Название | Teufelszwirn |
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Автор произведения | Christo Karastojanow |
Жанр | Языкознание |
Серия | editionBalkan |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941333 |
Wir werden es nicht dulden!, schäumte die Obrigkeit und brummte ihnen am Ende zwei saftige Geldstrafen pro Nase auf. Da waren die Dickschädel augenblicklich bekehrt, und auf dem Marktplatz zogen wieder Ruhe und Anstand ein.
Denn die Zeit war schon am Fliegen, und nachts, da heulte sie, dass es zum Fürchten war!
Derweil wurde Ende August, Anfang September der Allerhöchste Beschluss zur Umbenennung von K. an die Presse gegeben.
Und K. hieß nicht mehr K., sondern Ju.!
Im Erlass Seiner Majestät wurde ausgeführt, dass die Umbennung von K. in Ju. auf Vorschlag der Regierung erfolge, nämlich auf die allgemeine Beruhigung der Gemüter und der antagonistischen Leidenschaften hin, in Anerkennung des unschätzbaren Beitrages der Stadt K. und ihrer Öffentlichkeit zur Erneuerung des politischen Klimas im Königreich nach dem 9. Juni – und nicht zuletzt, weil K. ein türkischer Name war, Ju. hingegen ein rein bulgarischer.
Der Erlass wurde allseits mit tiefer Genugtuung aufgenommen, die Dankbarkeit im ganzen Landkreis kannte keine Grenzen. In der Garnison wollten die donnernden Hurra-Rufe lange nicht verebben, überall ertönte Musik, und in der Stadt wurde eilends ein Initiativkomitee gebildet, das ein dreitägiges Kultur- und Gewerbefest zu organisieren versprach. Dem Komitee standen der Bürgermeister, der Polizeidirektor und der Garnisonskommandant vor, sie waren es auch, die sich den famosen Namen dafür ausdachten: Dreitagefest der Gastlichkeit von Ju.
In Vorbereitung des Festes wurde die ganze Stadt gründlich gereinigt und auf jede erdenkliche Art geschmückt. Überall in den Straßen wehte die Trikolore der bulgarischen Nation, an die Fassade des Rathauses kam eine neue Inschrift in erhabenen Goldbuchstaben – RATHAUS – und links und rechts davon zwei schöne, lichtstarke Petroleumlaternen, die sie des Nachts beleuchteten; auch hier hing natürlich eine große Fahne. Zwei metallene Skulpturen wurden aufgestellt, die bulgarische Krieger darstellten und die Treppe in Richtung Offizierskasino flankierten, und im Stadtpark beim alten Rosarium mit der Laube und den zwischen Buschwerk verborgenen Bänken fand, um der Romantik Genüge zu tun, eine nackte Weiblichkeit aus Granit in einem Brunnen aus Carrara-Marmor ihren Platz. Auch der Kirklar-Hügel30 vor den Toren der Stadt sollte seinen hässlichen türkischen Namen ablegen und von nun an Elez heißen, was auf erlesene Art bulgarisch, ja, geradezu patriotisch klang. Während des Dreitagefestes sollte die Polizeistunde aufgehoben werden (und hinterher konnte man im Polizeibericht lesen, dass trotz der Maßnahme in diesen Tagen nur ein einziges Delikt registriert wurde, nämlich die Entführung eines getrimmten Hündchens namens Pekki, Eigentum einer unvergleichlichen Sofioter Dame, Täter unbekannt, und am Ende fand sich sogar Pekki wieder an, was bloß gut war, denn es handelte es sich um einen Pekinesen!)
Und die Leute kamen geströmt von außerhalb her –, so viele wie nie zuvor, ließ sich mit Fug und Recht behaupten: weder zu den Viehmärkten im Frühjahr noch zu den Herbstmärkten mit Zirkus, Himalaja-Zoo und Karussellen war so ein Ansturm zu verzeichnen gewesen. Das Neu-Amerika war überfüllt und alle Gasthäuser und Herbergen ebenso, die Plätze reichten trotzdem nicht aus, so dass die Stadtverwaltung an den Edelmut und die Gastfreundschaft der Bürger appellierte, ihre Gästezimmer gegen Entgelt als Quartiere zur Verfügung zu stellen für die aus dem ganzen Land anreisenden Freunde der Stadt. Und tatsächlich folgten etliche dem Aufruf.
