Reisen unter Osmanen und Griechen. David Urquhart

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Название Reisen unter Osmanen und Griechen
Автор произведения David Urquhart
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Edition Erdmann
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783843803519



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nach Lezini kaum von den Schafwegen zu unterscheiden; überdies führte er über einen dichtbewachsenen Hügel, und nicht ohne uns von Herzen Glück zu wünschen (obgleich uns niemand erwartete), befanden wir uns eine halbe Stunde nach Dunkelwerden am Rande des Moors, aber - das Kloster lag mitten drinnen! Wir waren nun wirklich in Verlegenheit; eine halbe Stunde riefen und schrieen wir, aber nur Schakale antworteten uns. Was sollten wir tun? Wir waren über die Maßen müde, ebenso hungrig und besonders unlustig, eine der Alternativen zu wählen, umzukehren oder ohne Abendbrot uns niederzulegen auf die kalten Felsen zwischen dem Gequake von Myriaden Fröschen, deren unzählbare Stimmen aus dem zwanzig bis dreißig Quadratmeilen weiten Moor erschollen, und zwar so taktmäßig, daß man sie mit Pulsschlägen der Erde hätte vergleichen können. Ich entkleidete mich also, band mein Hemd rund um meinen breitrandigen Strohhut und vertraute mich den Najaden des Moors. Ich hatte mich aber in meiner Schätzung der Entfernung arg verrechnet. Die Nacht war rabenschwarz; durch das Moor führte ein Kanal nach dem Kloster; die Seiten schienen fest, aber wenn ich versuchte, mich daran zu hängen, oder hinauf zu klettern, so versank ich in dem Schlamm oder verstrickte und ritzte mich in die Dornen und das gebrochene Schilf. So wurde ich gezwungen, mich im offenen Kanal zu halten, und das Wasser, das mein Hemd und Hut erreicht hatte, drückte mir nun den Kopf nieder und drang mir in die Ohren. In dieser wahrhaftig nicht beneidenswerten Lage schwamm ich langsam fort, als ich plötzlich sah, denn hören konnte ich gar nichts, daß ein Boot dicht bei mir im Begriff war, mich zu überfahren. Ich schrie auf mit all dem Ausdruck, den ein plötzlicher Schrecken und ein Mundvoll Wasser verleihen. Der Schiffer war nicht um ein Haar weniger erschreckt von dem unmenschlichen Schrei aus dem Wasser und dem Anblick einer weißen, schwimmenden Substanz, gleich einer ungeheuren Wasserlilie, unter welcher Gestalt sich die Leute den Nix oder Moorgeist denken. Er schrie und brüllte, fuhr mit aller Macht davon, stieß gegen das Ufer, taumelte Hals über Kopf und verlor seine Stange. Dann plätscherte er zurück zum Kloster mit der Bank aus dem Boot. Ich konnte nichts tun als ihm nachschwimmen, als ich glücklicherweise auf ein Schilfbündel stieß, mich daran hing, um auszuruhen und so einen Augenblick lang mein Haupt mit der nassen Last aus dem Wasser heben konnte. Da traf mein Ohr der nicht weit entfernte Ruf: „Wer da? Zurück! Sprich, oder ich schieße!“ und erst nach viertelstundenlangen Versicherungen und Erklärungen wurde es mir gestattet, dem Ufer mich zu nähern, wobei ich die oft wiederholte tröstliche Versicherung bekam, daß zwanzig Musketen und ein Neunpfünder voll Kartätschen auf mich gerichtet wären, wovon als Beweis die brennende Lunte diente, die mir gezeigt und geschwungen wurde. So zähneklappernd und zerfetzt ich auch war, konnte ich mich doch nicht enthalten, über diese kriegerische Zurüstung mich lustig zu machen. Endlich hatte ich die Leute überzeugt, daß ich kein Moorgeist wäre, denn sonst hätte ich nicht um ihre Erlaubnis gebeten; daß ich kein Räuber wäre, weil ich sonst nicht so laut geschrieen hätte; und daß ich nur ein nacktes Menschenkind wäre. Da erlaubten sie mir ans Land zu kommen, und nun wurde ich so herzlich aufgenommen, wie niemals sonst in meinem ganzen Leben. Der eine zog seine Schuhe von den Füßen ab und mir an; der zweite seinen Schurz, um mich damit zu gürten; der dritte hüllte mich in seine warme Jacke, und meine Toilette wurde zum unendlichen Vergnügen der ganzen Gesellschaft von den Domherren des ehrwürdigen Abtes besorgt. In diesem Zustand kam ich oder wurde vielmehr getragen nach dem nahen Kloster, während ein Boot abgeschickt wurde, meinen Reisegefährten zu holen. Er und ich haben uns nie über die Entfernung einigen können; er machte nur eine halbe Meile daraus, ich wenigstens anderthalb, und nach meiner Schwimmpartie sollte ich es doch am besten wissen. Die Griechen waren über diese Heldentat sehr erstaunt, die erst einmal vorgekommen war, obgleich Hunderte bei dem Versuch, auf diese Weise den Türken zu entfliehen, umgekommen waren.

      Des Abtes bester Anzug wurde mir gebracht. Eine alte Kalogria oder Nonne, die in schwesterlicher Liebe bei dem Abt lebte, badete mich in warmem Wasser und rieb mich mit Öl ein, da nicht ein Geviertzoll meiner Haut ungeschunden war. Sie krönte ihre sorgsame Aufmerksamkeit durch eine erquickende Schale griechischen Athol Aroge - will heißen Arrak und Honig.

