Sag' mal was. Baden-Württemberg Stiftung

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Название Sag' mal was
Автор произведения Baden-Württemberg Stiftung
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783772001307



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& Schöler, 2008, zusammenfassend Baden-Württemberg Stiftung, 2011). Es ließen sich hierin keine Fördereffekte auf der morphologisch-syntaktischen und auf der semantisch-lexikalischen Ebene feststellen. Kinder, die mit einem spezifischen Programm gefördert wurden, unterschieden sich nicht von solchen mit unspezifischer Förderung. Der Leistungsabstand der Kinder mit Förderbedarf zu den Kindern ohne Förderbedarf verringerte sich zudem nur unerheblich (vgl. dazu aber auch die Diskussion der Evaluationen in Baden-Württemberg Stiftung, 2011).

      Ähnliche Ergebnisse werden auch in Bezug auf das Satzgedächtnis und das phonologische Arbeitsgedächtnis berichtet. Lediglich Kinder mit sehr niedrigem Ausgangsniveau profitierten etwas von der Sprachförderung, Kinder mit mittlerem Ausgangsniveau dagegen nicht (Schwab et al., 2014). Auch Studien aus anderen Bundesländern führten zu analogen Ergebnissen. In der EkoS Studie in Brandenburg ließen sich bspw. für leistungsschwache Kinder keine Interventionseffekte in der Entwicklung des Wortschatzes feststellen. Es gab jedoch einen Aufholeffekt eines bestehenden Rückstandes der Fördergruppe bei der Satzbildung. Bis zum Ende der 1. Klasse fiel die Fördergruppe jedoch in der Dekodierfähigkeit, dem Hörverstehen und dem Selbstkonzept hinter die Kontrollgruppe zurück (Wolf, Felbrich, Stanat & Wendt, 2011).

      Eine Ausnahme findet sich in der Literatur auf Ebene der Phonologie. Der phonologischen Bewusstheit wird eine hohe Bedeutung für den späteren Schriftspracherwerb zugeschrieben. Evaluationen zu Förderprogrammen in Deutschland belegen die Effektivität von Fördermaßnahmen der phonologischen Bewusstheit, besonders für Kinder mit niedrigen phonologischen Fähigkeiten (Jäger et al., 2012). Kurzfristig sind vor allem Auswirkungen auf die phonologische Bewusstheit, langfristig vor allem auf die Rechtschreibleistungen der Kinder zu verzeichnen. Am stärksten sind die Auswirkungen beim Einsatz einer Förderung vor der Einschulung. Allerdings sind die Effekte in Studien aus Deutschland eher niedrig. Studien aus anderen Ländern berichten deutlich stärkere Effekte (Fischer & Pfost, 2015; Wolf, Schroeders & Kriegbaum, 2016). Zu bedenken ist außerdem die Begrenztheit auf einen Teilaspekt von Sprache. Es handelt sich um eine spezifische Förderung einer Vorläuferfähigkeit für die spätere Rechtschreibfähigkeit. Weiter kritisch an Förderprogrammen der phonologischen Bewusstheit ist die Herauslösung der Kinder aus ihrem alltäglichen Handeln im Gruppenkontext durch Schaffung einer künstlichen Fördersituation zu sehen, die auch durch eine bewusste Gestaltung sprachlicher Interaktionen in Alltagssituationen herstellbar wären.

      Nachdem angebotsorientierte Konzepte sich als wenig effektiv herausgestellt hatten, wurde das Prinzip der Alltagsintegration verstärkt fokussiert. Alltagsintegrierte Konzepte befragen Alltagssituationen nach ihrem sprachförderlichen Potenzial. Dieser Ansatz setzt darauf, sprachliche Bildung und Förderung durch gezielte Strategien in Alltagssituationen zu betreiben. Entsprechend steht hier das sprachliche und nicht-sprachliche Interaktionsverhalten der pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern im Vordergrund. Verschiedene Aspekte des Interaktionsverhaltens der Fachkräfte werden dabei diskutiert, von denen hier nur Beispiele dargestellt werden können.

      Cheatham, Jimenez-Silva und Park (2015) beschreiben Feedback-Strategien von pädagogischen Fachkräften als bedeutsam für das sprachliche Lernen von Kindern. Ein Feedback kann bspw. erfolgen, indem die Fachkraft dem Kind eine gezielte Rückmeldung durch korrektes Wiederholen einer Äußerung des Kindes (korrektives Feedback) gibt oder durch gezieltes Nachfragen (Stimulieren) zu weiterem Sprechen anregt. Kannengieser und Tovote (2014) plädieren für ein responsives Interaktionsverhalten der Fachkraft, worunter verstanden wird, situativ in Alltagssituationen die Steuerungsfunktion auf der Gesprächs- und Handlungsebene an das Kind zu übergeben (Redirect). Wichtig sei dabei, nicht nur zu beobachten und abzuwarten, sondern dem Kind zu antworten und ihm zu folgen.

