Süffiger Single Malt für MacDonald. Frank Winter

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Название Süffiger Single Malt für MacDonald
Автор произведения Frank Winter
Жанр Языкознание
Серия Mord und Nachschlag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783946938422



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meinerseits, Mister Weir.«

      »Geht es Ihnen gut, Sir?«

      Er hätte seinen Wasserschaden erwähnen können, aber wie die Queen von England zu sagen pflegte: »Never complain, never explain«, sich niemals beschweren oder für irgendetwas entschuldigen. »Danke, alles bestens bei mir.«

      Die Antwort schien Mister Weir zu verunsichern. »Sind Sie sicher?«

      Wieso sollte er sich irren? »Ja, keine Sorgen.«

      »Was darf ich Ihnen eingießen?«

      »Gute Frage. Es ist noch früh, vielleicht einen Auchentoshan zum Start?«

      »Bitte?!«

      MacDonald nahm auf einem der sandfarbenen, um ein Tweed-Sofa gruppierten Sessel Platz. »Au-chen-to-shan, von den Lowlands.«

      »Ich weiß, Mister MacDonald. Es ist nur so, dass ich gestern Abend die letzte Flasche ausgegossen habe und noch kein Nachschub eintraf.«

      »Bitte? Ausgegossen?«

      »Verbraucht, ausgeschenkt, meinte ich.«

      Bei einem Haus wie dem Balmoral durfte so etwas nicht passieren. »Dann nehme ich einen Glen Garioch.«

      »Puh!«

      »Wie meinen?«

      »So leid es mir tut, aber damit haben wir ebenfalls einen Engpass.« Weir sah über MacDonalds Haupt hinweg.

      »Zwölfjährigen Highland Park, bitte. Am Orkadier wird sich hoffentlich niemand vergriffen haben?«

      »Haha, aber nein.«

      Der junge Mann klang komisch. Wenn MacDonald nur den geringsten Fehlton entdeckte, würde er in Zukunft Whisky anderer Länder trinken! Ohnehin wollte er das profunde Buch Canadian Whisky seines Kollegen Davin de Kergommeaux studieren. »Wissen Sie was, ich nehme einen Doppelten.«

      Weir holte eine Flasche Highland Park aus dem Regal, schenkte vier Zentiliter in ein Gläschen und stellte es ihm hin. MacDonald zog einen Bogen weißes Papier aus seinem Jackett und hielt den Whisky davor. »Bernsteinfarben. Wie er sein sollte.«

      »Darf ich Ihnen einen Snack reichen, Mister MacDonald?«

      »Nein, danke. Im Moment nicht.« Warum war der junge Mann so fahrig?

      »Wildschweinsalami, dunkle Schweizer Schokolade, geräucherte Mandeln, auf Kosten des Hauses selbstverständlich. Nur wenn Sie möchten …«

      Der Gourmet schüttelte den Kopf. Nicht unhöflich, aber entschieden genug, um nicht weiter behelligt zu werden. »Nun zum Geruch oder zur Nase, wie wir sagen.« Er führte das Gläschen zum linken Nasenloch, dann nach rechts.

      »Alles in Ordnung?«

      »Oh ja, rauchige Kartoffelfeuer-Süße, wie mein Freund Michael Jackson meinte. Heidekraut und Sherry.« Er nahm ein Schlückchen und ließ es im Mund kreisen. »Perfekt.«

      Weir tupfte sich Schweiß von der Stirn. »Da bin ich aber erleichtert!«

      »Sie meinen das ironisch«, erwiderte MacDonald stirnrunzelnd.

      »Natürlich, ja.«

      »Er prostete ihm mit dem Gläschen zu. »Süßer Heidehonig und ein Malzton. Rundum köstlich. Eine herausragende Destillerie, in der man die Gerste noch selbst mälzt. Hatten Sie schon Gelegenheit, die Damen und Herren auf Mainland/Orkney zu besuchen, Mister Weir?«

      Der Whisky-Botschafter trat einen Schritt zurück. »Nein, warum?«

      »Ich frage nur, weil Sie mir einmal erzählten, dass Sie gerne Destillerien besichtigen.«

      »Stimmt, aber auf den Orkney-Inseln war ich leider noch nicht.«

      »Ihr Steckenpferd sind die Flaschen der Flora-und-Fauna-Serie, nicht wahr?«

      »Mortlach und Rosebank interessieren mich auch!«

      »Wo erstehen Sie die Flaschen?«

      »Bei verschiedenen Händlern.«

      Unpräziser ging es nicht. »Imperial Whiskys?«

      »Nicht mehr so oft«, rutschte es dem Barkeeper heraus.