Was die Kultur anging, so wurden während der drei Tage in der Lesehalle mehrere Theatervorstellungen gegeben, auch eine Kinderoperette über Schneeglöckchen im Frühling, Puppentheater-Aufführungen und diverse Humoresken. Außerdem reisten nun endlich tatsächlich die Trommler aus Sofia an, und am Fluss schlug der berühmte Zirkus Krone sein Zelt auf. Vier Blasorchester waren unentwegt im Einsatz, wechselten einander an sieben verschiedenen Lokalitäten ab, darunter an zwei Stellen im Stadtpark, auf dem Hof des Offizierskasinos und natürlich auf dem festlich erglänzten Coburg-Platz; die hölzernen Estraden, die die Musiker wechselweise bestiegen, ertranken überall in Blumen und Fahnen. Im roten Restaurant des Neu-Amerika, zwischen Plüsch und geschliffenen Wandspiegeln, stampfte eine unermüdliche deutsche Jazzband, die nur um die Mittagszeit und zur frühen Abendstunde durch ein tschechisches Salonorchester aus der Schule des berühmten Maestro Sáfrány31 abgelöst wurde. In den übrigen Schenken und Kneipen der Stadt, den gesitteteren ebenso wie den primitiven, spielten rund um die Uhr Musiker aller Art: dürre, dunkelhäutige ungarische Zymbalspieler, geschmeidige argentinische Gitarristen aus Plowdiw, rumänische Doinas aus Knesha32 und anderer, weniger raffinierter Bums, während im Savoy und im Sliwen die Phonographen tönten. Im Kino gab es sieben oder acht Vorführungen täglich – so dass auch das Moderne Theater, ungeachtet großzügig ermäßigter Eintrittspreise, einen gehörigen Profit aus der Festlichkeit zu schlagen vermochte.
Und am anderen Ufer wallte, brodelte, schäumte, stöhnte der Basar. Zahllose Stände waren hier aufgeschlagen, noch in den Gässchen weitab vom eigentlichen Marktplatz und bis über die Brücke herüber reihten sich die Tische, und, du lieber Gott!, was wurde da nicht alles geboten! Ein Fest für Auge, Ohr und Nase, und für die Seele ungemein erhebend. Muhen, Blöken, Hufgetrappel, Getöse jedweder Art aus den Menagerien und vom Viehmarkt, über alledem ein anhaltendes Stimmengewirr, und der Staub – aufgewirbelt von Hunderten Füßen, mischte sich üppig in den beißenden Rauch von den Rosten der Kebabbrater, die nicht müde wurden, die zwei Finger dicken und kaum weniger als einen Fuß langen Kebabtscheta zu zwirbeln und die handtellergroßen, scharf gewürzten Kjufteta33 zu kneten – stieg auf und verhüllte einer barbarischen Wolke gleich die rote Sonne. An mehreren Stellen waren Planen und Stoffbahnen gespannt, hinter denen schmutzige, abgerissene, herb nach dem Staub der Landstraßen riechende Wanderschauspieler und Puppenspieler Szenen und Stücke für Menschen oder Puppen zum Besten gaben, Feuer schluckten; grellbunte Clowns, Harlekine, Pentscho und Marijka34 brachten die Leute zum Lachen, bis ihnen vor Glück die Tränen rannen; zu bestaunen gab es allerlei Naturwunder, zum Beispiel ein Kalb mit zwei elenden Köpfen und ein Schaf mit dreien, ein junges Weib mit nackten Brüsten und Fischschwanz im Wasserkübel, aus dem es nach Gulli roch; geheimnisvolle, furchteinflößende Misters in Turban, Frack und Pelerine führten magische Tricks und andere Illusionen vor, Fakirkunststücke und optische Täuschungen, oder sie verschlossen freiwilligen Mitspielern aus dem Publikum zu ihrer Verblüffung mit großen blitzenden Vorhängeschlössern direkt durch die Wangen den Mund, und wie hieß es so schön in dem Lied, das in jenen Tagen unter den Zeltbahnen der Kebabbrater und an den Schankbuden am häufigsten gesungen und gehört wurde: Ach, mir geht es gut! Wie‘s mir gut gehn tut! Hat das Meer ein Loch, ei-ei? Unterm Rock sind ihrer zwei. Çok selam35, kleiner Mann, grüß mir deine Schwester! Oder: Wenn die Geister, all die ganzen, nachts in Holzpantinen tanzen, und wie ging doch gleich das andere, das ganz harmlos anfängt mit der Kornelkirschblüte, die wo ausgeblieben ist, und am Ende kriegt man einen roten Kopf …
Und so ging das weiter, das Volk wie im Rausch, denn deswegen war es hier: sich kopfüber ins Getümmel zu werfen, die Freuden dreier toller Tage zu genießen, alles hinter sich zu lassen: die Dürre, den Dreck, die zwischen den Knochen vom Schlachthof streunenden Hunde, die Räuber und das sündhaft teure Brot.
Für die Kinder gab es Schaukeln und Karusselle, die kunterbunt in den Augen flirrten, solange sie sich drehten, angeschoben von kräftigen, ausdauernden Burschen, die sich hier ein bisschen was dazuverdienten. Und es gab die von puffenden und paffenden Benzinmotoren angetriebenen Kettenkarusselle, von denen sich Jungen und auch vorwitzige Mädchen bis zur schwindelerregenden Waagerechten in den kupferbronzenen Himmel heben ließen – die Jungen wild juchzend und eifrig sich mühend, ihre Ketten mit denen der Mädchen zu verhaken, während die Mädchen kieksten wie irre und herausfordernd keckerten in diesen sonderbaren Verflechtungen. Und damals kam unter den jungen Leuten gerade eine neue