Название | Der Erste Weltkrieg |
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Автор произведения | Daniel Marc Segesser |
Жанр | Документальная литература |
Серия | marixwissen |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843800563 |
2.2. Imperialismus und Mächterivalität – Die globalen Ursachen des Ersten Weltkrieges
Wie bereits in der Einleitung angesprochen, eröffnete die im Verlauf des 19. Jahrhunderts erfolgte Revolutionierung des Transport- und Kommunikationswesens den europäischen Mächten neue Möglichkeiten. Dies galt einerseits im Hinblick auf die Mobilisierung von Menschen und Ressourcen aus den von ihnen beherrschten außereuropäischen Gebieten, andererseits aber auch hinsichtlich der Ausnutzung von Abhängigkeiten, denen außereuropäische Mächte auf Grund der weltweiten wirtschaftlichen aber auch politischen Vernetzung ausgesetzt waren. Vor allem Großbritannien gelang es während des Krieges, seine vor dem Krieg starke Stellung im außereuropäischen Raum – sowohl innerhalb wie außerhalb seines formalen Empires – für sich zu nutzen. Gleichzeitig war es die Aufgabe der Royal Navy, durch die Errichtung einer Blockade dafür zu sorgen, dass der Zugriff der Mittelmächte auf ihre kolonialen Ressourcen sowie der Handel mit außereuropäischen Mächten unmöglich oder zumindest auf ein Minimum reduziert wurde. Dies zeigt deutlich, dass die nicht zuletzt auf der Revolutionierung des Transport- und Kommunikationswesens basierende Entstehung einer Weltgesellschaft im Verlauf des 19. Jahrhunderts für den Ersten Weltkrieg von zentraler Bedeutung war. Immanuel Geiss (1990, 17-26) ist daher zuzustimmen, wenn er die strukturellen Ursachen des Ersten Weltkriegs bis 1815, und teilweise darüber hinaus, zurückverfolgt. An dieser Stelle soll daher der Versuch gemacht werden, einen Überblick über die wichtigsten Aspekte dieser Entwicklung zu geben und diese mit den Aussagen zu verbinden, die im vorangegangenen Kapitel zu den Krieg führenden Mächten gemacht wurden.
Seit dem späten 15. Jahrhundert hatten die europäischen Mächte die Weltmeere beherrscht und damit auch den Welthandel, zumindest soweit er auf den Seeweg angewiesen war, bestimmt. Die bisher primär in geographischen Großräumen – Mittelmeerraum, Ostasien, Südasien – bestehenden Kommunikations- und Austauschprozesse begannen nun mehr und mehr einen globalen Charakter anzunehmen, auch wenn bis weit ins 19. Jahrhundert weite Teile der afrikanischen und asiatischen Landmassen davon nur zum Teil oder gar nicht berührt waren. Letzteres hing damit zusammen, dass die europäischen Mächte sich außerhalb ihres Kontinentes hauptsächlich darauf beschränkten, Stützpunkte für ihre Marine aufzubauen, mit welcher der Seehandel in globaler Dimension kontrolliert werden sollte. Die wichtigsten Seemächte waren dabei zuerst Portugal und Spanien, später Holland und Großbritannien, wo bei sich letzteres gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur globalen Seemacht aufzuschwingen vermochte. Militärisch waren die europäischen Seemächte weitgehend konkurrenzlos, bezüglich des Handels mussten sie es jedoch zulassen, dass sich vor allem in der südostasiatischen Inselwelt auch lokale Unternehmen am lukrativen Seehandel beteiligten. Was die landgestützte Stellung der europäischen Mächte betraf, so war diese vor der Mitte des 19. Jahrhunderts keineswegs unangefochten. Eine Ausnahme bildete dabei einzig Russland, dem seit dem 16. Jahrhundert der Aufbau eines europäisch-asiatischen Großreiches in Gestalt einer traditionellen asiatischen Reichsbildung auf Kosten zentralasiatischer Mächte und Chinas gelang (Fisch 2002, 330). Daneben erwarb einzig Großbritannien in Indien ab Ende des 18. Jahrhunderts ein größeres zusammenhängendes Festlandgebiet. Dieser Prozess wurde jedoch keineswegs von britischen Behörden gesteuert, sondern war vielmehr die Folge lokaler Gegebenheiten und persönlicher Ambitionen von vor Ort ansässigen Angehörigen der britischen East India Company, den so genannten men-on-the-spot. Zu direkten und indirekten Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Mächten kam es in dieser Zeit nicht nur innerhalb sondern auch immer wieder außerhalb Europas. Beispiele dafür sind die Auseinandersetzungen zwischen Spanien und Holland, respektive Spanien und England im 16. und 17. Jahrhundert, die vier holländisch-britischen Seekriege des 18. Jahrhunderts und besonders die Auseinandersetzungen während der so genannten Französischen Kriege von 1792 bis 1815. Dabei ist allerdings zu betonen, dass die Auseinandersetzungen europäischer Mächte außerhalb des eigenen Kontinentes in der Mehrzahl der Fälle auf bestehende Spannungen in Europa oder auf Konflikte zurückzuführen waren, deren Ursache in der sozialen Dynamik in Europa zu suchen war, so beispielsweise der Kriege der europäischen men-on-the-spot in Indien (vgl. 1).
Der Prozess der europäischen Durchdringung der Welt verlief aber keineswegs gradlinig. Die vor 1800 auf dem amerikanischen Kontinent bestehenden Siedlungskolonien gingen nämlich für die europäischen Mächte bis auf wenige Reste (Kanada, Britisch-Honduras, Guyana) am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts verloren. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war primär gekennzeichnet durch Auseinandersetzungen in Europa selbst oder im Nahen Osten (Orientkrisen 1831-41). Erst die Expansion der europäischen Mächte in Afrika und teilweise auch in Asien in den Jahren nach 1870 führte dazu, dass Spannungen außerhalb Europas auf die Mächtekonstellationen in Europa eine größere Wirkung zu haben begannen. Für diese Entwicklung wurden und werden immer wieder Erklärungsmodelle (Imperialismustheorien) entwickelt, die bei aller Unterschiedlichkeit (vgl. Mommsen 1987) zeigen, dass die europäische Expansion sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen lässt. Eine wichtige Rolle spielte mit Sicherheit die im Verlauf des Prozesses der Industrialisierung zunehmende wirtschaftliche und militärische Überlegenheit der europäischen Mächte und die im Zeichen der Nationalstaatsbildung in Europa ab 1850 zunehmende Anzahl von an außereuropäischen Besitzungen oder Einflusssphären interessierten europäischen Staaten. Letzteres führte nicht nur zu neuen Reibungsflächen und Konfliktpunkten. Es hatte auch zur Folge, dass Staaten, die sich bisher mit einer informellen Einflusszone begnügt hatten, nun unter dem Druck der neuen Konkurrenz dazu übergingen, ihre Ansprüche klar zu definieren und die betreffenden Gebiete