Der Trost der Philosophie. Boethius

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Название Der Trost der Philosophie
Автор произведения Boethius
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849659899



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alle meine Kräfte: Bedarf es jetzt noch der Ermahnung, tritt die Härte des Schicksals, das gegen mich wütet, nicht genugsam hervor? Erschüttert dich nicht schon der Anblick dieses Ortes? Ist das wohl jene Gelehrtenstube, die du dir als zuverläßlichsten Wohnsitz an unserem Herde selber erwählt hattest, in der du dich so oft bei mir niederließest und das Wissen von menschlichen und göttlichen Dingen mit mir erörtertest? War so meine Haltung, meine Miene, als ich mit dir der Natur Geheimnisse erforschte, als du die Bahnen der Gestirne mit dem Zirkel umschriebest, als du mein Wesen und den ganzen Plan meines Lebens nach dem Musterbilde einer höheren Ordnung formtest? Tragen wir nun solchen Lohn für unsern Gehorsam davon? Und du hast mit eignem Munde Platos Ausspruch bekräftigt; „Glücklich würden die Staaten sein, wenn die Philosophen sie lenkten, oder ihre Lenker sich der Philosophie befleißigten.“ Aus desselben Mannes Munde hast du erklärt, daß es zwingender Grund für die Weisen sei, die Staatsleitung zu ergreifen, damit sie nicht Schurken und Verbrechern das Steuer der Städte überlassen und dadurch den guten Bürgern Unheil und Verderben bereitet werde. Diesem Geheiß bin ich gefolgt, und was ich von dir in abgeschiedener Muße gelernt hatte, habe ich in das Treiben der Staatsverwaltung zu übertragen gesucht. Du und Gott, der dich dem Geiste der Weisen gesellt hat, ihr seid mir Zeugen, daß ich mich zu keinem Amte bequemt habe, als das im gemeinsamen Interesse aller Guten lag. Daher jene schwere unversöhnliche Zwietracht mit den Unredlichen, daher - das danke ich der Freiheit des Gewissens – meine stete Nichtachtung bei den Mächtigen anzustoßen, wenn es galt das Rechte zu wahren. Wie oft bin ich Konigast entgegen getreten, wenn er gegen Schwache jeden Standes seine Angriffe richtete! Wie oft habe ich Trigguilla, den Vorsteher des königlichen Haushaltes, von eingeleiteter, schon fast vollendeter Rechtsverletzung abgehalten! Wie oft habe ich mein Ansehen für die Armen eingesetzt, die immer durch die nie bestrafte Habgier der Barbaren gequält wurden, und habe sie vor Gefahr beschützt! Nie hat mich jemand vom Recht zum Unrecht abgelenkt. Daß die Güter der Untertanen durch Räubereien der Privaten wie durch Steuern des Staates zu Grunde gerichtet wurden, habe ich ebenso, wie die es litten, mit Schmerz empfunden. Als zur Zeit schwerer Hungersnot ein harter, ja unausführbarer Aufkauf befohlen war, der die Provinz Campanien in Mangel gestürzt haben würde, nahm ich im Interesse des allgemeinen Nutzens den Kampf mit dem Präfekten des Prätoriums auf, stritt vor dem Ohr des Königs und setzte es durch, daß die Lieferung nicht eingetrieben wurde. Den Consular Paulinus, dessen Güter die Hunde des Palastes schon mit Hoffnungen und Intrigen verschlangen, habe ich aus ihrem schnappenden Rachen gerettet. Daß den Consul Albinus die Strafe aus der voraus entschiedenen Anklage nicht treffe, habe ich mich dem Haß des Anklägers Cyprianus ausgesetzt. Habe ich so nicht Feindschaft genug auf mich gehäuft? Aber bei den Andern hätte ich wohl sicherer sein sollen, ich, der ich mich bei den Höflingen aus Gerechtigkeitsliebe nie um meiner Sicherheit willen geschont habe.

      Auf wessen Anzeige hin sind wir aber nun gestürzt? Einen Basilius, der längst aus dem königlichen Dienst weggejagt war, hat die Schuldenlast zur Anzeige unseres Namens getrieben. Dem Opilio und Gaudentius war wegen unzähliger verschlagener Betrügereien ein königliches Erkenntnis der Verbannung zugesprochen worden; als sie dann, nicht willens zu gehorchen, sich im Schutz heiliger Gebäude deckten, gab der König, als er dies erfuhr, den Befehl, wenn sie sich nicht innerhalb dieser Zeit aus der Stadt Ravenna entfernten, sollten sie an der Stirne gebrandmarkt und ausgetrieben werden. Glaubt man solcher Strenge noch etwas hinzufügen zu müssen? Doch etwas; an demselben Tage gaben dieselben Leute uns an, und die Anzeige unseres Namens wurde angenommen. Wie also? Haben das unsere Bestrebungen verdient? Oder hat jene die eben erfolgte Verurteilung zu glaubwürdigen Anklägern umgeschaffen? So schämt sich Fortuna nicht nur nicht vor der angeklagten Unschuld, sondern auch nicht vor der Anklagenden Gemeinheit? Aber du fragst nach der Hauptsache, welchen Verbrechens wir angeklagt sind? Wir sollen die Rettung des Senates gewollt haben. Du wünschest zu wissen auf welche Art? Wir werden beschuldigt, den Angeber verhindert zu haben, Beweisstücke auszuliefern, durch die der Senat auf Majestätsbeleidigung angeklagt werden könnte. Wie entscheidest du nun, meine Lehrerin? Sollten wir das Verbrechen leugnen, um dir nicht zur Schande zu gereichen? Ja, ich habe es gewollt und werde niemals aufhören es zu wollen. Sollte ich gestehen? Aber die Bemühung den Angeber zu hindern hat aufgehört. Oder soll ich es ein Unrecht nennen, die Rettung jenes Standes gewünscht zu haben? Freilich, er hat es durch seine Beschlüsse über mich zustande gebracht, daß es jetzt ein Unrecht ist. Doch die sich stets selbst belügende Torheit kann die Verdienste der Tatsachen nicht verwandeln, und ich glaube nach Sokrates Entscheidung, daß es nicht erlaubt sei, weder die Wahrheit zu verhehlen, noch die Lüge zuzulassen. Doch sei es wie es sei, ich überlasse es deinem und aller Weisen Urteil es abzuschätzen. Auch habe ich den wahren Verlauf der Sache, damit er der Nachwelt nicht verborgen bleibe, der Feder und damit dem Gedächtnis vertraut.

