Sag' mal was. Baden-Württemberg Stiftung

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Название Sag' mal was
Автор произведения Baden-Württemberg Stiftung
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783772001307



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wahrgenommen, begleitet und gestärkt werden“ (Bundesverband der Familienzentren, 2018, S. 2). In der Praxis halten KiFaZe ganz unterschiedliche Bildungs- und Beratungsangebote vor, die sich an den örtlichen Bedingungen und Bedarfen orientieren und sich zumeist an alle Eltern im Sozialraum richten (Cicero Catanese, 2020; Lokhande, 2020).

      Das Land Baden-Württemberg unterstützt seit 2016 den Weiterentwicklungsprozess von Kitas zu KiFaZen über das Landesförderprogramm „Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Kinder- und Familienzentren“. Ziel ist es, Impulse dafür zu setzen, dass landesweit ein flächendeckendes Angebot an KiFaZen entsteht (siehe hierzu den ausführlichen Artikel von Jana Ellwanger, Kap. 1.2). Auch in anderen Bundesländern und im Ausland gibt es Initiativen zur Förderung solcher familien- und sozialraumorientierten Angebote. Hierfür gibt es gute Gründe.

      Was charakterisiert KiFaZe und welche Chancen bieten sie für die Zusammenarbeit mit Familien und dem erweiterten Sozialraum?

      Dass die Familie ein entscheidender Bildungsort für Kinder ist, gilt als unumstritten (vgl. u.a. Minsel, 2007). KiFaZe können durch die Zusammenarbeit mit den Eltern und niederschwellige Angebote einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Familie als Bildungsort zu stärken (vgl. Köper-Jocksch, 2020). Internationale wissenschaftliche Studienbefunde bestätigen, dass parental involvement, also die Einbezogenheit von Eltern, ein Kernelement für Bildungs- und Erziehungsprozesse ist und maßgeblich zur Entwicklung von Kindern beiträgt (vgl. zusammenfassend Jeynes, 2003). In diesem Zusammenhang steht auch die grundlegende Idee, dass Bildungseinrichtungen und Familien im Sinne von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften gemeinsam die Entwicklung der Kinder fördern. Da Bildungs- und Entwicklungsprozesse aber nicht nur in der Bildungseinrichtung und der Familie, sondern auch in anderen sozialen und lebensweltlichen Zusammenhängen stattfinden, gilt es, den Blick zu weiten und eine umfassendere sozialräumliche Perspektive einzunehmen (vgl. Kreuzer, 2020). Dass KiFaZe hierfür Potenziale bieten, zeigt Stefan Faas in seinem Beitrag (Kap. 2.2) (siehe auch Jares, 2016).

      Die Weiterentwicklung von Kitas ist auch eine Reaktion auf gesellschaftliche und demografische Veränderungen, die zu steigendem Bedarf an familienunterstützenden Angeboten führen (vgl. Meyer-Ullrich, Schilling & Stöbe-Blossey, 2008). Exemplarisch genannt werden können die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fehlende familiäre Unterstützung durch die Großfamilie aufgrund gestiegener Mobilität, bestehende Chancenungerechtigkeit, zunehmende Anforderungen und Ansprüche an Erziehung und nicht zuletzt migrationsbedingte Herausforderungen.

      KiFaZe zeichnen sich besonders durch den niederschwelligen Zugang der Angebote, ihre Orientierung an den individuellen Bedürfnissen der Kinder und den Besonderheiten und Gegebenheiten des Sozialraumes sowie durch den Einbezug der Lebenslagen und Bedarfe der gesamten Familie aus. Damit schaffen KiFaZe Orte, an dem Kontakte entstehen können und Austausch stattfindet. Durch eine relativ offene Organisationsstruktur und die freie Gestaltung der Angebote in den KiFaZen wird sowohl Kindern als auch Eltern die Möglichkeit geboten, an der Gestaltung dieser Angebote mitzuwirken – unabhängig von Herkunft, Sprache, Bildung oder sozialem Status (vgl. Köper-Jocksch, 2020). Eine gute Vernetzung im Sozialraum ermöglicht es ihnen darüber hinaus, als „Knotenpunkte“ bzw. „Lotsen“ für Eltern im Stadtteil zu fungieren (Cicero Catanese, 2020, S. 41).

