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kannst du dir sicher sein«, erwiderte Otto mit Nachdruck.

      »Rico hat da bereits seine eigenen schlechten Erfahrungen gemacht«, ergänzte Oktavian, und Longus legte los:

      »Conschtitutio Criminalisch Carolina Paragraph einhundertschechzschehn, Schodomie: Schtrafe für Unzschucht, scho schie wider die Natur geschieht«, rezitierte Longus offenbar einen zahnlosen Professor, indem er die Lippen zwischen die Zähne presste. »Ferner, wenn ein Mensch mit einem Vieh, Mann mit Mann, Weib mit Weib Unzschucht treiben, haben schie dasch Leben verwirkt, und man scholl schie nach allgemeiner Gewohnheit mit dem Feuer vom Leben zschum Tode richten. Merkt eusch dasch, meine Herren, wenn ihr von eurer Libido übermannt werdet.«

      Alle sechs brachen in schallendes Gelächter aus, sodass der Regens Padre Ferrara, der am Magistertisch zu speisen pflegte, einen bösen Blick in ihre Richtung schickte.

      »Bei uns in der Natio wird halt viel gelacht«, sagte Giacomo schulterzuckend.

      »Was sich hinter den Klostermauern abspielt, bleibt der Justiz ohnehin verborgen, und zudem hat der Papst für die Seinen wohl gesorgt«, ergänzte Oktavian, ein schlaksiger, braun gebrannter Kerl, mit hochgezogenen Augenbrauen in unverkennbarem Lechrainer Dialekt halblaut.

      »… nicht alles am ersten Tag, schließlich will er dereinst das Priesteramt bekleiden«, fügte Giacomo mit gespielter Sorge hinzu.

      »Ad maiora mala vitanda«, entgegnete Oktavian geheimnisvoll.

      Um größeres Übel zu vermeiden? Was meint er damit?, überlegte Otto.

      »Na, dann wird es dich als zukünftigen geistlichen Würdenträger ganz besonders interessieren, was hier im Hintergrund gespielt wird«, wurde Oktavian immer mysteriöser.

      Was hat denn der Papst damit zu tun?, ging ihm durch den Kopf.

      »Ihr seid doch alle hoffentlich gut katholisch?«, fragte Otto und hoffte inständig, dass keiner der neuen Freunde seine Ahnungslosigkeit als Dummheit auslegen würde.

      »Alle katholisch, natürlich! Unser Medicus nur zur Hälfte«, antwortete Giacomo, der sich wichtigtuerisch zu Otto über den Tisch beugte. »Du musst wissen, Otto, dass Oktavians Vater, der Protestant Hans III. Honold von Emmenhausen, Lengenfeld und Bronnen, noch mit Martin Luther persönlich an einem Tisch gesessen hat und immerhin Ohrenzeuge eines wahrhaftigen Furzes des Wittenbergers wurde. Des ach so großen Reformators heißer Darmwind hat seine eigene Einstellung zur katholischen Kirche in einigen wichtigen Belangen maßgeblich verändert. Und so ist er dem Drängen seiner päpstischen Frau erlegen, den Sohn abseits der sich gefährlich verbreitenden protestantischen Düfte zum Studium ins entfernte Italien zu schicken.«

      Der ganze Tisch lachte herzlich über diese Geschichte, die Giacomo offensichtlich nicht das erste Mal zum Besten gab; Oktavian schien eher gelangweilt und gähnte Otto ostentativ an.

      »Am Collegio herrscht allgemein die Ansicht, dass, bevor man sich ganz in den Schoß der Mutter Kirche begibt, das Leben in vollen Zügen und mit all seinen Annehmlichkeiten genossen werden müsste«, meldete sich unversehens Longus zu Wort.

      In diesem Moment kam einer der citramontani mit einer großen Schüssel und klatschte jedem der sechs Tischgenossen einen Schöpflöffel von einer undefinierbaren Masse auf den Teller.

      Es geht wohl nicht ganz spannungslos zu zwischen Ultras und Citras, beobachtete Otto. Dann schritt Padre Ferrara ein.

      »Zwei Stunden beten und nichts zu essen ist ungerecht. Balbetta hat doch angefangen, Rico zu provozieren, das hat jeder gesehen«, protestierte Otto.

      »Mit Rico musst du kein Mitleid haben. Er lässt sich halt nichts gefallen und auf die Suppe kann er heute getrost verzichten.« Oktavian zog die Mundwinkel nach unten und spielte gelangweilt mit seinem Löffel.

      »Im Laufe der Woche wird die Suppe beständig dicker«, konstatierte Longus und stocherte in seinem Teller herum.

      »Alles, was heute übrig bleibt, kommt morgen in leicht veränderter Form wieder auf den Tisch. Am Freitag kann es sein, dass der Löffel stecken bleibt, und am Samstagabend profitieren dann die Schweine von den letzten Resten; Saufraß, du verstehst, Otto!« Longus grunzte und die anderen lachten.

      »Genießbar ist das Essen eigentlich nur sonntags und feiertags, wo auch einmal Pasta, Fleisch oder Knödel auf den Tisch kommen, bevor am Montag ein neuer circulus beginnt«, brachte Giacomo die Sache auf den Punkt.

      Otto ließ sich nicht beeindrucken und löffelte weiter. »Ich weiß nicht, was ihr habt, die Suppe ist gar nicht so schlecht!« Er war so hungrig, dass er an diesem Abend fast alles gegessen hätte.

      Nach dem Abendessen und einem kurzen Besuch in der Krankenstation erklärte Giacomo Otto den weiteren Ablauf des Abends, während sie sich mit den anderen Scholaren in der Klosterkirche zur gemeinsamen Komplet versammelten.

      »Mit den Kuttenbrüdern sind wir, Gott sei Dank, nur zum Teil in den klösterlichen Alltag eingebunden. Da tagsüber Vorlesungen und Verpflichtungen an verschiedenen Orten der Universität anstehen, werden lediglich Laudes und Komplet zusammen mit den Mönchen in der Klosterkirche gebetet.«

      »Ah ja«, gähnte Otto. Er war so müde, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte.

      »Jetzt schlaf dich erst mal aus und gönn deinen geschundenen Füßen ein wenig Ruhe«, riet ihm Giacomo auf dem Weg ins Dormitorium. »Morgen werde ich dir alle anderen Dinge erklären.«

      Otto warf seine Kleider über einen Stuhl, legte sich auf seine Rosshaarmatratze und deckte sich mit dem prall gefüllten Federbett zu. Endlich war er angekommen in der Welt, von der er sich so viel versprochen hatte. Gute Freunde zu finden, würde sehr wichtig sein. Das hatte er schon heute, an seinem ersten Tag, gespürt.

      Sie haben hier irgendein Geheimnis. Der Papst hat für die Seinen wohl gesorgt. Was hat Oktavian damit gemeint? Das Böse würde in Gestalt von nichtsnutzigen Weibern lauern? Seltsam, dieser hilfsbereite Dominikaner, der Tauben füttert und vor dem Teufel warnt. Sterminio heißt doch das Verderben. Otto sinnierte über die Vorkommnisse des Tages und die Begegnung mit dem eigenartigen Pater auf der Piazza, aber noch bevor er sein Abendgebet beginnen konnte, hatte ihn der Schlaf eingeholt.