      Was soll ich nun von den gefälschten Briefen sagen, in denen ich, wie die Beschuldigung lautet, die römische Freiheit erhofft habe? Der Betrug würde offen zutage liegen, wenn ich mich des Bekenntnisses des Angebers selbst, das doch in allen Rechtssachen die höchste Kraft hat, hätte bedienen dürfen. Denn wo läßt sich noch ein Rest von Freiheit hoffen? O daß er sich doch ließe! Ich hätte mit dem Wort des Canius geantwortet, der, als er von Gajus Caesar, dem Sohn des Germanicus, beschuldigt wurde, Mitwisser einer Verschwörung zu sein, sagte: „Wenn ich darum gewußt hätte, so hättest du es nicht gewußt.“ So hat der Kummer unsere Sinne nicht abgestumpft, daß ich klagte, wenn die Gottlosen Freveltaten gegen die Tugend planen, aber darüber wundere ich mich sehr, daß sie ihr Streben erreicht haben. Denn das Schlechte zu wollen liegt vielleicht in unserer Schwäche, aber daß gerade die Frevler ihre Anschläge gegen die Unschuld unter Gottes Augen ausführen können, das ist etwas Ungeheuerliches. Darum hat einer deiner Vertrauten nicht mit Unrecht gefragt: „Gibt es einen Gott, woher das Übel? Gibt es keinen, woher das Gute“?

      Aber es mag ja nur recht und billig sein, daß die Nichtswürdigen, die nach dem Blute aller Gutgesinnten und des ganzen Senates lechzten, auch unser Verderben, da sie uns als Vorkämpfer der Guten und des Senates sehen, begehrten. Aber haben wir auch dasselbe von den versammelten Vätern verdient? Du erinnerst dich, glaube ich, denn du hast ja gegenwärtig stets selber alles, was ich sagen und tun wollte, gelenkt, du erinnerst dich, sage ich, als zu Verona der König, rachgierig nach dem Untergang aller, die Majestätsanklage gegen Albinus auf den ganzen Senat ausdehnen wollte, wie ich die Unschuld des Senates auf Gefahr meiner eigenen Sicherheit verteidigt habe. Du weißt, daß ich hiermit nur die Wahrheit verkünde und daß ich mich niemals mit Selbstlob gebrüstet habe. Denn das Geheimnis des Gewissens, das sich selber brüstet, vermindert sich gewissermaßen, so oft es durch Sehenlassen der Tat den Lohn des Ruhmes voraus nimmt. Aber welch ein Ausgang unserer Unschuld bereitet ist, siehst du. Statt der Belohnung wahrer Tugend erdulden wir die Strafe eines falschen Verbrechens, und hat wohl je das offene Bekenntnis irgend einer Untat die Richter so einmütig in Strenge gesehen, daß nicht einen der Gedanke an das Irren des menschlichen Geistes oder an das allen Sterblichen ungewisse Schicksalslos günstiggestimmt hätte? Hätte es geheißen, daß wir die heiligen Tempel in Brand stecken, daß wir die heiligen Priester mit dem Schwerte vertilgen, allen Guten den Tod bereiten wollten, so hätte doch nur den Anwesenden, nur den Bekennenden, Überführten der Richterspruch bestrafen dürfen. Nun werden wir aus einer Entfernung von etwa fünfzig Meilen stumm und unverteidigt wegen allzugroßen Eifers für den Senat zu Tod und Ächtung verdammt. O über sie, die es verdienten, daß niemand eines gleichen Verbrechens überwiesen werden könnte!

      Den Wert dieser Beschuldigung sahen auch die Ankläger selbst, und um sie durch Beimischung irgend eines Frevels zu schminken, erlogen sie, daß ich mein Gewissen um Würden zu erschleichen mit einem Sakrileg befleckt habe. Und doch hattest du, die du mir eingepflanzt bist, alle Begier nach irdischen Dingen aus der Stätte unseres Geistes vertrieben, und unter deinen Augen war es nicht möglich, daß für ein Sakrileg ein Platz blieb. Denn du flößtest täglich meinenOhren und Gedanken jenes Pythagoreerwort ein: „Folge dem Gotte“. Und schlecht hätte gepaßt, daß ich, den du zu solcher Auszeichnung erhobst, ihn Gott ähnlich machtest, nach dem Schutz verworfener Geister haschen sollte. Außerdem verteidigen mich die unschuldige Heimlichkeit meines Hauses, der Kreis ehrenhaftester Freunde, ein Schwiegervater, heilig und verehrungswürdig, gleich wie du selbst gegen jeglichen Verdacht eines solchen Verbrechens. Aber o Frevel! Glaubwürdigkeit für ein solches Verbrechen schöpfen sie aus dir, und der Zauberei scheinen wir teilhaft zu sein gerade darum, weil