Название | Das Auge des Feinschmeckers |
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Автор произведения | Frank Winter |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mord und Nachschlag |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895836 |
»Hattest du Bombenalarm?«
»Eher Heißmilchalarm. Ein Gast wollte sich Milch warm machen, im Wassererhitzer! Es hat drei Stunden gedauert, die Bescherung von der Decke zu kratzen. Kannst du dir das vorstellen?«
»Du meine Güte, der wollte wohl ›Under Milk Wood‹ von Dylan Thomas in die Tat umsetzen?«
»Es gibt Schlimmeres im Leben, zum Beispiel den Kommentar eines Kollegen. Er hat mich gefragt, worüber ich mich aufrege. Bei ihm hat letzten Monat ein Gast versucht, sich Baked Beans zu kochen, was der Wassererhitzer auch persönlich nahm. Er hat Fotos geschossen für die Versicherung. Wenn du jemandem gehörig Angst machen möchtest, leihe ich dir sie gerne aus. Vielleicht für Halloween? Auf Ideen kommen die Leute. Wie läuft es bei dir so?«
»Ich habe gestern Abend einen abscheulichen Imbiss serviert bekommen.«
»Das wundert mich gar nicht, Angus. Eure schottische Küche! Alles wird frittiert: Fisch, gekochte Eier, sogar Schokoriegel!«
»Es war beim Mexikaner«, erwiderte MacDonald, der sehr wohl wusste, dass Alberto nur Köche ernst nahm, die aus Italien stammten und eine professionelle Ausbildung absolviert hatten, so wie er.
»War das Personal mexikanisch?«, fragte Alberto, denn diese Küche war ihm fast so sehr zuwider wie die der Yanks.
»Nein, vermutlich eher schottisch.«
»Aha! Was hattest du denn?«
»Zunächst so einen unangenehmen Geschmack im Mund ...« »Ich meinte, was du zu essen hattest.«
»Wenn ich das nur wüsste. Der Fleischgeschmack war derart fremdartig und widerwärtig, dass er mich noch immer tyrannisiert. Als ob ich ständig an einem Abfallhaufen schnuppern würde.«
»Puh, dann muss es schlimm gewesen sein, denn das schaffen normalerweise nur ranziger Knoblauch oder Kohlblätter, die das Zeitliche gesegnet haben.« Alberto stemmte die Arme in die Seiten, ein Zeichen für angestrengtes Sinnieren.
»Was überlegst du, mein Freund?«
»Nun«, erwiderte er amüsiert, »vielleicht haben sie dir eines dieser großen, garstigen Tiere serviert. Sie werden gerne für die Herstellung von Handtaschen benutzt.«
»Du meinst, Alligatorenfleisch. Nein, das war es keineswegs.«
»Woher willst du das wissen?«
»Nun, ich habe bereits ...« MacDonald brach ab, weil er nicht wollte, dass sein Freund einen falschen Eindruck von ihm bekam. Er wusste, wie tierlieb Alberto war.
»Sag bloß, du hast schon Krokodilfleisch gegessen. Raus damit«, rief Alberto, der keinerlei Probleme damit hatte, belustigt.
»Nun, äh, in Südafrika aß ich einmal ein Crocodile Carpaccio. Das war es jedenfalls nicht.«
»Ich glaube dir aufs Wort. Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Erde, der am Geschmack eines Huhns erkennen kann, auf welchem Bein es nachts geruht hat.«
»Jetzt übertreibst du aber.«
»Viel hängt auch davon ab, wie die Tiere gehalten werden. Heute ist das meist eine einzige Quälerei.«
»Was gibt es bei euch zum Lunch?«
»Nichts Besonderes, einen kleinen Salat, Pasta und dann etwas Fisch.«
»Die Pasta stellst du selbst her, wie ich annehme?«
»Aber natürlich, Angus. Zufällig bin ich in der Gastronomie tätig und weiß, wie es gemacht wird.«
»Apropos, kannst du mir vielleicht ein gutes italienisches Restaurant in der Stadt nennen?«
»Leider nicht. Die kennen hier noch nicht mal die typischen Gerichte. Das letzte Mal, als ich an einem dieser unwirtlichen Plätze mein Geld verschleuderte, musste ich dem Kellner erklären, dass ein mit Wasser verpanschter Reis noch kein Risotto ist.«
MacDonald schüttelte irritiert den Kopf: »Das Problem ist, dass in den meisten Fällen noch nicht einmal der Koch aus Italien kommt.«
»Und wenn, dann hat er garantiert in meiner Heimat am Betonmischer gestanden. Angus, verrate mir mal, wie du es hier aushältst, wo du dich auch noch beruflich Tag für Tag damit herumschlagen musst.«
»Das frage ich mich selbst häufig.«
»Wie lautet die Antwort?«
»Keine Ahnung.«
»Ich weiß nicht, ob es dich tröstet, aber Edinburgh hat in kulinarischer Sicht extreme Fortschritte gemacht. Früher war Olivenöl zum Beispiel Mangelware. Das hast du nur in Miniaturfläschchen bekommen, in der Apotheke!« Alberto zuckte die Schultern und schaute sehnsüchtig in Richtung seiner grünen Oase, was MacDonald nicht unbemerkt blieb. »Was macht der Garten?«
»Mir vor allen Dingen eine Menge Arbeit«, stöhnte Alberto, »aber Maria hilft er, sich zu entspannen.«
»Lass dich nicht aufhalten, sonst schießt noch der Salat.«
»Im Moment muss ich mir eher irgendetwas ausdenken, was die Füchse vertreibt.«
»Du hast Füchse im Garten?«
»Oh ja, die schleichen von The Meadows rüber. Wenn du willst, erlege ich dir heute Nacht einen. Ich mag sie nicht allzu sehr. Richten nur Schaden an. Komisch, dass die sich plötzlich so vermehrt haben. Ich frage mich, ob man die Biester essen kann.« »Das würde ich an deiner Stelle bleiben lassen. Füchse schmecken vermutlich noch schlechter als das Fleisch beim ›Texmex‹.«
»Wirst du die Sache mit dem Restaurant weiter verfolgen, Angus?«
»Darauf kannst du dich verlassen! Meine gesamte freie Zeit werde ich investieren.«
»Weißt du, wem das Lokal gehört?«, fragte Alberto abwesend, bereits mit einem Bein im Garten.
»Noch nicht, aber ich habe eine Idee, wen ich darauf ansprechen kann.«
Nachdem Alberto seinen Freund zur Tür gebracht hatte, zwang er seiner Frau ein Gespräch auf. So stellten sich für sie mitunter seine langen Monologe dar.