Название | Abgesoffen - Die Milliardenlüge |
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Автор произведения | Hajo Maier |
Жанр | Отраслевые издания |
Серия | |
Издательство | Отраслевые издания |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347310377 |
»Wie lange soll ich mir diesen Scheiß noch anhören? Machen Sie alles, was Sie müssen, damit P&R eine Spitzen-Marke wird. Aber ich muss nicht Ihre Vorarbeiten anhören. P&R verdient Geld. Jetzt mit Ihnen. Darum geht es.«
Vorarbeiten und Spitzenmarke. Feldkamps Vorstellung von Marketing. Er zeigt nach draußen weiter einen völlig sorglosen Umgang auch mit hohen Ausgaben oder Rechnungen. Kostenkalkulationen interessieren ihn weiterhin einen Scheiß. Seine Wortwahl. Das ist die Welt, in der er wohl lebt. In der er auch gesehen werden will. Und als es in einem der vielen Meetings bei Feldkamp zu den oben beschriebenen Performance-Reports kommt, zu den großen Zahlen, zu seinem Thema also, fällt der wohl denkwürdigste Satz, den Feldkamp unter vielen denkwürdigen Sätzen zu Maier und einem Kollegen sagt. Der Satz, der ihn und seine Welt beschreibt, wie kein anderer:
» Merken Sie sich: Wenn ich 100 sage, meine ich Millionen!«
Feldkamp setzt, ohne irgendwelche Kenntnis über Marketing und Kommunikation, auf die richtige Karte. Die Agentur macht ihre Hausaufgaben, auch und nicht selten gegen Feldkamps Skepsis. Auch gegen den Widerstand seines Vertriebsleiters Stömmer, der sich gedemütigt fühlt, der bei den Meetings nicht dabei sein darf. Warum eine Marketing-Agentur? Er hat mit seinem Vertrieb bisher alles erfolgreich geregelt. Wie er glaubt. Und oft genug auch in den nächsten Jahren klar machen wird. Die Agentur setzt eine Kundenbefragung durch. Umfangreich, schriftlich, per Post. Üblich noch zu dieser Zeit. Richtig bei einem Kundenprofil, das über 50% Investoren mit über 60 Jahren17 ausweist. Rund zwanzigtausend Anleger beantworten die Fragen zu Zufriedenheit, Wünschen, Empfehlungsbereitschaft, Wiederanlagebereitschaft, zu Vertrauen, zu Reputation. Als Belohnung für die Teilnahme lobt P&R eine Luxus-Schiffsreise für zwei Personen aus. Mit Knurren, so erzählt der Agenturchef und ohne es zu verstehen, akzeptiert Feldkamp den Strategiewechsel in der Kommunikation: Nicht mehr Produkt und Leistung im Vordergrund, sondern Marken-Bekanntheit, Reputation, vertrauensbildende Maßnahmen. Weiterempfehlung, Wiederanlage, geprüfte Sicherheit, sind die Themen. Für Feldkamp böhmische Dörfer. Aber: Für ihn, den Zahlenmensch, zählen nur Zahlen. Ergebnisse. Mit dem Neugeschäft über 792 Mio. in diesem Geschäftsjahr erzielt P&R eines der besten Ergebnisse. Und zunächst genug frisches Geld, um wenigstens weiterzumachen. Für Feldkamp das Signal, einen Schritt weiter zu gehen. Er ruft den Agentur-Geschäftsleiter an, Angestellter dort, nicht Eigentümer, und wie immer direkt:
»Dr. Maier, so einen wie Sie könnte ich ganz bei P&R brauchen.«
Und Maier kommt. Nach 15 Agenturjahren Wechsel auf Kundenseite. Warum nicht. Gesundes Unternehmen. Sicherer Job. Zukunftsfähig. Am 01. April 2011 hat Feldkamp nach über 35 Jahren erstmals eine Marketing-Abteilung. Maier bringt einen weiteren Kollegen mit.
Maier kennt Feldkamp inzwischen ganz gut. Nach bald zwei Jahren Zusammenarbeit. Er kann ihn aushalten, kann mit ihm umgehen. Er sitzt bei Feldkamp, in dessen Büro. Recht schmucklos. Nicht groß. Nicht klein. Schreibtisch. Telefon. Eigenes Fax. Eine Sesselgruppe. Kleiner Tisch dabei. Feldkamp wirkt wie immer: Knorrig. Bodenständig. Gut angezogen. Aber keine 5.000 $ Anzüge. Ja – eine unter dem Ärmel versteckte Rolex. Aber ohne sie zu tragen, wie stillose Neureiche das zu tun pflegen, nämlich so, dass man sie hätte sehen sollen. Nur seine Zähne sind auffallend weiß für einen 60-jährigen. Gebleacht. Hollywood-like. Ein einziges Foto wird Maier später sehen, von Feldkamp, bestimmt 20 Jahre her. Ein extrem lässiger, auch gutaussehender Typ. Vielleicht 1,85 groß, schlank, alte Jeans, Hemd, keine Krawatte, auf dem Boden sitzend, im Gespräch mit Heinz Roth, dem Konzerneigentümer. Tausend Geschichten erzählt dieses Bild. Vielleicht, wie die beiden dieses Unternehmen groß gemacht haben. Lässig, hands-on, schlau. Feldkamp hat mehrere Seiten. Seiten, die nicht zusammen zu passen scheinen in einer einzigen Persönlichkeit:
Einerseits der menschennahe Typ, der durchaus Humor zeigt, schräg, zugegeben, manchmal fast sympathisch. Dann wieder der humorlose Buchhalter – ohne Lächeln, nicht freundlich, nicht unfreundlich, nur indifferent. Dann wieder der Typ Generaldirektor, der aus einem Rühmann-Film der 50-er Jahre hätte entsprungen sein können: Dominant. Beherrschend. Top-Down. Irrational. Rechthaberisch. Hochemotional. Stimmungsgetrieben. Laut. Cholerisch. Auch brutal. Es sind nicht alle seine Facetten. Feldkamp ist in seinem Verhalten nicht zu fassen, nicht zu kalkulieren.
