Название | German Cop |
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Автор произведения | Dieter Jandt |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mord und Nachschlag |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944369532 |
Wagner nuckelte missmutig an einer Bierflasche und betrachtete seinen Bauch. Das Zeug würde vermutlich noch mehr ansetzen als Weizenbier. Es hatte 6,0% Alkohol und konnte locker eine Mahlzeit ersetzen.
Warum war er nicht mitgegangen, als Nok vor einem der unzähligen Department Stores Bangkoks vorgab, dringend, aber ganz dringend zur Toilette zu müssen, sofort. Nein, stattdessen hatte er den Taxifahrer anhalten lassen, sich zurückgelehnt und die Krawatte gelockert. Der Wind der Air-Condition-Anlage umwehte ihn angenehm. »Bis gleich«, versicherte Nok und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Allein das!
Wo war seine journalistische Spürnase? Zwanzig Minuten später irrte Wagner durch die labyrinthisch verzweigten Gänge des Konsumtempels und wusste bald, dass Nok ihn geleimt hatte. Auf Nimmerwiedersehen. Vermutlich. Wie sollte er Nok jemals hier in dieser riesigen Stadt wiederfinden, in diesem Land, das ihm fremd war wie nur was? Sie im Gefängnis aufzuspüren war dagegen beinahe eine Kleinigkeit gewesen. Vor nicht einmal zwei Wochen hatte er aus der Zeitung erfahren, dass sie Lochner erschossen hatte und nicht ihr eifersüchtiger Ehemann. Dass man sie in Thailand verhaftet hatte.
Wagner schaute verständnislos auf die schrille TV-Show, die ihm noch alberner und gehaltloser vorkam als eine in Deutschland, obwohl er das gar nicht beurteilen konnte, da er nie eine anschaute. Er zog seine Shorts, die eher an eine formfreie Turnhose erinnerte, ein wenig hoch, um nicht seinen Bauch betrachten zu müssen.
Nok hatte Lochner getötet. Irre! Wagner bewunderte sie dafür, wie alles an ihr. Und als er sich vorgestellt hatte, wie sie da völlig schutzlos in Auslieferungshaft saß und darauf wartete, anschließend jahrelang in einem deutschen Gefängnis zu verbringen, war in ihm die Überzeugung gereift, dass man ihr helfen müsse, bevor sie wirklich ausgeliefert würde – und dass das vielleicht gar nicht so schwer war. Er erinnerte sich an diesen Polizisten vom BKA, der ihm eine Menge schuldig war, weil Wagner ihm einmal mit einem Zeitungsartikel aus der Patsche geholfen hatte, als es um Amtsmissbrauch und Bestechung ging. So gesehen konnte der Wagners Ansinnen, ihm seinen Dienstausweis zu leihen – »Nur für ein paar Wochen, garantiert nicht länger« –, kaum zurückweisen. Wagner wusste von Nok, dass wie für Westler die Gesichter von Thailändern umgekehrt ebenso für Thailänder die Gesichter von Westlern anfangs kaum auseinanderzuhalten waren. Irgendwie sahen sie zunächst alle ziemlich gleich aus, und der Polizist auf dem Foto des Dienstausweises war ja auch blond wie Wagner und hatte blaue Augen. Das musste reichen. Und das traf ja auch zu. Mit dem Ausweis war er glatt durchgekommen, niemand hatte ihn prüfend gemustert, weder bei den Auslieferungsbehörden in Bangkok und schon gar nicht, als er die Haftanstalt betrat. Dort war er ja angekündigt worden. Und so schaute niemand genau hin. Schon zuvor schien es ihm, dass er unter Umständen leichtes Spiel haben würde. Und gleich nachdem er im Hotel eingecheckt hatte, ließ er sich mit dem Taxi nach Phaya Thai, einem Stadtteil Bangkoks, kutschieren und legte einem akkurat gescheitelten Mann in einer blauen Anzugjacke mit gestärktem Kragen als Beweis seiner Zuständigkeit das Auslieferungsersuchen vor. Kommissar Bärhalter, der seinerzeit als Leiter der Mordkommission mit dem Fall beschäftigt war, hatte ihm das Dokument auf seine Bitte hin gezeigt, weil Wagner vorgab, eine letzte abschließende Reportage zu diesem Fall schreiben zu wollen. Wagner hatte sogleich, da Bärhalter dringend zu einem neuen Tatort musste, in einem nahe gelegenen Kopierladen ein täuschend echtes Duplikat angefertigen lassen, das er sodann auf Bärhalters Schreibtisch legte. Das echte Dokument nahm er mit und kontaktierte sogleich die thailändischen Behörden, um den echten Beamten vom BKA zuvorzukommen. Im Übrigen würde er von Bärhalter nicht viel zu befürchten haben. Immerhin hatte Wagner damals als Schreiberling der »Rundschau« in weiten Teilen den Fall um die drei Morde und die krummen Edelsteingeschäfte aufgeklärt und nicht Bärhalter, außer dass er mit dem Mord Noks schief lag, und das vermutlich auch so gewollt hatte, ganz einfach, weil er sie liebte. Aber das nutzte ihm jetzt auch nichts.