      All dies eröffnet den Einrichtungen viele Chancen für ihre pädagogische Arbeit, es verlangt den dort tätigen Pädagoginnen und Pädagogen aber auch viel ab. So benötigen sie u.a. sehr gute fachliche Kompetenzen und hohe Reflexions- und Kritikfähigkeit, um den oftmals marginalisierten Gruppen angehörenden Eltern eine Beteiligung zu ermöglichen, ohne ihnen etwas aufzudrängen, sie zu vereinnahmen oder sie „mit kleinen Gesten abzuspeisen“ (Amirpur, 2019, S. 75). Die hohen Ansprüche, die insgesamt an KiFaZe gerichtet werden, machen eine entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen sowie ein gut funktionierendes Unterstützungssystem notwendig, das die Entwicklung der Einrichtung auch längerfristig begleiten kann (vgl. nifbe-Expertenrunde, 2015).

      Zusammenfassend lässt sich festhalten: Über die qualitative Weiterentwicklung von Kitas zu KiFaZen ist es möglich, die Familien und den Sozialraum als Bildungsorte zu stärken und zu beteiligen und den Herausforderungen, die gesellschaftliche und demographische Veränderungen mit sich bringen, zu begegnen (für eine detaillierte Beschreibung von KiFaZen siehe den Beitrag von Jana Ellwanger, Kap. 1.2).

      Abbildung 1:

      Im Kinder- und Familienzentrum können sich alle Kinder und Erwachsenen willkommen fühlen

      Welche Potenziale haben KiFaZe in Hinblick auf Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit?

      Die kindliche Sprachentwicklung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sprachgebrauch und der Spracherziehung in der Familie. Das sprachbezogene Handlungswissen sowie die sprachbezogenen Handlungskompetenzen der Eltern und weiterer Bezugspersonen stellen eine wichtige Gelingenskomponente für den kindlichen Spracherwerb dar. Daneben wirken weitere Instanzen sprachlicher Sozialisation auf die frühkindliche Sprachentwicklung ein. Dies sind insbesondere die Einrichtungen des Elementarbereichs. Sie tragen wesentliche Verantwortung für die Sprachbildung und Sprachförderung. Im Interesse der Kinder ist es wünschenswert, dass die Instanzen der sprachlichen Sozialisation – also Kitas bzw. KiFaZe und Familien – zusammenwirken und miteinander verträgliche Ziele verfolgen. Ein solches Zusammenwirken kann über die qualitative Weiterentwicklung von Kitas zu KiFaZen gefördert werden. Gerade in der Zusammenarbeit mit den Familien und dem erweiterten Sozialraum können diese Einrichtungen auch gezielt Mehrsprachigkeit fördern und nutzen.

      1.1.4 Das Programm Sag’ mal was

      Mit dem Programm Sag’ mal was fördert die Baden-Württemberg Stiftung seit dem Jahr 2003 Sprache und Mehrsprachigkeit bereits ab dem Kleinkindalter. Ziel ist es, die sprachliche Bildung und den Spracherwerb von Kindern frühzeitig zu stärken. Eine besondere Wertschätzung erfährt dabei die Mehrsprachigkeit. Von den Projekten im Rahmen von Sag’ mal was profitieren ein- und mehrsprachig aufwachsende Kinder.

      Das Programm ist von Beginn an als „lernendes Programm“ angelegt, in dem – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen aus der Praxis – kontinuierlich neue Initiativen angestoßen und entwickelt werden. Das Programm ist mittlerweile über den ursprünglichen Fokus auf Vorschulkinder hinausgewachsen und bildet die Grundlage für unterschiedliche weitere Projekte wie Sprache macht Spaß, EASI Science-L (Early Steps Into Science and Literacy) oder die Entwicklung des Sprachstandserhebungsverfahrens LiSe‑Daz (Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache) (für Informationen zu diesen Projekten siehe www.sagmalwas-bw.de). Darüber hinaus wurden das Netzwerk Sprache als Plattform für den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis initiiert, ein Newsletter und eine Website (www.sagmalwas-bw.de) eingerichtet, diverse Veranstaltungen durchgeführt und zahlreiche Publikationen veröffentlicht, u.a. die Bücher „Sag’ mal was – Sprachförderung für Vorschulkinder“ (Baden-Württemberg Stiftung, 2011) und „Sag’ mal was – Sprachliche Bildung für Kleinkinder“ (Baden-Württemberg Stiftung, 2014).

      Mit dem Programm Sag’ mal was wurden über die Jahre hinweg wichtige Meilensteine in der Sprachbildung und -förderung in Baden-Württemberg – und darüber hinaus – gesetzt. Hierzu haben viele verschiedene Akteure beigetragen: die Baden-Württemberg Stiftung, das Landesinstitut für Schulentwicklung bzw. das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg als Programmträger, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, Einrichtungsträger und Fortbildungsträger, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und nicht zuletzt die beteiligten Kindertageseinrichtungen und Kinder- und Familienzentren und die dort tätigen Pädagoginnen und Pädagogen.

      1.1.5 Das Projekt Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit in Kinder- und Familienzentren