aus dem Chaos. Das Chaos wiederum ist bekanntlich eng mit den Naturkräften verbunden, verkörpert durch den Drachen. Während aber in den orientalischen Kulturen die Drachen in der Regel getötet oder wenigstens besiegt werden, haben die chinesischen Drachen nach den Überlieferungen persönlich das Kaiserreich und die kosmische und staatliche Ordnung geschaffen. Schon in mythologischer Vorzeit treten uns die Drachengötter als kaiserliche Staatsbeamte entgegen. Der mythische Gottkaiser Huang Ti war beispielsweise ein leibhaftiger Drache von gelber Schuppenfärbung. Er machte das Land urbar und führte die Viehzucht ein, ein Kulturheroe wie der babylonische Gilgamesch oder eben auch Marduk. Nach chinesischer Vorstellung bewacht der Gelbe Drache den Himmel und von ihm hängt es ab, ob die Sonne scheint oder nicht. Er wacht über Wind und Regen und ist letztendlich für Gedeih und Verderb der Ernte zuständig. Die chinesische Drachenwelt ist staatlich organisiert, ein Abbild der menschlichen Welt. Drachen sind hier die Schöpfer und Garanten der Ordnung.
17 Die chinesische Kultur hat es damit geschafft, ohne nachweisbaren Drachenkampf das Chaos selbst als Ordnungskraft zu interpretieren. Ein Denkmodell auch für den orientalischen Drachen der Frühgeschichte? Unserem kulturellen Verständnis entspricht diese Interpretation sicher nicht. Aber das ist für das tatsächliche Wesen der orientalischen Hochkulturen genau so unmaßgeblich wie die Vorstellungen der gerade sesshaft werdenden Jäger- und Sammler von Göbekli Tepe, deren Bilder sie übernommen haben.