der erzwungenen Untätigkeit, die ihn von Tag zu Tag unleidlicher drückte, lief an Mansfelds Geiste sein vergangenes Leben, aus Kampf, Enttäuschung und Bitterkeit bestehend, vorüber. In seinem zehnten Lebensjahre hatte es sich begeben, dass er in die Bücher, die ihm gehörten, ein paar französische Andachtsbreviere, eine Befestigungslehre und einen lateinischen Plutarch, neben seinen Namen Peter Ernst Mansfeld den Wahlspruch seines Vaters geschrieben hatte, der ihm überaus wohlgefiel: Force m’est trop. Dies hatte der Hofmeister der Pagen, mit denen er erzogen wurde, gesehen und ihn auf Befehl seines Vaters mit Schlägen so gezüchtigt, dass Blut geflossen war. Es wurde ihm dabei gesagt, dass er der Gewalt sich zu fügen lernen müsse, dass das störrische, unbändige Wesen ihm ausgetrieben werden solle, und als er sich zornig beklagte, ein Fürstensohn dürfe nicht wie ein Knecht behandelt werden, wurde ihm entgegnet, er sei ein Bastard, solle nach dem Willen seines Vaters nicht anders behandelt werden als die Pagen, die im Schlosse dienten, und habe kein Recht, seines Wappens und Wahlspruchs sich zu bedienen. Wenn ihn seitdem ein Gegner mit dem Namen Bastard gehöhnt hatte, überlief ihn jedes Mal dasselbe Gefühl von Scham und ohnmächtiger Wut, das damals seine kindliche Brust fast erdrückt hatte. Hass und unersättliche Rache gegen den Vater durchdrangen ihn, dessen gesundes Alter kalt, zufrieden und würdevoll in seinen Schlössern thronte und der seinen Sohn namenlos, ohne Heimat, Erbe und Ehre zurückließ. Oft sehnte er sich danach, den hochmütigen Greis, dem man sich nur voll Ehrfurcht und unter Bücklingen genähert hatte, aus der Erde herauszuwühlen und öffentlich verletzter Vaterpflicht und unnatürlicher Grausamkeit anzuklagen. Fluch über ihn, der seinen Sohn wie Ismael in die Wüste gestoßen hatte. Noch jetzt musste er oft rühmen hören, wie treu sein Vater als Gouverneur von Luxemburg dem Hause Habsburg gedient und ihnen sogar alle seine Güter hinterlassen habe; ihm schien es nicht rühmenswert, dass er den übermütigen Herren seinen Überfluss vermachte und seinen Sohn ihrer Gnade zu empfehlen sich begnügte. Er hatte es nicht anders gewusst, als dass er im Dienste des Hauses Österreich das Schwert führen müsse, und hatte es getan, so gut er es verstand, tapfer und ohne sein Leben zu schonen; sie dagegen hatten ihn wegen eines fehlgeschlagenen Kriegsunternehmens, woran er sich unschuldig glaubte, kassiert. Zurücksetzungen und Kränkungen aller Art waren ihm zuteil geworden, sodass er sich endlich klargemacht hatte, er als berechtigter Erbansprecher der väterlichen Hinterlassenschaft sei ihnen im Wege. Warum ließ er sich treten von denen, die ihn ausgeplündert hatten? Er konnte leicht anderswo sein Glück finden, ja es waren ihm schon Anträge von evangelischer Seite gemacht worden; dann konnte er vielleicht den Gegnern mit Gewalt nehmen, was sie dem geduldigen Diener vorenthielten. Immer, wenn er die Möglichkeit erwog, zur Union überzugehen, störte ihn die Vorstellung, dass er sich gleichsam als ein Flüchtling und Verschmähter denen anschloss, auf die er als auf Ketzer und Rebellen herabzusehen gewohnt war; dagegen sagte er sich, dass er der Mann sei, ihnen seinen Wert zu erweisen. Das Ergebnis langer Kämpfe war, dass er den Grafen Solms bat, ihn gegen Ehrenwort zu entlassen, damit er den Erzherzog Leopold persönlich auffordern könne, ihn auszulösen, widrigenfalls er zur Union übergehen wolle; weigere sich Leopold, so sei er entschlossen, die Drohung auszuführen. Graf Solms zögerte mit der Antwort; denn er hatte die Meinung, dass das Ehrenwort eines Bastards nicht gelte, und war nahe daran, ihm dies zu verstehen zu geben. Indem er aber Mansfeld in das kluge, reizbare Gesicht sah, das sich rötete und argwöhnisch leidend verzog, weil er des Unschlüssigen Zweifel richtig deutete, besann er sich plötzlich eines anderen, reichte dem Bittenden die Hand und sagte: »Ich habe Euch kämpfen sehen wie einen Edelmann, und als einem solchen gebe ich Euch die Freiheit«, worauf Mansfeld dankte und davonritt.