»Rational heute, irrational morgen. Freundlich jetzt. Stunden später ein schlecht erzogenes Arschloch. Sozial heute. Brutal und asozial morgen. Kühl, abweisend ignorant. Dann wieder in Plauderlaune über wirklich private Dinge.«
So beschreibt ihn Maier, der es dennoch leichter zu haben scheint, als viele andere Mitarbeiter: Er steht bei Feldkamp hoch im Kurs durch die ersten Erfolge, die Feldkamp und Roth den Hintern zu retten scheinen. Was der Neue nicht wissen kann.
Der 01. April 2011 ist Maiers erster Arbeitstag bei P&R. Erwähnenswert, weil Feldkamp an diesem ersten Tag weitere Seiten von sich preisgibt, die bisher so nicht klar gewesen sind. Feldkamp differenziert, heute und später, extrem in seinem Verhalten gegenüber externen Partnern einerseits und seinen Mitarbeitern auf der anderen Seite. Nach außen zeigt er eine wenigstens professionelle Grundhöflichkeit im Umgang mit externen Partnern. Dort wirkt er wie ein Konzernchef, der alles managed, mit Plan. Nach innen aber ein anderes Bild: Mitarbeiter sind seinen Launen ausgesetzt, seinen Spontan-Ideen, seinen oft emotional getriebenen Entscheidungen. Auch stellt sich an diesem ersten Arbeitstag heraus, dass Mitarbeiter keinen Internetzugang haben. Nicht sollen. Auch nicht der Eigenvertrieb mit den Kundenberatern. Mitarbeiter sollen sich nicht mit dem Wettbewerb befassen, nicht mit den Informationen, die Kunden im Netz lesen, schon gar nicht im Web surfen. Laptops? Fehlanzeige. Projektmeetings, möglicherweise einmal zu Hause einen Job fertigstellen, Arbeitsmeetings mit Vertrieb, Dienstleistern Agenturen, Presse? Feldkamp nennt das:
»…einen Scheiß! Sie müssen keine Meetings halten oder den Vertrieb vom Verkaufen abhalten. Und Presse? Die Arschlöcher bekommen keine Informationen von uns. Zuhause arbeiten? Wir beginnen um 9:00. Wir gehen um 18:00. Haben Sie das verstanden?«
Nur einen Tag später wird Feldkamp den IT-Leiter beauftragen, Laptops anzuschaffen. Und Internetzugänge freizugeben. Eine gefährliche, seltsame Stimmung zunächst, wie Maier sich erinnert. In den ersten Minuten. Beim Thema Büroausstattung.
Dann der Stimmungswechsel. Feldkamp – als hätten die letzten Minuten des Gespräches nie stattgefunden – ist freundlich, ja fast väterlich. Ein anderer Mensch im Raum. Diese extremen Stimmungswechsel wird Feldkamp beibehalten. Sie sind Teil seiner Persönlichkeit. Stimmungswechsel, die von einer Sekunde auf die andere geschehen können. Stimmungswechsel, die zu völlig irrationalen, spontanen Entscheidungen führen, um nur einen Tag später das Gegenteil zu entscheiden. Und: P&R ist ein Unternehmen, das ausschließlich von oben nach unten geführt wird. Top down. Es gibt nur zwei Ebenen. Ebene eins: Feldkamp. Ebene zwei: Alle anderen darunter. Egal, welche Position jemand bekleidet, egal welches Geld er oder sie verdient. Und dennoch unterscheidet Feldkamp in seiner Welt: Die neuen Mitarbeiter dürfen nichts beitragen, um das ihnen zugewiesene Büro aufzuräumen. Weil sie leitende Mitarbeiter sind. Das erledigen andere: In Feldkamps Welt ausschließlich Frauen. Assistentinnen, Sekretärinnen, Verwaltungsmitarbeiterinnen. Auch das wird so bleiben. Führungskräfte verrichten keine niederen Tätigkeiten. Und Führungskräfte sind ausschließlich männlich. Feldkamp legt großen Wert auf Außendarstellung, auf Symbole und Zeichen des Erfolgs.
»Man bekommt keinen ordentlichen Arbeitstisch unter 4.000 Euro. Es muss zu P&R passen.« äußert er gegenüber den neuen Mitarbeitern. Es passt zu seinem legendären Ausspruch, wenn ich Hundert sage, meine ich Millionen. Auch, dass er Maier verbietet, einen VW als Firmenwagen zu ordern. Weil das nicht passt. Es muss ein BMW oder Mercedes sein. Ab achtzigtausend Euro.
»Leasing? Den Scheiß machen wir nicht. Wir kaufen die Autos. Also abgemacht! Ein X5. Konfigurieren Sie den bis morgen. Dann wird bestellt. Schönen Tag.«
Und