Was tun? Mit dem nächsten Flieger zurück? Däumchen drehen, wo er doch momentan als freier Journalist keine Aufträge hatte und Lokalredaktionen »unter dem Schirm« großer Verlage zusammengelegt wurden? Lieber Nok suchen, bei der Shiny Gem, diesem windigen Edelsteingroßhandel irgendwo in diesem Moloch Bangkok?
3.
Heftiger Regen klatschte gegen die Fensterscheiben des Sky-train. Vom Victory Monument war außer der Spitze, die aus den Nebeln ragte, kaum etwas zu sehen in diesen Strömen von Wasser, die sich aus dem dunkelgrauen Himmel ergossen. Die Straßen waren im Nu überflutet, Autos und Motorräder pflügten im Schritttempo durch das Wasser. Man sah Fußgänger, die bis zu den Knöcheln darin versanken, eine Kreuzung überquerten und Aktentaschen, Plastiktüten oder dünne Jacken über den Kopf hielten. Der Monsun war zurückgekehrt. Im Inneren des Skytrain standen die Menschen dicht gedrängt, möglichst ohne sich gegenseitig zu berühren, ja, fast hatte es den Eindruck, dass sie sich gegenseitig überhaupt nicht wahrnahmen. Neben dem Ausstieg war eine Frau mit ihrem I-Phone beschäftigt, während sie sich mit langem Arm an einer Sicherheitsschlaufe über ihr festhielt. »Sanam Pao«, rief eine sanfte Frauenstimme über Lautsprecher die nächste Station aus. Die Türen klackten auf. Ein finsterer Typ mit schwarzem Stirnband schob sich eilig an den Fahrgästen vorbei, um auszusteigen. Er hatte ein kantiges Gesicht und eine kräftige Statur. Die Frau mit dem I-Phone rückte beiseite, während sie weiter auf den Tasten herumdrückte und der frei gewordene Platz hinter ihr von einem dicken Kind in blau-weißer Schuluniform besetzt wurde. Es hatte offensichtlich ausgiebig die Segnungen US-amerikanischer Fastfoodketten genossen, wie viele andere thailändische Kinder auch. Unter dem Skytrain verschwand das große, eingemauerte Polizeihauptquartier hinter einem grauen Schleier aus Regen und Nebel. Man blieb besser im Zug und wartete die Schauer ab, so wie der Mann im geblümten Hemd, der neben dem fetten Schüler offensichtlich eingenickt war. Schlapp hing der kahle Kopf zur Seite gegen das Plexiglas gelehnt, das die Sitzreihe vom Ausstiegsbereich trennte. Auf dem Schoß des Mannes schaukelte mit den leichten Bewegungen des Skytrain ein kleines, geöffnetes Notebook. Ineinander verlaufende Farbwolken belebten den Bildschirm, ansehnlicher als das Grau über der Stadt.
»Chatuchak«, verkündete die sanfte Stimme. Unter dem massigen Betonkörper der Bahnstation breitete sich der riesige Wochenendmarkt aus, auf dem es zwischen gerösteten Larven, ausgestopften Hunden und T-Shirts mit aufgedruckten, anzüglichen Sprüchen kaum etwas gab, was man nicht kaufen konnte. Touristen aus aller Welt drängten sich aneinander vorbei. Hin und wieder sah man Farang, wie Westler hier genannt wurden, mit soeben erworbenen T-Shirts in den Sky-train einsteigen, auf denen in dicken roten Lettern der Schriftzug prangte: »My dick is bigger than yours«, mit eindeutigen Zeichnungen dazu. Nasse Füße würde es da unten jetzt geben.
Der Zug fuhr wieder an und der Kopf des Mannes mit dem geblümten Hemd rutschte ein wenig an der Plexiglasfläche entlang, bis über den Rand hinaus und schien ganz langsam, wie in Zeitlupe, den Körper nachzuziehen, nach vorn und gleichzeitig abwärts, während das Notebook auf den Waggonboden polterte. Der dicke Junge zog seinen Hintern ein wenig beiseite, der Mann sackte gegen die Waden der I-Phone-Frau, die im Gedränge zur Seite trat, so weit sie konnte, während sie nicht aufhörte, die Tastatur zu bedienen. Die Menschen verhielten sich unaufgeregt. Sie rückten zusammen, bis die nächste Station in Sicht kam: Mo Chit. In der Ferne sah man den großen Busbahnhof für die Reiseverbindungen in den Norden und den Nordosten des Landes. Wieder klackten die Türen auf. Die Computerstimme säuselte etwas von Endstation, nur der Mann im geblümten Hemd störte sich nicht daran. Während die Fahrgäste über ihn hinwegstiegen, weil sie vermuteten, dass er betrunken sei oder erschöpft, überarbeitet, irgend so etwas, machte er keine Anstalten, den Skytrain zu verlassen. Er lag mit angewinkelten Beinen in kleinen Pfützen. Das Wasser war von der Kleidung und den Regenschirmen der Fahrgäste auf den Waggonboden getropft. Die Farbwolken des Bildschirmschoners