Название | Essays |
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Автор произведения | Francis Bacon |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843802673 |
Die Frucht für all jene, die sich innerhalb der Kirche befinden, ist der unendliche Segen des Friedens. Dieser begründet den Glauben und erzeugt Mildtätigkeit; der äußere Friede der Kirche führt zum Frieden des Gewissens und lenkt die Mühen, die sonst auf das Schreiben und Lesen von Streitschriften verwendet werden, auf die Abfassung von Traktaten der Kasteiung und Andacht.
Was die Grenzen der Einheit angeht, so ist deren richtige Ziehung von äußerster Wichtigkeit. In dieser Hinsicht scheint es zwei Extreme zu geben. Einigen Glaubenseiferern ist alles Reden von Versöhnung verhasst. „ ‚Der König lässt fragen, ob nun Frieden herrscht.‘ Jesus gab zur Antwort: ‚Was hast du dich um den Frieden zu kümmern? Reihe dich in meine Gefolgschaft ein!‘ “ Ihnen geht es nicht um Frieden, sondern um Gefolgschaft und Parteiergreifung. Im Gegensatz dazu glauben einige Laodiceer und halbherzige Personen, dass sie Fragen der Religion durch Mittelwege beantworten können, indem sie auf beiden Seiten gleichzeitig Partei ergreifen und für geistreiche Aussöhnung sorgen, als ob sie Schiedsrichter zwischen Gott und den Menschen wären. Diese beiden Extreme gilt es zu vermeiden, was dadurch geschehen kann, dass sich der Bund der Christenheit, so wie er von unserem Heiland persönlich eingesetzt wurde, fest und unbeirrbar an die beiden einander ergänzenden Sätze hält: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“ und „Wer nicht gegen mich ist, der ist mit mir“ – das heißt, wenn die wesentlichen und grundlegenden Punkte in der Religion ernsthaft und wahrhaft von solchen Punkten getrennt werden, in denen es nicht ausschließlich um den Glauben, sondern lediglich um Meinungen, Systeme oder gute Absichten geht. Dies mag manchem als unwichtig und bereits erfolgt erscheinen, aber wenn es weniger um das Kleine ginge, könnte das Große stärker in den Vordergrund rücken.
Hierfür möchte ich innerhalb meiner kleinen Abhandlung nur den folgenden Rat geben. Die Menschen sollten sich davor hüten, Gottes Kirche insbesondere durch zwei Arten von Kontroversen auseinanderzureißen. Die eine Art besteht darin, dass der Gegenstand der Kontroverse allzu klein und unbedeutend und nicht der Hitze und des Streites würdig ist, der nur durch Widerspruchsgeist angefacht wurde. Denn, wie es einer der Kirchenväter ausdrückt, „Christi Gewand hatte zwar keine Naht, aber das Gewand der Kirche hat viele Farben“, worauf er sagt: „In veste varietas sit, scissura non sit [Das Gewand darf verschiedene Farben haben, aber keinen Riss].“ Einheit und Gleichheit sind zwei verschiedene Dinge. Die andere Art besteht darin, dass der Punkt, über den verschiedene Meinungen bestehen, durchaus wichtig ist, aber mit einer übergroßen Subtilität und Unklarheit behandelt wird, sodass der Streit eher scharfsinnig als bedeutsam ist. Ein Mensch mit gutem Urteilsvermögen und Verstand hört manchmal einem Streit von Unwissenden zu und weiß dabei genau, dass sie im Grunde eines und dasselbe meinen, auch wenn sie es niemals zugeben würden. Wenn schon ein Mensch diese nur scheinbare Kluft zwischen zwei Streitenden erkennen kann, um wie vieles mehr sollte es dann nicht auch Gott, der die Herzen kennt, möglich sein, den gemeinsamen Vorsatz in den widersprüchlichen Meinungen der schwachen Menschen zu sehen und sie deshalb gleichermaßen gelten zu lassen? Die Natur solcher Kontroversen hat der heilige Paulus sehr gut in der Warnung und dem Gebot ausgedrückt, die er diesbezüglich gibt: „Devita profanas vocum novitates, et oppositiones falsi nominis scientiae [Halte dich fern von unheiligen, leeren Redereien und den Widersprüchen der fälschlich so genannten Erkenntnis].“ Die Menschen erschaffen dort Widersprüche, wo keine sind, und kleiden sie in neue Redewendungen, sodass die Begriffe den Sinn bestimmen, wo doch eigentlich der Sinn die Begriffe bestimmen sollte. Überdies kann es zwei falsche Arten von Frieden und Einheit geben. Bei der einen gründet der Friede auf stillschweigender Unkenntnis, denn im Dunkeln sind alle Farben gleich, und die andere Art fußt auf dem unmittelbaren Zugeständnis von Uneinigkeit in wesentlichen Punkten. Wahrheit und Falschheit sind in solchen Dingen wie das Eisen und der Lehm in den Zehen von Nebukadnezars Abbild. Sie mögen aneinander haften, aber sie gehen keine dauerhafte Verbindung ein.
