Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Название Deutsche Geschichte
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783962817725



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eine sehr alte Re­gel, de­ren sich schon Her­mann im Kamp­fe ge­gen die Rö­mer be­dient ha­ben soll. In ei­ner ih­rer be­rühm­ten Schlach­ten ga­ben die Dith­mar­scher die Lo­sung aus: Scho­net den Kerl, schla­get das Pferd! Als sie aber des Sie­ges si­cher wa­ren, er­schlu­gen sie um­ge­kehrt den Mann und er­hiel­ten sich sein kost­ba­res Tier.

      Eine vor­bild­li­che Rit­ter­schlacht war die Schlacht bei Wor­rin­gen in der Nähe von Köln, die we­gen der vie­len ed­len Na­men, die dar­in glänz­ten, die Zeit­ge­nos­sen zu aus­führ­li­chen Schil­de­run­gen ge­reizt ha­ben mag. Sie ent­stand im Streit um die Nach­fol­ge im Her­zog­tum Lim­burg, auf wel­che ei­ner­seits Graf Adolf von Berg, an­de­rer­seits Graf Rai­nold von Gel­dern An­spruch er­ho­ben. Zu­grun­de lag ei­gent­lich der Wett­be­werb des Erz­bi­schofs von Köln und des Her­zogs von Bra­bant um die Herr­schaft am Nie­der­rhein. Um den Erz­bi­schof, einen Gra­fen von Wes­tern­burg, grup­pier­ten sich Graf Rai­nold von Gel­dern, Graf Hein­rich von Lüt­zel­burg, Graf Adolf von Nassau und die vom Erz­bi­schof ab­hän­gi­ge Stadt Soest; um den Her­zog von Bra­bant der Graf von Berg, Graf Si­mon von Te­klen­burg, die Her­ren von Wal­deck, von Vir­ne­burg, von Rei­fer­stein und die Stadt Köln, die her­kömm­li­cher­wei­se ih­rem Erz­bi­schof den Ge­gen­part hielt. Es war eine au­ßer­or­dent­lich blu­ti­ge Schlacht, in der über tau­send Rit­ter fie­len. Es fiel der Graf von Wes­tern­burg, Bru­der des Erz­bi­schofs, es fiel Graf Hein­rich von Lüt­zel­burg, der Va­ter des spä­te­ren Kai­sers, als er sei­nen per­sön­li­chen Feind, den Her­zog von Bra­bant, an­rann­te und be­reits vom Pfer­de zu rei­ßen im Be­griff war; ein Rit­ter ret­te­te den Fal­len­den, in­dem er dem Lu­xem­bur­ger den Speer un­ter die Rüs­tung stieß. »Un­glück­li­cher!« so rief der Bra­ban­ter sei­nem Ret­ter zu, »was hast du ge­tan! Du hast den tap­fers­ten Rit­ter ge­tö­tet, der ver­dient hät­te, ewig zu le­ben.« Ein Herr von Born sah sei­ne Söh­ne teils fal­len, teils ge­fan­gen wer­den, kämpf­te aber wei­ter, bis ihm der Arm zer­schla­gen wur­de. Der von Fal­ken­burg, der als der schöns­te Mann sei­ner Zeit galt, fiel, und Adolf von Nassau, der spä­te­re Kai­ser, wur­de ge­fan­gen. Als er vor den Her­zog von Bra­bant ge­führt wur­de und die­ser ihn frag­te, wer er sei, ant­wor­te­te er: »Ich bin Adolf von Nassau, zwar nit ein großer Herr, aber der be­gehrt, große Sa­chen zu voll­brin­gen.