      Weiter wird die Bedeutung von W-Fragen für die sprachliche Entwicklung von Kindern betont, die jedoch nicht unreflektiert angewendet werden, sondern adaptiv an den Entwicklungsstand von Kindern angepasst sein sollen. Eine videobasierte Analyse von Interaktionssituationen zwischen pädagogischer Fachkraft und Kind in Fördersituationen stellt nur eine geringe Adaptivität der Fachkräfte in Bezug auf die Verwendung von W-Fragen fest. Die Fachkräfte gaben zwar an, die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu beobachten, sie konnten jedoch keine Förderziele zu videographierten Sprachfördereinheiten benennen und verwendeten entsprechend überwiegend das Kind unter- oder überfordernde W-Fragen (Müller, Geyer & Smits, 2016). Ähnlich stellen auch Hormann und Skowronek (2019) keine Zusammenhänge des Einsatzes von geschlossenen und Ergänzungsfragen der Fachkräfte mit dem durchschnittlichen Kompetenzstand der Kinder fest.

      In den vergangenen Jahren sind vermehrt Studien erschienen, die sich mit der Wirksamkeit alltagsintegrierter Konzepte befassen. Simon und Sachse (2013) berichten bspw. positive Effekte einer videogestützten Weiterbildungsmaßnahme zum Interaktionsverhalten pädagogischer Fachkräfte in der allgemeinen Sprechfreude, höheren Kommunikationsanteilen und der Produktion längerer sprachlicher Äußerungen auf Seiten der Kinder. Im Bereich der sprachlichen Leistungen ergaben sich nur signifikante Effekte bei den semantischen Fähigkeiten und in der Entwicklung des Wortschatzes für sprachlich besonders schwache Kinder, keine Effekte dagegen im syntaktisch-morphologischen Bereich. Neben einzelnen Studien zur alltagsintegrierten Sprachförderung liegt auch eine narrative Metaanalyse vor, die Effekte einer alltagsintegrierten Sprachförderung mit Effekten einer additiven Förderung vergleicht. Für die Metaanalyse wurden kriteriengeleitet 23 Studien identifiziert, die sich für den Vergleich eigneten. Acht davon waren alltagsintegrierende, 14 additive Maßnahmen. Die Autorinnen kommen zum Schluss, dass alltagsintegrierende Sprachförderansätze erfolgversprechend sind, insbesondere im Krippenalter (Egert & Hopf, 2016). Derzeit setzen pädagogische Fachkräfte Sprachförderstrategien allerdings am stärksten in Bilderbuchsituationen ein, weniger in anderen Alltagssituationen (Beckerle et al., 2018).

      2.1.3 Mehrsprachigkeit in der Kita

      Vor dem Hintergrund einer Debatte um ungleiche Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund wurden unzureichende Kenntnisse der Instruktionssprache Deutsch im schulischen Bereich als Ursache diskutiert (Bos et al., 2003). Als Reaktion darauf wurden Sprachförderprogramme und Maßnahmen in den Bundesländern aufgelegt, die auf eine Verbesserung der Instruktionssprache Deutsch zielten (Lisker, 2011). Zur spezifischen Wirkung dieser Programme für mehrsprachig aufwachsende Kinder liegen zwischenzeitlich Evaluationen vor.

      Eine Studie von Pröscholdt und Kolleginnen und Kollegen (2013) befasst sich mit der Frage, ob eine Kombination aus einem Sprachförderprogramm für Kinder mit Migrationshintergrund mit einem phonologischem Bewusstheitstraining sinnvoller ist, wenn beide Programme sukzessiv oder wenn sie fusioniert durchgeführt werden. Für die Entwicklung der phonologischen Kompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund spielte es keine Rolle, ob die Programme sukzessiv oder fusioniert durchgeführt wurden. Spezifische Effekte für Kinder mit Migrationshintergrund im Bereich „Morphologische Regelbildung“ und „Satzverständnis“ konnten nicht nachgewiesen werden. Auch die Überprüfung des Programms Deutsch für den Schulstart in Vorlaufkursen in Hessen kann die Effektivität von angebotsorientierten Förderprogrammen für mehrsprachig aufwachsende Kinder nicht bestätigen (Sachse, Budde, Rinker & Groth, 2012). Es ließen sich keine Unterschiede in der Wortschatzentwicklung sowie im Verstehen syntaktischer Strukturen der von geschulten Lehrkräften geförderten Kinder zur Kontrollgruppe feststellen. Am Ende der ersten Klasse gab es weiter keine Unterschiede in einem Test der Lesegeschwindigkeit und des Rechtschreibens, ebenso nicht in der Einschätzung der Lehrkräfte.

      Die angebotsorientierte Förderung erscheint demnach auch für mehrsprachig aufwachsende Kinder nicht effektiv zu sein. Auch für die Idee einer angebotsorientierten Förderung in der Familiensprache der Kinder konnten keine positiven Effekte nachgewiesen werden, weder in der Familiensprache, noch in der Instruktionssprache (Souvignier, Duzy, Glück, Pröscholdt & Schneider, 2012). Daher liegt auch für mehrsprachig aufwachsende Kinder der Fokus heute auf alltagsintegrierten Konzepten, z. B. dem aus den Niederlanden stammenden Sprachförderkonzept Language Route. Hierfür ist eine Schulung erforderlich, die auf eine Verbesserung des Interaktionsverhaltens von Erzieherinnen setzt. In einer Evaluation waren signifikante Verbesserungen der Interventionsgruppe im Wortschatz und den semantisch-lexikalischen Fähigkeiten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Förderung