Von Erzherzog Leopold, der sein erträumtes Reich von Jülich aus zerfließen sah, ohne Geld, weil er selbst keins habe, und mit den spöttischen Worten entlassen, er solle unter Freunden und Verwandten für sich sammeln lassen, kehrte er grollenden Herzens nach Düren zurück. Nicht nur redeten ihm Ansbach, Anhalt und Solms zu, sich nunmehr der Union anzuschließen, sondern Solms schenkte ihm auch die Freiheit, großmütig auf das Lösegeld verzichtend; allein das bestärkte Mansfeld in dem Vorsatz, nur an der Spitze eines Regiments, nicht als Bettler zu den bisherigen Feinden zu kommen. Einige Monate vergingen, die er im Belgischen und Luxemburgischen, werbend und streifend im Dienste des Erzherzogs, zubrachte, immer noch ein Zeichen erwartend, das ihm Anlass gäbe, bei der alten Fahne zu bleiben. Anstatt dessen geriet er in einen Wortwechsel mit Leopold, weil dieser sich weigerte, den Söldnern, die Mansfeld für ihn geworben hatte, den Sold auszuzahlen. Im Vertrauen auf seine, des Erzherzogs, Ehre habe er den Söldnern sein Wort verpfändet, warf ihm Mansfeld vor, worauf der Erzherzog spottete, er sei ja dem Grafen Solms das Lösegeld schuldig geblieben, und derselbe habe das Recht, Mansfelds Namen auf den Schandpfahl zu schlagen. Des Lösegelds solle er ewig eingedenk sein, antwortete Mansfeld kurz, drehte sich um und verließ Leopold, entschlossen, nun ein Ende zu machen. Unter dem Vorwande, einen Futtertransport eskortieren zu müssen, verließ er mit seinem Regiment das Elsaß, wohin er sich zurückgezogen hatte, und führte es dem einstigen Feinde zu. Auf einem freien Felde hielt er eine Ansprache, in der er die Gründe, die ihn bewegten, auseinandersetzte. Er sprach von dem Geiz und der Undankbarkeit des Hauses Habsburg und wie lange er die Tyrannei desselben ertragen habe in der Meinung, es müsse so sein, dass einige Hunger und Durst, Frost und Hitze, Entbehrung und Mangel litten, während andere in Überfluss, Gütern und Titeln schwelgten. Es sei nicht so; das Evangelium der Freiheit sei längst ausgegangen in die Welt, man hätte es ihnen aber vorenthalten. Zur evangelischen Freiheit wolle er von nun an sich halten. Er sei als Fürst geboren und aufgewachsen so gut wie ein Erzherzog, das Haus Habsburg habe ihn seines Landes und seiner Rechte, so wie sie ihres Soldes, beraubt. Er sei jetzt, obwohl ein Fürst, arm, habe aber ein Schwert, mit dem er sich die Welt erkämpfen könne. Dem Schwert und der Freiheit wolle er vertrauen; wie er sie nicht verließe, sollten sie ihm treu bleiben.
Diese und ähnliche Worte sprach er vom Pferde herunter, den Hut in der Hand, zu den Soldaten, die ihm als einem verwegenen und großmütigen, wenn auch mitunter maßlos heftigen Führer im ganzen zugetan waren. Die meisten jubelten ihm zu, umso mehr, als sie größtenteils Protestanten waren; andere gingen einstweilen mit, um sich gelegentlich zu verlieren, wenn ihnen der Wechsel nicht zusagen sollte; nur wenige kehrten aus Anhänglichkeit an die einmal ergriffene Sache oder aus Misstrauen gegen die neue zurück.
12.