar das. Wenn sie sich nicht streiten, ärgern sie andere«, sagte Robert. »Himmel, das wird voll peinlich.«

      »Ach, komm«, sagte Peng. »So schlimm wird es nicht gleich werden.«

      Robert stand auf und klopfte sich den Dreck von der Hose. »Schlimmer«, sagte er und seufzte, während er die Haustür aufschloss. »Das wird garantiert noch viel schlimmer.«

      Wie jeden Mittwoch kam sein Vater gegen halb sieben von der Arbeit, zwei tiefgekühlte Spinatpizzen und frischen Fisch unter dem Arm. Die Pizzen wanderten sofort in den Backofen. Bis der Käse goldbraun zerlaufen war, schnibbelten Robert und sein Vater noch schnell einen Salat.

      »Na, wie war’s im Waldbad?«, fragte sein Vater. »Hat Peng wieder unter Wasser Rentner angepeilt und versucht, ihnen die Badehose zu klauen?«

      »Das haben wir ihm doch verboten«, antwortete Robert. Er schaute kurz zu Peng, aber das Gesicht des Pinguins war ausdruckslos. Roberts Vater streichelte seinem Sohn lächelnd durch das struppige Haar.

      Robert liebte diese Mittwochabende, gerade weil sie immer gleich verliefen. Seinen Vater sah er nicht mehr nur an fast jedem Wochenende, sondern noch öfter, da seine Mutter im Moment viel arbeiten musste. Er besaß jetzt sogar einen Schlüssel für das Haus. Manchmal spielten sie im Garten noch Fußball, dann gab es Abendbrot, anschließend las sein Vater ihm vor und brachte ihn ins Bett. Wenn seine Mutter schließlich nach Hause kam, lieferte er Peng wieder im Vogelpark ab. Manchmal schaffte sie es auch rechtzeitig zum Essen, dann saßen sie auf der Terrasse wie eine richtige Familie: Vater, Mutter, Sohn und Pinguin. Ab und zu kam sogar Pica angeflogen, die mit Peng befreundete Elster.

      Die Spinatpizza dampfte noch, als seine Mutter die Tür aufschloss.

      »Na, da komme ich ja gerade recht«, rief Anne. »Hallo, Harry«, begrüßte sie ihren Ex-Mann. Eigentlich hieß er Harald, Hans-Harald um genau zu sein, aber da weder er noch irgendwer sonst diesen Namen leiden konnte, nannten ihn alle Harry. »Hallo, mein bunter Vogel«, begrüßte sie Peng und kraulte ihm zärtlich unter dem Schnabel, bis Peng genüsslich die Augen schloss. »Komm her, Rübe, und gib deiner Mutter einen Kuss«, begrüßte sie Robert und nahm ihn in den Arm.

      Als sie alle auf der Terrasse saßen, sprachen seine Eltern über das, was ihn sonst am meisten anödete, heute aber überaus beruhigte. Ihre Arbeit.

      »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für einen Auftrag habe«, sagte Anne nach ein paar Minuten. »Eine Firma hat sich in den Kopf gesetzt, kurz vor Weihnachten ein neues Eis auf den Markt zu bringen.«

      Robert zuckte leicht zusammen, aber glücklicherweise achtete keiner auf ihn.

      »Es soll nach Kiwi und Zimt schmecken. Bah, klingt das eklig.«

      »Warum nicht gleich Weihrauch-Nuss?«, fragte Harry.

      »Jedenfalls muss ich mir jetzt etwas ungeheuer Witziges einfallen lassen, damit alle Welt später über dieses Eis redet. Ausgerechnet ich, die ich Weihnachten so beknackt finde.« Sie blickte ihren Sohn an. »Entschuldige, Rübe, ich weiß, du liebst das Fest.«

      »Bau doch einen Schneemann aus Kiwis«, sagte sein Vater, »und statt einer Möhre nimmst du eine Zimtstange als Nase.«

      Robert entspannte sich, als er merkte, wie gelassen seine Eltern über das Thema sprachen. Außerdem war dankbar, dass sein Vater das Thema umlenkte – von Weihnachten auf Winter und Schnee ganz allgemein.

      »Nö, die wollen etwas richtig Verrücktes«, antwortete Anne. »Na, mir fällt schon was ein.« Sie wechselte das Thema. »Und, wie war’s im Schwimmbad?«

      »Wir haben den ersten Weihnachtsmann gesehen«, sagte Peng, nachdem er ein Stück frischen Fisch herunter geschluckt hatte. Robert spuckte prustend Pizzastücke quer über den Tisch.

      »Bist du nicht ganz dicht, oder was?«, fuhr er den Pinguin an.

      Anne und Harry wechselten einen irritierten Blick. Da Robert der einzige Mensch war, der Peng verstand, hatten sie nur mitbekommen, dass Peng etwas gesagt hatte. Nicht aber, was. Für sie klangen Pengs Sätze immer wie Yllelappar täderignik skulle, wie Sätze aus einer finnischen Bedienungsanleitung. Normalerweise übersetzte Robert alles sofort.

      Diesmal nicht. Diesmal starrte er ihn wutblitzend an.

      Pengs Federn begannen sich leicht rötlich zu färben. Die Farbe der Scham.

      Robert schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch, dass die Gläser laut klirrten. »Das darf doch wohl nicht war sein«, fauchte er ihn an. »Was für ein Trottel bist du denn?«

      Peng wusste nicht, wie ihm geschah. Was hatte er bloß falsch gemacht? Normalerweise erstarrte sein bester Freund, wenn ihm etwas nicht passte, zog sich in sich zurück. Nie zuvor jedoch hatte sein bester Freund so angefressen reagiert.

      »Hallo?«, sagte Harry zu Robert. »Kannst du uns mal erklären, warum du deinen Kumpel so anpfeifst?«

      »Das geht euch gar nichts an«, sagte Robert frostig.

      »Schalt mal einen Gang runter«, mischte sich jetzt auch Anne ein. »Was hat Peng denn gesagt?«

      »Nichts. Er hat hier auch nichts zu sagen.«

      »Robert, bitte. Wir sind hier nicht im Kindergarten.«

      Robert starrte Peng mit zusammengekniffenen Augen an. Keine Stunde war es her, dass er ihm erklärt hatte, was ihm Weihnachten bedeutete und was seine Eltern für ein Fiasko daraus machen würden. Und jetzt blies dieser Verräter einfach raus, dass der erste Weihnachtsmann aufgetaucht war. Ende der fröhlichen, seligen Zeit.

      Hinter Peng standen alte Birnen- und Kirschbäume im Garten, ihre Blätter und der Rasen