Название | Sigurd 3: Im Auftrag des Königs |
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Автор произведения | Thomas Knip |
Жанр | Языкознание |
Серия | Sigurd |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783863053017 |
Zu dieser frühen Stunde spannte ein alter Fischer seine Netze am Ufer des Stroms auf. Unweit von ihm war ein kleiner Kahn vertäut.
Gubo ritt auf den Mann zu und stieg ab. »Heda, Alter!«, richtete er sich an ihn. »Setz uns an das andere Ufer über. Es soll dein Schaden nicht sein.«
Der Alte besah sich die Ankömmlinge und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Herr. Aber wenn Ihr nach drüben wollt, müsst Ihr noch einige Stunden warten. Es ist jetzt die Zeit der Strömung … das Boot würde sofort aufs Meer hinausgetrieben.«
Gubo winkte ab. »Wir haben keine Zeit! Lass uns ins Boot, wir sind in Eile!«
Bedauernd schüttelte der alte Fischer den Kopf. »Glaubt mir, Ihr seid verloren, wenn …«
»Gubo! Dort kommen Verfolger!«, rief plötzlich Benno, der Mann mit der Augenklappe.
Alle Blicke richteten sich zum Horizont. Inmitten einer aufgewirbelten Staubwolke waren mehrere Reiter zu sehen, die rasch näher kamen. Gubo fluchte. Er konnte von hier aus nicht abschätzen, wie viele Mann es waren, die Graf Gebhardt auf ihn angesetzt hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als schnell zu handeln.
»Genug geredet!«, brachte er hervor. Er versetzte dem Fischer einen wuchtigen Kinnhaken, der den Mann zu Boden schickte. Die Mädchen schrien auf. Der Abenteurer überging es und wandte sich an seine Männer. »Vorwärts, bringt die beiden Frauen ins Boot!«
Seine Kumpane taten, wie ihnen geheißen, und binnen weniger Minuten konnten sie das Boot mit den Händen vom Ufer abstoßen und auf den Strom hinaustreiben. Einer von ihnen setzte das Segel, und der kleine Kahn gewann schnell an Fahrt.
Gubo warf einen Blick zurück zum Ufer und erkannte nun einen seiner Verfolger, dessen blondes Haar mit der dunklen Locke ihm nur allzu gut in Erinnerung geblieben war. Triumphierend lachte er auf und winkte ihm zu. »Du kommst zu spät. Lebe wohl!«
*
Ohnmächtig sah Sigurd dem Boot nach, das auf dem Fluss entkam. Es waren nur wenige Augenblicke gewesen, die sie von den Schurken getrennt hatten! Er riss sein Schwert drohend in die Höhe, ließ es jedoch sinken, als er einsehen musste, dass Gubo ihm entkommen war.
»Solch ein Pech!«, stieß er aus und steckte die Waffe weg. »Sie sind uns im letzten Augenblick entwischt!«
»Ärgere dich nicht«, meinte Cassim neben ihm. »Wir werden sie schon noch bekommen. Aber … ich will mich mal um den alten Mann kümmern!«
Der Junge sprang vom Pferd und eilte auf den Fischer zu, der benommen am Boden lag. Cassim stützte ihn und lehnte ihn gegen einen Pfosten, an dem die Netze aufgespannt waren. Er nahm seine Trinkflasche vom Gürtel und reichte sie dem Alten.
»Trinkt erst einmal«, bat er den Mann, der noch immer nicht vollends bei Besinnung war.
»Habt Dank …«, brachte der Fischer hervor und griff nach dem Lederbeutel. Er setzte ihn an und nahm ein, zwei hastige Züge. Dann stöhnte er und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Es geht mir schon besser … oh, diese Schurken!«
Sigurd und Bodo waren inzwischen abgestiegen und halfen dem Fischer auf die Beine. Er dankte mit schwacher Stimme und blickte über den Strom. Das Boot war in der Ferne nur noch als kleiner Punkt auszumachen.
»Sie werden nie das andere Ufer erreichen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit ist die Strömung zu stark. Sie wird sie mit aufs Meer hinausnehmen, und das Boot wird an den Klippen der Dämoneninsel zerschellen!«
Sigurd horchte auf.
