Название | Dead Man Working |
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Автор произведения | Peter Fleming |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870684 |
Obwohl wir tot sind, sind wir trotzdem gezwungen, die äußeren Zeichen von Leben zu tragen. Die Erkenntnis, dass sich die Arbeiter im Innersten leblos fühlen, hat bei den Unternehmen eine neue Welle von Motivationstechniken ausgelöst, die der wachsenden Selbsthilfe-Industrie und New-Age-Spiritualität entlehnt sind. Unternehmen heuern »fun-sultants« (Spaßberater) an, deren Job es ist, sich kindische Bürospiele auszudenken, um uns zum Lachen zu bringen, während wir uns zu Tode arbeiten. Die nun allgegenwärtige Ideologie des »Befreiungsmanagements« hat begriffen, dass niemand Arbeiter besser ausbeuten kann als Arbeiter selbst (»lasst sie allein, und sie werden ewig arbeiten«). Und der Trend, Authentizität und andere lebensbejahende Momente in die Arbeit zu injizieren, ist ein zentraler Aspekt der modernen Managerherrschaft.
Aber diese Tricks enden nur in Erniedrigung. Jeder Arbeiter weiß, dass die Rituale des Kapitalismus grundsätzlich gegen das Leben sind, selbst wenn sie sich als Miniaturbuddhas auf den Computerbildschirmen präsentieren. (Im Grab erwartet zumindest niemand mehr ein nettes Lächeln oder einen faden Witz.) Wenn die Ökonomie der Arbeit auf unsere Träume übergreift, sich auf die alkoholdurchtränkten Wochenenden ausweitet und fast jede soziale Beziehung auf einen gleichgültigen Geldaustausch reduziert, sind die Arbeitenden die Ersten, die erfahren, dass das Leben leer wird – eine ständige lebendige Abwesenheit, ganz gleich, wie viele Smileys an den Wänden der Arbeitsnische kleben.
Wie Theodor W. Adorno in seiner erstaunlich vorausahnenden Analyse des Spätkapitalismus bemerkte, deutet die Tatsache, dass wir weiter in diesen versteinerten Verhältnissen leben, darauf hin, dass wir gelernt haben, in der Hölle zu atmen.
Wie kommt es dazu, dass das Arbeiten heute Menschen produziert, die zwischen Leben und Tod existieren, Gestalten, deren einzige Hoffnung es ist, dass es möglichst bald ausgestanden sein wird? In mancher Hinsicht ist der »Dead Man Working« nicht eine gänzlich neue Spezies. Einige Grundkonstanten des Kapitalismus sind wichtig, hier zu bedenken. Karl Marx enthüllte als erster die besondere Selbstbezüglichkeit unserer Gesellschaft, eine bemerkenswerte Eigenheit, die eine qualitative Veränderung in der sozialen Erfahrung mit sich brachte. Während die meisten anderen Kulturen irgendetwas jenseits ihrer selbst platzieren, um sich immer wieder neu zu motivieren – Götter, das Übernatürliche, Utopien und so weiter –, existiert der Kapitalismus nur für sich selbst. Er ist sein eigener Endzweck. Das führt zu einem »traurigen Materialismus«, denn ein Leben, das von dem unaufhörlichen Kreislauf von Arbeit und Konsum bestimmt wird, bringt uns nirgendwohin. Daher die alte Gewerkschaftsklage: »Leben wir nur, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben?«
Um diese Geschlossenheit des Kapitals zu kompensieren, ist eine neue Kulturindustrie entstanden mit künstlichen Zonen der »Freizeit«, deren Zweck darin besteht, kurze Fluchten aus einer Gesellschaft ohne Sinn zu ermöglichen. Erst jetzt kann man sagen: Der Grund, warum wir arbeiten, ist, Geld für etwas uns sinnvoll Erscheinendes auszugeben, seien es unsere Kinder, Reisen oder Videospiele. Und vielleicht betrachten wir auch die unbeholfenen Versuche von Industriepsychologen, externe Räume zu kreieren, als Teil dieses Trugs einer Welt jenseits der Arbeit. Natürlich wissen die meisten Beschäftigten, dass das ein Schwindel ist. Die Dinge im Leben, auf die wir uns freuen könnten, sind nur wenige und oft langweilig. Man schaue sich die Szene aus dem postapokalyptischen Film Children of Men an; Theo, der alkoholsüchtige Antiheld des Films, gibt die Erfahrung der Ausweglosigkeit in einem Dialog mit seinem Freund Jasper perfekt wieder:
Jasper: Was hast du an deinem Geburtstag gemacht?
Theo: Nichts, war wie jeder andere Tag.
Jasper: Irgendwas musst du doch gemacht haben?
Theo: Nee. Bin aufgewacht, fühlte mich beschissen. Ging zur Arbeit, fühlte mich beschissen.
Jasper: Das nennt man einen Kater, Alter.
Theo: Bei einem Kater fühle ich wenigstens was.
Jasper: Du solltest zu mir kommen und bei mir wohnen.
Theo: Warum sollte ich? Dann hätte ich überhaupt nichts mehr, worauf ich mich freuen könnte.
