Название | Gustaf Gründgens |
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Автор произведения | Thomas Blubacher |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783894877422 |
Gründgens selbst ist alles andere als unglücklich in Hamburg. An der Wand seines Zimmers bei der Sanitätsratswitwe Else Wiemann in der Bethesdastraße 55 im Stadtteil Borgfelde hängen »alle Janbilder«35, wie er der Mutter glücklich mitteilt, denn bei ihm eingezogen ist der Maler Hans Robert Kurzke36, allgemein Jan gerufen. Gründgens hatte den blonden, blauäugigen, kraftvoll wirkenden Sohn des Hamburger Kriminal-Oberwachtmeisters Paul Kurzke bereits 1924 kennengelernt, vermutlich auf dem Hamburger Künstlerfest CUBICURIA, DIE SELTSAME STADT.37 Die alljährlich zur Faschingszeit im Curiohaus an der Rothenbaumchaussee veranstalteten Künstlerfeste gelten als überregional beachtete Ereignisse des Kulturlebens; seit 1922 bildet eine theatralische Revue deren Höhepunkt. Die aufwendige dekorative Gestaltung der Festsäle übernehmen Schüler der Kunstgewerbeschule, an der Jan Kurzke mit einem Stipendium von 1920 bis 1925 Figuren- und Aktmalerei bei Arthur Illies studiert. Auch Gründgens engagiert sich – und führt sogar zweimal Regie: Im Februar 1925 inszeniert er eine recht freizügige theatralische Revue »in 183 Eruptiv-Bildern aus allen Teilen, Ecken und Schlupfwinkeln der majestätischen Erde«38 mit dem Titel DER SIEBENTE KRATER, ein »tolles Trommelfeuer von Parodie und jazzelnder Verhohnepiepelung«, so der Hamburger Anzeiger, der sich auch über die drei Revuegirls, die »ihre rosenen Brüstchen sehn«39 lassen, wie das Gründgens selbst formuliert, nicht entrüsten mag: »Bißchen doll nackedei wars ja, aber schließlich wollen Ehemänner sich auch mal an fremdem Fleisch ergötzen. Paprika fürs Volk!« Gründgens selbst singt »tolldreiste Couplets«40 und tanzt Stepeinlagen, sein Kollege Paul Kemp tritt, »den nackten Körper braun geschminkt, auf dem Kopf eine schwarze Perücke«41, als Salome auf. Auch das Titelgedicht zu dem Spektakel hat Gründgens beigesteuert: »Ein grünkariertes Pony hüpft im Takt / der Jazzband über laute Treppenstufen; / ein Övelgönner Backfisch tanzt kompakt / mit amourösem Schenkel zwischen seinen Hufen. […].«42 Und 1926 führt er bei NOA TAWA, DAS AUFTAUCHENDE EILAND abermals Regie.
Jan Kurzke am 8. Mai 1925 in Hamburg
© Theatermuseum Düsseldorf
Gustaf Gründgens hatte sich sofort in den gut fünf Jahre jüngeren Jan Kurzke verliebt, so sehr, daß der besessene Schauspieler noch Jahrzehnte später erklärt, »er wäre Logenschließer in Hamburg geworden oder geblieben, wenn er deshalb nur hätte bei Jan bleiben können«43. Vergeblich versucht der sich betont unbürgerlich gebende Kurzke, als überzeugter Marxist Mitglied der KPD, seinen Lebensunterhalt als Kunstmaler zu bestreiten. 1925 stellt er seine Bilder erstmals öffentlich aus, doch nur gelegentlich erhält er »einen Porträtauftrag, der in Hut und Wintermantel bezahlt«44 wird. So teilt er mit Gründgens, der seine Mutter inständig bittet, doch in ihrem Bekanntenkreis Bilder von Jan feilzubieten, dessen Bohemeleben – das Bett allerdings zum Kummer seines Freundes gelegentlich auch mit der einen oder anderen Dame.
Selbst mit Gründgens’ Schwester Marita hatte Jan geflirtet, als die beiden Freunde im Juni 1924 bei Gründgens’ Eltern am Kaiser-Wilhelm-Ring logiert hatten: Gründgens hatte an der Düsseldorfer Freilichtbühne als Droll (also als Puck) in Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM gastiert, alternierend mit Frida Hummel, der Frau des Bühnenbildners Eduard Sturm. Den Zettel hatte der junge Rudolf Platte gegeben, den Flaut der spätere Burgtheater-Direktor Paul Hoffmann. Zudem hatte Gründgens – zum zweiten Mal in seinem Leben – Regie geführt, nämlich bei Theodor Körners 1812 entstandenem Trauerspiel ZRINY, einem »Schinken mit endlosen rhetorischen Jambentiraden«45, so die Düsseldorfer Nachrichten, der den ungarischen Heldenkampf gegen die türkischen Eroberer behandelt. Während Gründgens probiert hatte, waren sich Jan und Marita näher gekommen. »Dann artete das ein bißchen aus – ein Küßchen hier, ein Küßchen da – und eines Tages wollte Gustaf mit Jan in die Stadt gehen, und der sagte, er bliebe zu Hause. Daraufhin brauste Gustaf ab, nach einer Weile kam er zurückgesaust, riß die Tür auf und schmiß ein Buch mitten ins Zimmer und ab«46, wird sich Marita erinnern. Ihr Bruder hatte ihr HERZBLÄTTCHENS ZEITVERTREIB. UNTERHALTUNGEN FÜR KLEINE KNABEN UND MÄDCHEN ZUR HERZENSBILDUNG UND ENTWICKLUNG DER BEGRIFFE47 vor die Füße geworfen …
Streit, Trennung, Wiederfinden und Versöhnung wechseln sich ab. Mal stürzt sich Gründgens in einem allenfalls halb ernst gemeinten Suizidversuch die Treppe im Besenbinderhof hinunter, mal berichtet er den Eltern, die ihn noch immer mit einem monatlichen Zuschuß unterstützen und nicht zuletzt deshalb Rechenschaft über seinen Lebenswandel verlangen: »Ich habe mich mit Jan versöhnt und bin endlich wieder im Gleichgewicht. Er ist nun einmal mein alter ego, mit dem ich in Harmonie leben muß, um schaffen zu können. Dieser Zwist war sogar insofern gut, als er sowohl wie ich und alle die Überzeugung gewinnen müssen, daß pekuniäre Momente in unsrer Freundschaft (wie auch Vater in seinem Brief einmal andeutete) nicht die geringste Rolle spielten. Er hat sich und mir