Erotika Biblion. Honoré Gabriel Riquetti Mirabeau

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Название Erotika Biblion
Автор произведения Honoré Gabriel Riquetti Mirabeau
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783940621375



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in Rimini, die Furfurati in Florenz, die Lunatici in Neapel, die Caliginosi in Ancona, die Insipidi in Perugia, die Melancholici in Rom, die Extravaganti in Candia, die Ebrii in Syracus und alle, die man um Rat befragt hat, darauf verzichtet, die Übersetzung klarer wiederzugeben. Wahrlich, die bürgerliche und religiöse Untersuchung wird sich vielleicht in etwas in solche Schwierigkeit hineinversetzen können.

      Indessen muß man gerecht sein, nichts ist schwieriger zu erklären, als ein Sinn, der uns fremd ist. Man hat Beispiele Blindgeborener, die mit Hilfe der Sinne, [18] die ihnen blieben, Wunder in ihrer Blindheit verrichtet haben. Nun gut! Einer von ihnen, ein Chemiker und Musiker, der seinen Sohn Lesen lehrt, kann keine andere Erklärung für einen Spiegel wie folgende geben: „er ist ein Gegenstand, durch den die Dinge außerhalb ihrer selbst erhaben hervortreten können.“ Seht, wie abgeschmackt dennoch diese Definition ist, die die Philosophen, die sie ergründet haben, sehr scharf und gar erstaunlich fanden[8] ). Ich kenne kein Beispiel, das geeigneter wäre, die Unmöglichkeit zu zeigen, Sinne, mit denen man nicht versehen ist, auszudrücken; indessen stammen alle Gefühle und moralischen Eigenschaften von den Sinnen ab, folglich könnte man sich bei dem, was es über die Moral der [19] Wesen einer von unserer so verschiedenen Art zu sagen gäbe, nur auf Beobachtungen stützen, die sich auf sie beziehen.

      Im übrigen steht zu hoffen, daß die Gewohnheit, die uns unsere Reisenden und Geschichtsschreiber aufgezwungen haben, sie das, was nur von Sitten, Gesetzen und Gebräuchen handelt, vernachlässigen und sogar gänzlich außer Acht lassen zu sehen, unsere Leser, Shackerley gegenüber, nachsichtig machen wird, der immerhin den Freipaß eines hohen Alters für sich hat, ohne welchen man vielleicht kein Wort von dem, was er gesagt, glauben würde. War er doch für seine Zeitgenossen — und in vieler Hinsicht ist er es auch für uns – in der Lage eines Mannes, der nur einen oder zwei Tage lang gesehen hat und sich in einem Volk von Blinden aufhält; er müßte gewißlich schweigen oder man möchte Ihn für einen Narren halten, da er eine Menge geheimnisvolle Dinge verkünden würde, die es in Wahrheit nur für das Volk wären; aber so viele Menschen sind „Volk“ und so wenige Philosophen, daß man durchaus nicht sicher geht, nur für die zu handeln, zu denken und zu schreiben.

      Shackerley hat indessen einige Beobachtungen gemacht, deren ungewöhnlichste hier folgen sollen:

      Er bemerkte, daß das Gedächtnis bei den Lebewesen des Saturn sich niemals trübte. Die Gedanken teilten sich bei ihnen ohne Worte und ohne Zeichen mit. Keine Sprache gabs, infolgedessen nichts Geschriebenes, nichts Ausgesagtes; wie viele Tore waren den Lügen und den Irrtümern verschlossen! Die verschwenderischen, unzähligen Kleinigkeiten, die uns entnerven, waren ihnen unbekannt. Sie hatten alle nur denkbare Bequemlichkeit, um ihre Gedanken zu Übertragen, um ihrer Ausführung eine erstaunliche [20] Schnelligkeit zu geben, um alle Fortschritte ihrer Kenntnisse zu beschleunigen; es schien, daß bei dieser bevorzugten Art sich alles durch Instinkt und mit der Schnelligkeit des Blitzes vollzog.

      Da das Gedächtnis alles behielt, lebte die Überlieferung mit unendlich viel größerer Treue, Genauigkeit und Bestimmtheit fort als bei den verwickelten und unendlichen Mitteln, die wir anhäufen, ohne irgendeine Art von Sicherheit erreichen zu können. Jeder Körper hat seine Ausströmungen; die der Erde sind ganz nutzlos. Auf dem Ringe bilden sie eine stets auf beträchtliche Entfernungen hin wirksame Atmosphäre; und diese Emanationen, von denen Shackerley nur einen Begriff geben konnte, indem er sie mit den Atomen verglich, die man mit Hilfe von Sonnenstrahlen, die in ein dunkles Zimmer eingeführt werden, unterscheidet, diese Emanationen, sage ich, antworteten auf all die Nervenbüschel des Gefühls des Individuums. Ähnlich den Staubfäden der Pflanzen, den chemischen Verwandtschaften strömten sie in die Emanationen eines anderen Individuums über, wenn die Sympathie sich da begegnete; was, wie man sich leichtlich denken kann, die Sensationen, von denen wir uns nur ein sehr ungenaues Bild machen können, ins Unendliche vervielfältigte. Zum Beispiel geben sie die Wonnen zweier Liebenden wieder, ähnlich denen des Alphaeus, der, um sich der Arethusa zu erfreuen, welche Diana eben in einen Quell verwandelt hatte, sich in einen Fluß verzauberte, um sich noch inniger mit seiner Geliebten zu vereinigen, indem er seine Wogen mit ihren vermischte.

