Название | Im wilden Balkan |
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Автор произведения | David Urquhart |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | Edition Erdmann |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843800709 |
„Lange Zeit herrschte die größte Einigkeit in der Verbindung; die Direktoren waren uneigennützig, die Korrespondenten diensteifrig und die Arbeiter gelehrig und fleißig. Der Profit der Compagnie nahm täglich zu, von einem Kapital, das mit reißender Schnelligkeit ungeheuer groß geworden war. Jede Bilanz ergab einen Gewinn von sechzig bis hundert Prozent, und alles wurde in richtigen Teilen unter Kapitalisten und Arbeiter verteilt, nach Verhältnis zu Kapital und Arbeit. Die Aktien waren verzehnfacht.“
Die auf diesen Zeitraum beispiellosen Gedeihens folgenden Störungen erklärt Beaujour mit der tadelhaften Unbestimmtheit, die Worte für Sachen nimmt, durch den „übermäßig großen Reichtum“, durch „tumultuarische Versammlungen“, dadurch, dass die Arbeiter den Webstuhl mit der Feder vertauscht hätten, durch die Anmaßungen der Reichen und die Unbotmäßigkeit der unteren, aber noch wohlhabenden Klassen. Für uns wird es im Gegenteil Erstaunen erregen, dass eine solche Korporation so lange und so gedeihlich bestehen konnte ohne eine gerichtliche Behörde, die schon zu Beginn Zwistigkeiten und streitige Interessen hätte schlichten müssen, die in Ermangelung einer solchen Behörde nur durch Gewalt entschieden werden konnten. Die Verletzung eines unverständigen Gesetzes gab Anlass zum Streit, der die Gemeinde in zwei Parteien spaltete. Jahrelang reisten sie mit ungeheuren Kosten nach Konstantinopel, Salonika und Wien, schleppten Zeugen mit und bettelten um gesetzliches Urteil, um das gefällte sofort zu verwerfen, und die Compagnie zerfiel in so viele Teile, wie in der Original-Firma Vereinigungen von Arbeitern enthalten waren. Um diese Zeit geriet die Wiener Bank in den Konkurs, in der ihre Fonds niederlegt waren, und mit diesem Unglück vereinten sich politische Ereignisse, um das Glück Ambelákias zu verdunkeln, dessen Gedeihen, dessen Hoffnung endlich ganz vernichtet wurde durch die Handelsumwälzung, die aus den Spinnereien Englands entstand. Die Türkei hörte nun auf, Deutschland mit Garn zu versorgen, sie wurde sogar für diesen ihren Ausfuhrartikel England zinsbar. Zuletzt kam noch die griechische Revolution. Dieses Ereignis hat zur selben Zeit auch die anderen blühenden Ortschaften von Magnesia, Pelion, Ossa und Olymp in einen Zustand fast völliger Vernichtung gebracht. Selbst auf den gegenüberliegenden Höhen des Olymp, über das Tal Tempe hinüber, ist Rapsána von tausend reichen Häusern, die es vor zehn Jahren besaß, ohne sich der „Verschwendung“ oder des „Tumults“ schuldig gemacht zu haben, auf zehn verwaiste Herde herabgekommen. Beaujours Lobpreisungen sind aber ebenso unverdient wie sein Tadel ungerecht. Er sagt: „Hier entsprangen von Neuem große und freisinnige Gedanken auf einem vor zwanzig Jahren der Sklaverei geweihten Boden; hier erhob sich der alte griechische Charakter in seiner früheren Tatkraft, zwischen den Felsströmen und Höhlen des Pelion (Ossa), mit einem Wort, hier, in einem Winkel der neuen Türkei, wurden alle Talente und Tugenden des alten Griechenlands wiedergeboren.“
Hätte eine alte Handelsstadt, hätte ein passend gelegener Seehafen oder hätte die Hauptstadt einer Provinz, im Besitze von Kapital, Verbindung und Einfluss, ihren Handel und ihren Wohlstand so reißend schnell gehoben, so würde eine solche Stadt mit vollem Rechte als ein Beweis gesunder Regierungsgrundsätze geführt werden, geehrt wegen ihres Gemeingeistes und ihrer Intelligenz. Was sollen wir nun von dem Charakter einer Verwaltung sagen, die ein unbekanntes, schwaches und unbedeutendes Dörfchen zu solcher Höhe des Wohlstandes brachte? Dieses Dörfchen hatte nicht ein einziges Feld in der Nähe, hatte kein eigenes Gewerbe, keine Handelsverbindung, keine vorteilhafte Lage, war nicht in der Nähe von Manufakturen, lag nicht auf dem Weg eines Transithandels, lag weder an einem schiffbaren Fluss noch am Meer, hatte nicht einmal einen Hafen in der Nähe, zu ihm führte kein Weg als ein Ziegenpfad über Abgründe. Sein Gewerbe wurde nicht durch neue Entdeckungen, nicht durch chemische Geheimnisse, nicht durch mechanische Erfindungen gefördert. Das einzige Geheimnis seines Aufblühens bestand in der trefflichen Feststellung der Interessen, in der freien Wahl seiner Beamten, in der unmittelbaren Nachrechnung der Ausgaben und folglich in der Vereinigung der Interessen durch den gemeinsamen Druck der Lasten und in der Vereinigung der Sympathien, was die sanfte Fortwirkung dieses einfachen Mechanismus sicherte. In der Tat, hier könnte die Einbildungskraft sich mit neuen Zusammenstellungen und Wirkungen bereichern, wodurch, der dogmatischen Frivolität des Zeitalters entgehend, sie in die Ursachen eindringen und sie begreifen konnte, wodurch das bewundernswerte Gedeihen und die Verwaltungskunst entstand, welche das Menschengeschlecht in seinen ersten Tagen erreicht zu haben scheint – was die Trümmer von Ninive und Babylon und die Einrichtung einer Speisefolge beweisen.