»Was sagst du da? Das Boot wird zerschellen? Das darf nicht geschehen!« Er wagte gar nicht erst nachzufragen, was der alte Fischer mit der ›Dämoneninsel‹ meinte. »Gibt es denn keinen Weg, um die beiden Mädchen zu retten?«
Der Fischer presste die Lippen aufeinander und senkte den Kopf. »Schon viele haben sich zur Zeit der Strömung auf das Meer gewagt«, setzte er an. »Keiner kehrte zurück.« Er sah auf und blickte Sigurd an. »Alles, was ich Euch anbieten kann, ist, Euch in einigen Stunden zur Insel der Dämonen zu segeln …«
*
Inzwischen wurde das von Gubo gesteuerte Boot von der Strömung erfasst. So sehr sich der Schurke auch gegen das Ruder lehnte, wollte es seinen Befehlen nicht mehr folgen, sondern wurde vom Sog der Wellen mit sich gezogen.
»Alle Teufel!«, fluchte der Abenteurer. »Der Alte hat wahr gesprochen. Das Boot gehorcht dem Steuer nicht mehr.«
Er forderte seine Männer auf, ihm zu helfen, doch selbst mit vereinten Kräften gelang es ihnen nicht, das Boot wieder zum Ufer hin zu steuern. Ohnmächtig mussten sie zusehen, wie es immer weiter aufs Meer hinaustrieb.
Gubo sah die angsterfüllten Blicke der beiden Frauen, die geknebelt auf Deck lagen. Er vermied es, ihren Blick zu erwidern, sondern sah sich von einer Unruhe erfüllt um. Schließlich entdeckte er die beiden Ruder, die unter die Planken geklemmt waren, und rief seine Männer herbei. Die Spießgesellen zogen sie hervor und tauchten sie ins Wasser.
»Rudert, Leute! Rudert!«, befahl er ihnen. »Es geht um unser Leben!«
Immer wieder sah er die Felsen der Brandung bei einem Wellengang aus dem Wasser ragen. Jeden Augenblick konnte das kleine Boot an einem von ihnen zerschellen. Und selbst wenn sie den gefahrvollen Klippen entkamen, so hatten sie doch kaum genug Proviant an Bord, um mehr als einen Tag auf hoher See zu überstehen.
Resigniert sackte Endres, einer seiner Begleiter, auf der Ruderbank förmlich in sich zusammen. Seine Brust hob und senkte sich von der Anstrengung der letzten Minuten. »Es hat keinen Zweck«, keuchte er. »Gegen diesen Strom sind wir machtlos …«
Gubo wollte ihn anfahren und ihm befehlen, sich weiter ins Zeug zu legen. Doch ein Blick über die Schulter machte auch ihm bewusst, dass sie den Unbilden der Wellen ausgeliefert waren. So blieb den Männern nichts anderes übrig, als tatenlos mitanzusehen, wie das Boot erbarmungslos auf eine abgelegene Insel zugetrieben wurde.
Der Abenteurer hatte Seefahrer in Tavernen ehrfurchtsvoll von ihr sprechen hören, wobei er ihre Erzählung stets als Seemannsgarn abgetan hatte. Doch unter Kapitänen galt die Insel als berüchtigt. Niemals sollte ein Mensch, der das Innere betreten hatte, von dort zurückgekehrt sein. Der Sage nach trieben auf der Insel böse Geister ihr Unwesen.
Böse Geister …
Humorlos lachte Gubo auf. Viel mehr fürchtete er die Bedrohung durch die steil aufragenden Felsen der Küste, die es unmöglich zu machen schienen, ungefährdet an Land zu gehen. Das Wasser brauste auf, und das Rauschen der Wellen übertönte die Worte der Menschen an Bord. Gischt spitzte über sie hinweg und durchnässte ihre Kleidung.
Nun war das Boot vollends ihrer Kontrolle entglitten. Es taumelte und torkelte führungslos über die Wellenkämme und trieb mit jedem Wellenschlag näher auf das steinige Ufer zu.
»Wir laufen auf!«, rief Gubo und sah in die furchterfüllten Gesichter seiner Männer. Dann fiel sein Blick auf die beiden Mädchen, die sich in ihren Fesseln wanden. Kurz entschlossen ging er auf sie zu und schnitt die Seile durch. Gefesselt fänden sie den sicheren Tod, und dann wäre jede Hoffnung auf ein Lösegeld endgültig zunichte …
»Haltet euch fest!«, forderte er Dagmar und Bettina auf. »Vielleicht können wir uns an Land retten!«
Er sah nach vorne über den Bug hinweg. Das Boot steuerte auf einen Felsen zu, der nur flach aus dem Wasser ragte. Gubo schürzte die Lippen. Mehr als die Hoffnung blieb ihm nicht …
Nur einen Augenblick später lief das Boot auf dem Felsen auf. Der Rumpf wurde in die Höhe gehoben, und der Mast zerbarst wie ein morscher Ast. Stimmen schrien auf und riefen um Hilfe.