« Um sei­ne Ach­tung so ho­hen Sin­nes zu be­wei­sen, ließ ihn der Her­zog ohne Lö­se­geld frei. Die Her­ren wett­ei­fer­ten in der Ent­fal­tung ed­ler Rit­ter­lich­keit: sie wa­ren Fein­de, hass­ten sich, tö­te­ten sich, gönn­ten sich nichts, aber sie fühl­ten sich als die Eben­bür­ti­gen, ver­bun­den durch die glei­che Kul­tur und die glei­chen An­schau­un­gen von Ehre und Rit­ter­pflicht. Al­ler­dings wenn die Sage über­lie­fert, der Erz­bi­schof von Köln habe sei­nen Geg­ner, den Gra­fen von Berg, als es ihm nach der Schlacht ge­lun­gen sei, ihn zu fan­gen, mit Ho­nig be­stri­chen in einen Kä­fig ge­sperrt und den Bie­nen preis­ge­ge­ben, so wird man an al­len den aus­schmücken­den Schnör­keln irre. Wech­sel­ten wirk­lich Züge ab­ge­feim­ter Grau­sam­keit mit sol­chen der Groß­mut ab? Oder kam es bei der Schil­de­rung von Be­ge­ben­hei­ten nicht nur auf treue Wie­der­ga­be an, wie man ja auch von den Bil­dern von Per­so­nen nur ver­lang­te, dass sie schön oder ein­drucks­voll, nicht aber, dass sie ähn­lich sei­en. Auf den Cha­rak­ter des Kamp­fes und der Kämp­fen­den im All­ge­mei­nen kann man in­des­sen doch aus den zeit­ge­nös­si­schen Be­rich­ten schlie­ßen. Ob­wohl nun die Schlacht bei Wor­rin­gen, die im Jah­re 1288 ge­schla­gen wur­de, durch­aus eine Tur­nier­schlacht war, so ga­ben doch, das ist be­mer­kens­wert, die nie­der­rhei­ni­schen Bau­ern des Gra­fen von Berg und das Fuß­volk der Stadt Köln, das den Fah­nen­wa­gen des Erz­bi­schofs er­ober­te, den Aus­schlag.

      In der Ent­schei­dungs­schlacht bei Dürn­krut, durch wel­che Ös­ter­reich an das Haus Habs­burg fiel, hat­te Ot­to­kar von Böh­men die grö­ße­re Zahl ver­deck­ter Ros­se, so nann­te man die ge­har­nisch­ten, und glaub­te des­halb Aus­sicht auf den Sieg zu ha­ben. Dass Ru­dolf ihn da­von­trug, soll er ers­tens den Un­garn und ih­rer leich­ten Rei­te­rei ver­dankt ha­ben, so­dann ei­ner neu­en An­ord­nung, die er sich selbst aus­ge­dacht zu ha­ben scheint. Er son­der­te näm­lich 50 schwer ge­har­nisch­te Rit­ter aus, die an­fäng­lich ab­seits zu blei­ben hat­ten, um erst im spä­te­ren Ver­lauf der Schlacht, wenn sich die Lage etwa ver­schlech­ter­te, ein­zu­grei­fen. Die Zu­mu­tung, sich nicht so­fort zu be­tei­li­gen, kam den Rit­tern so un­er­hört vor, dass sie sich erst auf den stren­gen Be­fehl des Kö­nigs hin her­beilie­ßen, die Füh­rung die­ser Not­schar zu über­neh­men. Doch un­ter­lie­ßen sie es nicht, bei den an­de­ren Her­ren um­her­zu­ge­hen und ihr Ver­hal­ten zu er­klä­ren und zu ent­schul­di­gen.