      »Hat die Qualität nachgelassen?«

      »Dazu würde ich keinen Kommentar abgeben wollen. Ich dachte mehr an den Service der Angestellten …«

      »Ich empfinde es ebenso. Kevin Wordie ist allerdings ein nobler Mann, der seine Whiskys kennt.«

      »Sie hatten Grund zur Beanstandung?«, fragte Weir etwas zu neugierig.

      »Auchentoshan und Glen Garioch.«

      »Umso mehr tut es mir leid, dass wir die beiden nicht vorrätig haben.«

      »Wann rechnen Sie mit einer neuen Lieferung?«

      »Da müsste ich Mister Cipriano fragen. Er kommt leider erst in zwei Stunden. Wenn Sie so lange warten möchten …«

      »Haben Sie herzlichen Dank, Mister Weir. Das wird nicht nötig sein. Sie veranstalten regelmäßig Seminare mit Destillerie-Managern? « »Äh, ja …?«

      »Hatten Sie in der letzten Zeit Glen Garioch oder Auchentoshan zu Gast?«

      »Nicht, dass ich mich erinnere. Vielleicht haben die beiden Destillerien gegenwärtig zu viel Arbeit? Extrem schwer zu sagen.«

      Ob der Bar auch falscher Whisky untergekommen war? Wusste Mister Weir Kompromittierendes über die beiden Destillerien? Auch wenn es so wäre, könnte der junge Mann diese Fragen nicht bejahen. MacDonald verließ das Balmoral und trat auf die Princess Street. Er wollte ein wenig über die Einkaufsmeile schlendern, um seine Gedanken ins Reine zu bringen. Obwohl kein Freund von Ladenketten, bedauerte er, dass die East-End-Filiale der Waterstones-Buchhandlung ihre Pforten geschlossen hatte. Sie führten stets seine Bücher. Auch die Filiale in der George Street musste dichtgemacht werden. Desweiteren eine zweite Buchhandlung in der Straße. Kein Wunder, wenn träge Kunden alles übers Internet bestellten! So praktisch er das Medium für vergriffene Bücher fand, würde er niemals ein neues Werk darüber beziehen. Als er beim Scott Monument ankam, atmete er bereits stakkatohaft und stieg in den nächsten Bus, um ihn dann vor der West-End-Filiale von Waterstones zu verlassen. Ein Kassierer, der ihn bemerkte, grüßte respektvoll. Bislang hatte er aus jedem seiner neuen Bücher gelesen. So etwas merkten sich Buchhändler und schätzen es, wenn ein bekannter Autor keine Allüren hatte. Er nahm den Lift ins oberste Stockwerk, wo die Kochbücher feilgeboten wurden. Seine letzte Arbeit, »Currys für Connaisseure«, stand im Regal und war mehrfach auf einem der Tische ausgelegt. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte MacDonald das Gefühl, beobachtet zu werden.

      Als Alberto den Frühstücksraum seines Guest Houses mit einer zweiten Kanne Tee betrat, hoffte er, schleunigst aus dem Alptraum zu erwachen. Die vier Chinesen, älteres und jüngeres Ehepaar – so wie seinerzeit bei den japanischen Gästen! Böses Omen! – packten die Bestandteile seiner professionell gekochten Full Breakfast zwischen Toastscheiben! Porca miseria! Waren die von allen guten Geistern verlassen? »Darf ich fragen, was Sie da machen?«

      »Gutes Frühstück, Mister Vitiello«, antwortete der Sippenvorstand. »Sehr gut.«

      »Si, das weiß ich! Nun?«

      »In China machen wir gerne, wie sagt man …« Seine Frau flüsterte ihm diskret ins Ohr. »Experimente.«

      Am liebsten hätte Alberto gesagt, dass sie sich nicht in Asien, sondern in Edinburgh, Scotland, befanden. Doch im Zeitalter extremer politischer Korrektheit und auch weil Maria ihn wegen seines Umgangs mit Gästen rügte, nickte er nur düster.

      »Wir wollen finden, wie ein Full-Breakfast-Sandwich schmeckt.«

      Alberto bemerkte eine farbige Substanz in einem der Brote. »Haben Sie etwa auch Marmelade reingeschmiert?«

      »Alles, natürlich. So will es Experiment.«

      Warum