Wie kommen wir zurecht, wenn das Einzige, auf das wir uns noch freuen können, ein kurzer Rückzug aufs Land ist, um unseren Pot rauchenden, nicht mehr ganz jungen Hippiefreund zu besuchen? Genauso wie mit jeder anderen seelentötenden Aktivität – durch harmlose Gedankenspiele, Eskapismus, sexuelle Fantasien, kindische Spielereien und Witze. Aber letztlich indem wir uns betäuben und darauf warten, dass es endet. Deshalb ist die größte Furcht heutiger Manager nicht wie in den glücklichen Tagen des Fordismus der Absentismus, das Fernbleiben der Arbeiter. In einer neuen Kultur der Arbeit, die verlangt, dass jede Faser deines Organismus stets »eingeschaltet« ist, ist der Feind der Produktion das, was Personalleiter gerne Präsentismus nennen: Der Arbeitende ist nur körperlich anwesend, während alle anderen Teile seines Wesens weit, weit weg sind (an einem Strand liegen, sich lieben, ein Gebäude in Brand setzen und so weiter). Deshalb weiß selbst ein Kind, dass das Lächeln und »Einen schönen Tag noch« von einem Kundendienstmitarbeiter tatsächlich etwas Gruseliges ist. Nicht nur ist klar, dass sie es nicht meinen (und warum sollten sie auch?), sondern es scheint auch tatsächlich niemanden hinter dem Lächeln zu geben.
Aber erst mit dem Beginn der postmodernen »Sozialfabrik«, in der jeder wache Moment (und wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, auch der Schlaf) zu einer Zeit der Arbeit wird, taucht der »Dead Man Working« wirklich auf. Viele Kommentatoren heute, vor allem Michael Hardt und Antonio Negri, argumentieren, dass die ökonomische Rationalität des Kapitalismus die Fabriken und Büros verlassen hat und die Vorlage für alle Aspekte der Gesellschaft geworden ist. Was andere den 24-Stunden-Kapitalismus genannt haben, bedeutet nicht nur, dass zu jedem Zeitpunkt des Tages (und der Nacht) irgendjemand irgendwo arbeitet, sondern auch, dass rund um die Uhr alle ständig arbeiten.
Die wirkliche Bruchlinie verläuft nicht mehr zwischen Kapital und Arbeit. Sie verläuft zwischen Kapital und Leben. Das Leben selbst wird nun von den Unternehmen geplündert; unser ganzes gesellschaftliches Sein verwandelt sich in etwas, das Geld für Geschäfte macht. Wir kennen sie. Die Computerhacker, die im Schlaf Codes träumen. Die Flugbegleiter, die Herzlichkeit verströmen, wenn sie es mit einem erzürnten Kunden zu tun haben (»handle so, als ob die Flugzeugkabine dein Wohnzimmer wäre«). Die idealistischen NGO-Praktikanten, die unentgeltlich arbeiten. Die Angestellten, die immer verfügbar Büroarbeiten an ihren Wochenenden erledigen. Die Callcenter-Arbeiter, die am Telefon improvisieren, um das »Kundenerlebnis« zu steigern.
Was den heutigen Kapitalismus von seinen früheren Formen unterscheidet, ist, dass sein Einfluss weit über die Fabrik und das Büro hinausreicht. Im Fordismus waren Wochenenden und Freizeit noch relativ unangetastet; sie sollten die Welt der Arbeit indirekt unterstützen. Heute jedoch ist das Kapital darauf aus, unsere Sozialität in allen Sphären des Lebens auszubeuten. Wenn wir alle »Humankapital« werden, haben wir nicht nur einen Job oder verrichten einen Job. Wir sind der Job. Selbst wenn der Arbeitstag zu Ende zu sein scheint. Das ist es, was postmoderne Theoretiker den Aufstieg der Bio-Macht genannt haben, wo das Leben selbst zur Arbeit angehalten wird: unsere Sozialität, Einbildungskraft, unser Einfallsreichtum und Wunsch, zu lernen und Ideen zu teilen. Aber wie wir alle wissen, können moderne Unternehmen diese »Motoren der Wertschöpfung« nicht aus sich selbst heraus generieren. Deshalb werden wir eingestellt, um das für sie zu tun. Selbstausbeutung ist ein bestimmendes Motiv des Arbeitens heute geworden. Tatsächlich investieren große Unternehmen so wenig in Ausbildung, weil sie erkannt haben, dass Arbeiter sich selbst ausbilden, sowohl bei der Arbeit, wobei sie ihre Alltagsfähigkeiten und soziale Intelligenz benutzen, als auch außerhalb während ihrer »freien« Zeit.
Setzt sich also der arbeitende Tote zur Wehr? Versucht er, seine missliche Lage zu ändern? Er wartet immer noch auf das Ende, aber wenn er begreift, dass es vielleicht gar nicht kommt, läuft sein Widerstand darauf hinaus, irgendein Ende selbst herbeizuführen. Eine beunruhigende Frage, die dieses Buch beherrscht, ist die folgende: Wie können wir uns dem Kapitalismus widersetzen, wenn er unser gesamtes gesellschaftliches Sein durchdrungen hat? Vielleicht gilt das alte marxistische Argument zur Klassenpolitik weiterhin. Ein Arbeiter zu sein, ist nichts, worauf man stolz sein kann. Eine sinnvolle Arbeitsplatzpolitik sollte