Was die Mittel zur Erlangung der Einheit angeht, so muss die Menschheit darauf achten, dass sie bei der Einrichtung und Festigung dieser Einheit nicht die Gesetze der Nächstenliebe und Menschlichkeit verwässert oder gar außer Kraft setzt. Es sollte in der Christenheit zwei Schwerter geben: das spirituelle und das weltliche. Beide haben ihren Platz und ihre Bedeutung in der Aufrechterhaltung der Religion. Aber wir dürfen keinesfalls das dritte Schwert einsetzen, welches das Schwert Mohammeds oder zumindest dem seinen ähnlich ist; das heißt, wir dürfen die Religion nicht durch Kriege verbreiten oder das Gewissen durch blutige Verfolgung schärfen, außer in Fällen von öffentlichem Ärgernis, Blasphemie oder Hochverrat. Noch weniger dürfen Aufstände angezettelt, Verschwörungen und Rebellionen durchgeführt oder das Schwert in die Hand des Volkes gegeben werden, damit es die Regierung stürzt, die von Gott eingesetzt ist. Denn dies würde bedeuten, die eine Gesetzestafel an der anderen zu zerschmettern und die Menschen als vollkommene Christen anzusehen, während wir vergessen, dass sie im Grunde nur Menschen sind. Als der Dichter Lukrez die Tat des Agamemmnon betrachtete, der die Opferung seiner eigenen Tochter ertrug, rief er aus:
„Tantum religio potuit suadere malorum [Zu solch schlimmen Taten vermochte die Religion zu reizen].“
Was hätte er wohl gesagt, wenn er das Massaker in Frankreich oder die Pulververschwörung in England gekannt hätte? Er wäre noch sieben Mal mehr zum Epikuräer und Atheisten geworden, als er es ohnehin schon war. Denn das weltliche Schwert darf in den Belangen der Religion nur mit großer Umsicht gezogen werden, und es ist eine Ungeheuerlichkeit, es in die Hände des einfachen Volkes zu legen. Das sollte den Wiedertäufern und anderen Furien überlassen werden. Es war eine große Blasphemie, als der Teufel sagte: „Ich will aufsteigen und wie der Höchste sein“, aber es ist eine noch größere Blasphemie, Gott zu personifizieren und ihn sagen zu lassen: „Ich will herabsteigen und wie der Fürst der Finsternis sein“. Was wäre es schließlich anderes, die Religion in die Niederungen des Fürstenmordes, des Gemetzels am Volke und des Umsturzes von Staaten und Regierungen hinabzuführen? Gewiss hieße dies, den Heiligen Geist nicht als Taube, sondern als Geier oder Rabe herabsteigen zu lassen und auf dem Schiff der christlichen Kirche die Flagge von Piraten und Mördern zu hissen. Daher ist es überaus wichtig, dass die Kirche durch Doktrinen und Dekrete, die Fürsten aber durch ihr Schwert und all ihre Gelehrsamkeit, sei sie christlich oder moralisch geprägt, alle Taten und Meinungen, die solches unterstützen, gleichsam mit ihrem Merkurstab verdammen und auf ewig zur Hölle schicken, wie dies bereits in nicht geringem Umfange geschehen ist. Gewiss sollte allen Ratschlüssen bezüglich der Religion der Rat des Apostels vorangesetzt werden: „Ira hominis non implet iustitiam Dei [Denn der Zorn eines Menschen erwirkt nicht Gerechtigkeit vor Gott].“ Es war eine bemerkenswerte und scharfsichtig ausgedrückte Beobachtung eines weisen Kirchenvaters, als er sagte: „Jene, die den Gewissenszwang verfechten und zu ihm überreden wollen, haben für gewöhnlich ein eigenes Interesse daran.“
VIERTE ABHANDLUNG:
ÜBER DIE RACHE
Die Rache ist eine Art ungezähmter Justiz, die umso gründlicher vom Gesetz ausgerottet werden sollte, je mehr die Natur des Menschen Zuflucht zu ihr nimmt. Was das vorangegangene Unrecht angeht, so verstößt es gegen das Gesetz, aber die Rache für dieses Unrecht setzt das Recht außer Kraft. Gewisslich steht derjenige, der Rache übt, auf einer Stufe mit seinem Feinde, aber wenn er verzeiht, ist er ihm überlegen, denn die Gnade ist das Vorrecht des Fürsten. Wenn ich mich recht erinnere, sagte Salomo: „Ruhm ist, über böses Tun hinwegzugehen.“ Das Vergangene ist unwiderruflich vorbei, und weise Menschen haben genug mit der Gegenwart und der Zukunft zu tun. Deshalb machen es sich diejenigen selbst schwer, die sich an den Geschehnissen der Vergangenheit abmühen. Niemand verübt ein Unrecht nur um des Unrechtes willen, sondern um sich dadurch Gewinn, Vergnügen, Ehre oder etwas Gleichartiges zu verschaffen. Warum also sollte ich auf einen Menschen wütend sein, weil er sich selbst mehr liebt als mich? Und wenn ein Mensch ein Unrecht tatsächlich nur aus bösem Willen verüben sollte, dann ist er so wie der Dorn oder der Stachel, der kratzt und sticht,