      Die Schlacht bei Göll­heim am Fuße des Don­ners­ber­ges, durch die Adolf von Nassau und Al­brecht von Habs­burg den Streit um das Reich aus­mach­ten, war eine aus­ge­spro­che­ne Rit­ter­schlacht. Das Mit­tel­tref­fen führ­ten auf bei­den Sei­ten die Kö­ni­ge selbst an, Adolf von Nassau im gol­de­nen Har­nisch, vor bei­den weh­te die Reichs­sturm­fah­ne. Wie in der Schlacht bei Wor­rin­gen die per­sön­li­chen Fein­de sich such­ten, so hier die bei­den Kö­ni­ge; Al­brecht wur­de spä­ter be­schul­digt, sei­nen Herrn, denn er hat­te an­fangs den recht­mä­ßig ge­wähl­ten Adolf an­er­kannt, mit ei­ge­ner Hand ge­tö­tet und da­mit eine un­er­hör­te Fre­vel­tat be­gan­gen zu ha­ben. Man­chen moch­te es als ge­rech­te Ver­gel­tung er­schei­nen, dass er selbst zehn Jah­re spä­ter durch Mör­der­hand fiel. Wäh­rend in der Schlacht nur hun­dert Kämp­fer ge­fal­len sein sol­len, wur­den über 20 000 Pfer­de ge­tö­tet. Wenn da­durch der Vor­zug des Be­rit­ten­seins als trü­ge­risch, min­des­tens als zwei­fel­haft er­wie­sen wur­de, so zeig­te sich vollends, dass der Har­nisch, der den Mann schüt­zen soll­te, ihm viel­mehr zum Ver­häng­nis wer­den konn­te. Es war ein hei­ßer Som­mer­tag; auf bei­den Sei­ten kam es vor, dass Rit­ter in ih­rer Rüs­tung er­stick­ten. Lan­ge sah man ein Ross über das Schlacht­feld ja­gen, den to­ten Herrn von Och­sen­stein aus ei­nem den Habs­bur­gern treu er­ge­be­nen el­säs­si­schen Ge­schlecht auf­recht in an­ge­schnall­ter Rüs­tung auf dem Rücken tra­gend. Wie Sau­ri­er mu­ten die­se Rit­ter an, de­nen die Schup­pen und die le­der­ne Haut und das Rie­sen­ge­biss selbst, alle die Waf­fen, mit de­nen die Na­tur sie aus­stat­te­te, zu­letzt an­statt ih­nen zu hel­fen, ihr Ver­der­ben be­schleu­nig­ten, be­son­ders als be­hän­de­re Tie­re den Kampf mit den all­zu schwer ge­rüs­te­ten Un­ge­tü­men wag­ten. Noch wur­den aus der Er­fah­rung kei­ne Schlüs­se ge­zo­gen. Her­zog Leo­pold zwei­fel­te im Jah­re 1315 nicht, dass er mit der Men­ge sei­ner ge­schul­ten und ge­rüs­te­ten Krie­ger die Bau­ern von Schwyz und Uri leicht wür­de er­drücken kön­nen. Am Ende des Jahr­hun­derts zog ein an­de­rer Her­zog Leo­pold mit ei­nem großen Rit­ter­hee­re ge­gen Lu­zern, das mit den Wald­stät­ten ver­bün­det die ös­ter­rei­chi­sche Land­stadt Sem­pach an sich ge­zo­gen hat­te, um das Erbe der Vä­ter zu­rück­zu­ge­win­nen. Bei Sem­pach kam es zu der furcht­ba­ren Schlacht, in der die Blü­te des schwä­bi­schen, ober­rhei­ni­schen und el­säs­si­schen Adels fiel. Wie­der war es ein hei­ßer Ju­li­tag, und man­cher er­stick­te im Har­nisch. Wie­der ent­fal­te­te sich in­mit­ten des Un­ter­gan­ges der stol­ze Sinn der Her­ren, wie der Chro­nist mit sicht­li­cher Vor­lie­be auf­ge­zeich­net hat. »O ret­te Ös­ter­reich, ret­te!« rief der Her­zog, und die Ge­treu­en folg­ten sei­nem Rufe, ohne das Ver­der­ben auf­hal­ten zu kön­nen. Leo­pold focht als ein Leu, so heißt es, und ver­schmäh­te die Flucht, in­dem er sag­te, er wol­le lie­ber ster­ben mit Ehre, als un­ehr­bar­lich le­ben