Ambelákia versorgte das geschäftstüchtige Deutschland nicht durch Vervollkommnung seiner Maschinen, sondern durch den Fleiß der Spindel und des Spinnrockens. Es lehrte Montpellier die Färbekunst, nicht experimentierend vom Katheder herab, sondern weil Färben dort ein Geschäft des Hauses und der Küche war, täglicher Beobachtung in jeder Küche unterworfen. Durch die Einfachheit und die Rechtlichkeit, nicht durch die Wissenschaft seines Systems, hielt es Handelsgesellschaften eine Vorlesung und gab ein in der Handelsgeschichte Europas einzigartiges Beispiel einer durch Kapital und Arbeit verbundenen, geschickt, sparsam und glücklich verwalteten Compagnie, in der Interessen des Fleißes und des Vermögens gleichmäßig vertreten waren. Dennoch aber ist das Verwaltungssystem, worauf dies alles gepfropft ist, sind die hier bestehenden Eigentums-, Besitz- und Erbrechte, die Grundlagen des politischen Baues, den tausend Dörfern Thessaliens und dem ganzen Osmanischen Reich gemeinsam. Hier muss man die Wurzel und die verheißenen künftigen Früchte suchen, deren Keime vorhanden sind, obgleich sie schlummernd im Busen jener ursprünglichen Institution liegen, die im Osten noch nicht durch die Gesetzgebung vertilgt oder durch Parteigeist zertreten sind.
Ambelákia ist indes nicht das einzige Beispiel, wie weit verbündete Handels- und Manufakturunternehmung gedeihen kann. Ayvali ist das asiatische Gegenstück zu dem europäischen Ambelákia.1 Es verdankt seinen Ursprung dem Unternehmungsgeist eines griechischen Priesters, der sich am Schluss des 18. Jahrhunderts einen Firman2 von der Pforte erwirkte. Kaum war dies schlechte Dörfchen der Gewalt des Ortsstatthalters entzogen und damit unmittelbar vom Sultan abhängig geworden, als die Munizipaleinrichtung in aller Reinheit und Kraft auflebte. Landbauern, Handwerker, Handelsleute eilten aus der Umgebung herbei; die Oliven der umliegenden Ebenen wurden in Seife verwandelt und auf eigenen Schiffen im Archipelagos3 verbreitet; der Maroquin4 wetteiferte mit dem von Jannena, die Seide mit der von Zagora5, und schnell wachsender, gleichmäßig verteilter Reichtum und eifrig gesuchte und allgemein verbreitete Belohnungen widerlegten hier wiederum das Pasquill europäischer Gesetze und Ansichten von menschlichem Verstand und Rechtlichkeit. Herr Balbi sagt in seinem Abrégé de Géographie: „Als eine wirkliche Schöpfung des Handels und der Geschäftigkeit war dieser kleine Freistaat schnell eine der ertragsreichsten und bestgeordneten Handelsstädte des osmanischen Asien geworden. Aber seine zahlreichen Manufakturen, seine Gerbereien, seine Ölmühlen, seine schöne Schule, seine Büchersammlung, seine Druckerei, seine schönen Kirchen, seine 3000 Häuser und 35 000 Einwohner sind während des Kriegs des griechischen Wiederauferstehens verschwunden.“1 Das sind die weit verbreiteten und verheerenden Wirkungen einer Revolution, die die Philanthropie hervorbrachte und die Religion heiligte, der die Freiheit zujauchzte und die von der Diplomatie gutgeheißen wurde!
1 Urquhart schönt hier die Beschreibung der Besitzverhältnisse, da die von ihm beschriebenen, scheinbar „guten“ Verhältnisse erst in die Zeit der Reformen des Sultans Mahmuds II. (1808–1839) gehören. Letztere stehen nicht zuletzt auch in enger Verbindung mit dem Niedergang des sogenannten Timar-Systems, das lange Zeit die Basis für die Vergabe des Grundbesitzes war. Bis heute ist in der Türkei eigentlich der Staat oberster Grundherr [Red.].
1 Dazu s. oben, Seite 45, Anm. 2 [Red.].
2 Der größte Teil des Garns wurde aber in den Häusern der umliegenden Bezirke gesponnen und den Ambelakioten zum Färben verkauft.
1 Damit ist der griechische Dorfälteste gemeint [Red.].
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