      Diese lebhafte und fast unendliche Kohäsion so vieler fühlbarer Moleküle brachte notwendigerweise in diesen Wesen einen Lebensgeist hervor, den [21] Shackerley durch ein mozarabisches Wort ausdrückt, das die Akademie der Innamorati mit dem Worte elektrisch übersetzt hat, obwohl die Phänomene der Elektrizität in diesen zurückliegenden Zeiten noch nicht bekannt waren.

      Alles war in diesen Gegenden ohne Pflege im Überfluß und derartig vorhanden, daß der Besitz dort ebenso nutzlos wie lästig geworden wäre. Man fühlt, daß, wo es keinen Besitz gibt, auch sehr wenige Ursachen zu Zwistigkeiten und Feindschaften vorliegen können, und daß die vollkommenste politische Gleichheit herrscht, vorausgesetzt, daß solche Wesen eines politischen Systems bedürfen. Ich weiß nicht, was ihre Ruhe trüben könnte, da ihre Bedürfnisse mehr im Vorbeugen als im Befriedigen liegen, wenn der Geschmack des Verlangens ihnen nicht abgeht und sie das Gift des Überdrusses nicht zu fürchten haben.

      Auf dem Saturnringe übertragen sich die Kenntnisse durch die Luft auf sehr beträchtliche Entfernungen hin, auf demselben Wege, auf dem sich das Sonnenlicht fortpflanzt, das bekanntlich in sieben Minuten zu uns kommt. Eine Einatmung, oder anders ein gemäßigter Hauch genügt, um einen Gedanken mitzuteilen. Davon geht der bewunderungswürdige Wettstreit unter den unendlichen Völkern aus, die dieses Verständnisses und dieser auf dem ganzen Ringe allgemein verbreiteten Harmonie zufolge sich nur mit ihrer gemeinsamen Glückseligkeit beschäftigen, die niemals im Widerspruch mit der eines einzelnen Individuums gestanden hat.

      Diese, besonders für die Menschheit so seltsamen Wesen erfreuten sich also eines ewigen Friedens und eines unwandelbaren Wohlbefindens. Die Geschicklichkeiten, die auf das Glück und die Erhaltung [22] der Art abzielten, waren so vervollkommnet, wie man sie sich nur denken und sich selber wünschen kann, und man hatte dort nicht den geringsten Begriff von den verheerenden, durch den Krieg erzeugten Kunstgriffen. So hatten die Ringbewohner nicht die Wechsel von Vernunft und Wahnsinn durchzumachen, die unsere Gemeinschaften so verschwenderisch mit Gut und Böse vermischt haben. Die großen Talente in der furchtbaren Wissenschaft, diese hervorzubringen, waren, weit entfernt davon, bei ihnen bewundert zu werden, dort nicht einmal bekannt. Die unfruchtbaren oder künstlichen Vergnügungen herrschten dort ebensowenig wie der falsche Ehrbegriff, und ihr Instinkt hatte die glückseligen Wesen mühelos gelehrt, was die traurige Erfahrung so vieler Jahrhunderte uns noch vergeblich anzeigt, ich will sagen, daß der wahre Ruhm eines intelligenten Wesens Kenntnisse sind und der Friede sein wahres Glück ist.

      Das ist alles, was eine rasche Lektüre von Shackerleys Reise mir zu behalten erlaubte, den Habacuc am Ende seiner Fahrt bei den Haaren ergriff und in Arabien niedersetzte, wo er ihn aufgehoben hatte. Wenn das Auseinanderfalten und die Übersetzung dieses kostbaren Manuskripts vollendet sein wird, will ich dem weisen Europa eine nicht minder authentische Ausgabe als die des heiligen Buches der Brahmanen vorlegen, die Herr Auquetil ganz gewiß von den Ufern des Ganges hergebracht hat, denn ich schmeichle mir, die mozarabische Sprache beinahe ebenso gut zu können, wie er den Zent oder den Pelhvi versteht.

      [23]

      Die Anelytroide

      [25] Ohne Widerspruch ist die Bibel eines der ältesten und seltsamsten Bücher, das es auf Erden gibt.

      Die meisten Einwände, auf die sich Leute stützen, die nicht zu glauben vermögen, daß Moses ein göttlicher Ausleger gewesen ist, scheinen mir sehr unzureichend. Nichts ist zum Beispiel mehr ins Lächerliche gezogen worden als das Sinnliche der heiligen Bücher, das einen tatsächlich als sehr mangelhaft anmutet. Aber man zieht den Zustand dieser Wissenschaft in den ersten Menschenaltern gar nicht in Erwägung, für die das Buch ja schließlich verständlich sein mußte.

      Das Sinnliche war damals das, was es heute noch sein würde, wenn der Mensch niemals die Natur erforscht hätte. Er sah den Himmel für ein Azurgewölbe an, auf welchem Sonne und Mond die wichtigsten Gestirne zu sein schienen; erstere brachte stets das Tageslicht, letzterer das der Nacht hervor. Man sah sie erscheinen oder sich auf einer Seite erheben und auf der anderen verschwinden oder untergehen, nachdem sie ihren Lauf vollendet und ihr Licht einen bestimmten Zeitabschnitt