      Lezini ist ein kleines, niedriges Felseneiland im Moor gleichen Namens, das sich von Pétala bis nach Trigardon erstreckt. An einigen Stellen ist es nur durch eine schmale Bucht von der See getrennt und bei Katuna tritt es an die Ufer des Aspropotamos. Es hat das Ansehen einer fruchtbaren Ebene und ist mit schlankem und grünem Schilf bedeckt, dessen Wurzeln sich verbreiten und eine beständig zunehmende Kruste verfaulter Pflanzen zusammenhalten. Diese bilden einen zweiten Boden, der keinen Menschen trägt, aber bei einer Dicke von zwei oder drei Fuß für Boote völlig unbefahrbar ist. Er hängt wenigstens vier oder fünf Fuß über dem eigentlichen Boden, ohne jedoch zu schwimmen, denn die Winterfluten steigen über seine Oberfläche. Kanäle durchschneiden das Moor von der Küste nach Lezini und von dort nach Trigardon, von Trigardon nach der Mündung im Nordwesten. Von da windet sich ein anderer Kanal längs dem nördlichen Ufer und biegt sich nach Lezini zurück. Die Mündung ist unweit Pétala und das Gefälle des Stroms reicht hin, eine Mühle in Bewegung zu setzen, so daß es nach der Bauart der dortigen Mühlen nicht geringer sein kann als acht oder zehn Fuß. Das läßt mich vermuten, ein Durchstich vom Moor nach der See würde wahrscheinlich den größten Teil dieses ungeheuren und schädlichen Morastes in fruchtbare Felder verwandeln. Nebenbei möchte die Senkung des Wassers in diesem Bassin es möglich machen, das Wasser des Achelous hindurchzuführen, wo dieser, wie in einem Teich, die große Erdladung absetzen könnte, die er jetzt in die See hineinschwemmt.4

      Man hat angenommen, das Moor von Lezini sei einer, oder seien die beiden Seen, denen Strabo eine Länge von zwölf Meilen gibt. Zur Bestätigung dieser Annahme wird die Ähnlichkeit des Wortlautes zwischen Kynia und Lezini angeführt, und den Unterschied der Weite schiebt man auf den allmählichen Anwuchs der Küste von der See. Ich bin indes geneigt zu glauben, daß diese Seen weiter gegen Süden lagen und jetzt ein Teil des Festlandes von den Paracheloïtis geworden sind. Strabo zählt nach Süden rechnend so: Hinter Oiniadai kommt Kynia, dann Mylete und Uria und dann die Fischmoore, so daß sie zwischen der nördlichen Mündung bei Oiniadai und der ehemaligen südlichen oder Anatolikón Stoma, jetzt Anatolikó, gelegen haben müssen. Ich bin deshalb der Meinung, daß Lezini ein neu entstandenes Moor ist.

      Soweit ich von der Beschaffenheit des Bodens habe urteilen können, besteht er aus Ton. Die angeschwemmten Niederschläge haben natürlich mehr oder weniger zugenommen, aber ich habe an diesen Küsten unveränderlich bemerkt, daß Tonboden, der an und für sich weder dem Zunehmen noch dem Abnehmen unterworfen ist, jedesmal auf eine Senkung der Küste hindeutet. Nach der klaren Wortfügung Strabos lagen die Moore von Kynia u.s.w. im Süden des Achelous. Dort liegen jetzt keine erheblichen Moore; der Boden ist angeschwemmt und durch natürliches Wachstum höher geworden. Im Norden des Achelous waren keine Moore5, jetzt aber liegt dort ein sehr großes, dessen Boden Ton ist. Leukadia hing früher mit dem Festland zusammen, mittels einer Landenge trockener Erde, über welche die lakedämonischen Galeeren geschleppt wurden. Diese Halbinsel besteht aus Ton und ist jetzt mit Wasser bedeckt. Die römische Pflasterstraße längs der nördlichen Küste des Golfs von Arta läuft über Ton; der Weg wurde damals ganz gewiß nicht unter Wasser erbaut, jetzt steht vier Fuß hoch Wasser darüber. Das alte Ablyzia, dessen Ruinen Phido Kastro genannt werden, ist ganz gewiß nicht im Wasser gebaut, jetzt kann man nur zu Schiff dorthin kommen. Der Eingang in den Meerbusen von Korinth wird bei Strabo auf sieben Stadien angegeben, er ist jetzt zweimal so breit; das Land an beiden Seiten ist niedrig und der Boden ist Ton. Natürlich kann solche Senkung nicht überall sichtbar sein, wo die Küste angeschwemmt ist, und im Gegenteil sind solche Stellen im Vergleich zur Meeresfläche höher geworden.

      Ich bedauerte sehr, daß ich keine Zeit hatte, durch gründlichere Beobachtung diesen Punkt genügend festzuhalten, doch möchte ich, zur Unterstützung der Annahme einer Küstensenkung, noch anführen, wie verhältnismäßig wenig die Deltas des Evenus und Achelous in neuerer Zeit zugenommen haben gegen die entfernteren Perioden; ein Umstand, der schon zu Pausanias’ Zeiten bemerkt wurde, da er versuchte, ihn zu erklären.

      In der höchsten Gegend von Lezini stehen die Trümmer einer venezianischen Festung von ansehnlicher Ausdehnung mit sehr dicken Mauern. Die Insel ist während der Revolution immer ein Zufluchtsort gewesen und ist der einzige jungfräuliche, uneroberte Platz Griechenlands. Als der Pascha von Skodra Akarnanien verheerte, war die Insel mit neunhundert flüchtigen Familien angefüllt. Der junge Pascha und seine Ghegs (Nordalbanesen) brannten