Sklaven der Germanen Angehörige unterworfener Völker waren, als Fremde niederer Art geringgeschätzt. Alle germanischen Stämme außer den Friesen unterschieden einen Adel, Freie von verschiedener Abstufung und Hörige, die gleichfalls in verschiedener Beziehung zu ihren Herren standen. Der Adel war durch das doppelte Wergeld der Freien ausgezeichnet, übrigens standen die Rechte der Freizügigkeit, Schildbürtigkeit, das Fehderecht, das Recht echtes Eigentum zu besitzen, das Recht nur von seinesgleichen gerichtet zu werden, dem freien Manne ebenso wie dem Adligen zu. Der Ursprung des Adels verliert sich im Dunkel der Anfänge; vielleicht entstand er dadurch, dass gewisse Familien, die sich im Kriege, im öffentlichen Leben und etwa auch durch Schönheit auszeichneten, mit den Göttern verknüpft gedacht wurden. Es ist auffallend, wie die Geschichtsschreiber die Schönheit der Personen, von denen sie erzählen, ausführlich beschreiben; besonders von den Kaisern wird der hohe Wuchs, die edle Haltung, das blonde Gelock, der feurige Blick gerühmt, augenscheinlich nicht nur als etwas dem Auge Wohlgefälliges, sondern auch als Wahrzeichen edler Geburt. Von Otto IV., der sich durch geistige Gaben nicht hervortat, wurde angenommen, dass er die fürstlichen Wähler durch seine schöne große Gestalt bestochen habe. Auch an den Mönchen wurde Schönheit als etwas Preiswürdiges hervorgehoben, und mit Staunen wurde vermerkt, wenn gerade im unansehnlichen oder entstellten Körper ein hoher Geist wohnte, wie das bei Hermannus Kontraktus, bei Walafried Strabo in so hohem Maße der Fall war. Noch jetzt finden sich in Niedersachsen hochgewachsene Menschen mit lichtem blondem Haar und eigentümlichem, Raum und Körper durchbohrendem Seemannsblick der blauen Augen; vielleicht sah so der sächsische Adel in wohlgelungenen Exemplaren aus. Von Adalhard, einem Vetter Karls des Großen, der eine sächsische Mutter hatte, sagten seine Schüler, dass sie vor dem furchtbaren Flammenblick seiner Augen gezittert hätten. Unter den Franken fiel die Eigenart des Mannes auf, der schweigsam und gern allein, unbeugsam fest in seinen Überzeugungen war und Zuverlässigkeit als höchste Tugend schätzte. Der Stolz war bei den Sachsen noch mehr ausgeprägt als bei den anderen deutschen Stämmen: sie waren stolz auf ihre Heimat, stolz auf ihre Geschichte, stolz auf ihre Abkunft. Das Christentum hat diesen Stolz nicht ausgetrieben. Die wegen ihrer Frömmigkeit einer Heiligen gleich geachtete Königin Mathilde berief in das Stift zu Quedlinburg, das sie gründete, nur Personen aus dem höchsten freien Stande, weil sie, wie die Annalen berichten, daran festhielt, dass eine Wohlgeborene selten und nur aus schweren Gründen entarte. Alle älteren Klöster wurden nur mit Adligen besetzt, die Äbte und Äbtissinnen gehörten oft dem Reichsfürstenstande an. Man wusste wohl, dass Petrus, ein Fischer, gesagt hatte: Bei Gott gilt kein Ansehen der Person, und bekannt waren die Worte, die Paulus an die Galater richtete: »Denn diejenigen, die in Christus getauft sind, haben Christus angezogen. Da ist nicht Jude oder Grieche, da ist nicht Sklave oder Freier, nicht Mann oder Frau, ihr seid alle eines in Jesus Christus«, aber man dachte nicht daran, diese Gesinnung zu verwirklichen. Selbst Bischof Udalrich von Augsburg, der heiliggesprochen wurde, ein schwäbischer Graf von Dillingen, ließ sich auf Reisen, anstatt zu reiten, in einer Sänfte tragen, um nicht mit Leuten aus dem Volke in Berührung zu kommen und durch ihr Geschwätz im Psalmensingen gestört zu werden. Bevor er selbst Bischof wurde, verschmähte er es, in den Dienst seines Vorgängers zu treten, weil derselbe nicht vornehm genug war. Vom Erzbischof Tegino von Magdeburg, der als ein Muster aller Tugenden, als gottesfürchtig, liebevoll, wohltätig, milde, keusch geschildert wird, heißt es gleichzeitig, dass er gern solche um sich hatte, die durch Adel der Geburt und Sitte sich auszeichneten, während er Niedere zwar nicht verachtete, aber sie doch von seinem Umgange fernhielt. Man sieht daraus, dass man Adel der Geburt und Adel der Sitten als selbstverständlich zusammenfallend betrachtete. Als jemand die heilige Hildegard von Bingen fragte, wie sich die Bevorzugung des Adels in den Klöstern mit den Forderungen des Christentums vertrage, sagte sie: »Wer würde sein Vieh zu einer Herde und in einem Stalle vereinigen? Ochsen, Esel und Schafe?« Die Vermischung führe zum Hass, wenn Hochgeborene den Niedriggeborenen weichen müssten. Gott unterscheide das Volk auf Erden, gleichwie er im Himmel Engel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Cherubim und Seraphim unterscheide. In späterer Zeit sagte Erasmus von Rotterdam in Bezug auf das Domkapitel von Straßburg: »In dies Kolleg hätte Christus ohne Dispens nicht aufgenommen werden können«, und ähnlich ein junger Kanoniker um 1500: »Wenn heute der Herr auf Erden wandelte, würde das Stift von St. Alban (in Mainz) ihn abweisen.« Es ist berechnet worden, dass von 900-1500 von 166 Erzbischöfen 134 edelfrei, 10 von Ministerialadel, 4 bürgerlich waren. Heinrich II. war nach Ludwig dem Frommen der erste Kaiser, der einige Unfreie wegen ihrer Tüchtigkeit zu Bischöfen machte. Man muss zugeben, dass der Adel im frühen Mittelalter die große Nachfrage nach tüchtigen Männern ausgiebig befriedigen konnte.
Es fiel den Zeitgenossen auf, dass unter den benachbarten Völkern eine so strenge Trennung unter den Ständen wie in Deutschland nicht beobachtet wurde. Der Oheim Friedrich Barbarossas, Bischof Otto von Freising, erzählt von den lombardischen Städten, ihrer Freiheitsliebe, ihren Konsuln, die »zur Unterdrückung des Hochmuts«, wie er sagt, aus jedem Stande gewählt wurden. Sie halten es nicht für unwürdig, sagt er, an Jünglinge niederen Standes und Arbeiter verächtlicher, auch mechanischer Gewerbe, welche andere Völker von den edleren und freieren Studien wie eine Pest fernhalten, den Gürtel der Ritterschaft oder den Grad der Würden zu verleihen. Nicht ohne Bewunderung fügt er hinzu, dass die lombardischen Städte an Reichtum und Macht über andere Städte des Erdkreises hervorragen. Die Klöster der kluniazensischen Richtung, die von Westen her eindrang, machten keinen Unterschied zwischen den Ständen.
Der Standeshochmut hat einen verständlichen Sinn, wenn die dienende Schicht sich aus Kriegsgefangenen zusammensetzt, aber schon mit dem 9. Jahrhundert fingen die ärmeren Freien an, in die Klasse von Hörigen herabzusinken, und dieser Vorgang nahm in den folgenden Jahrhunderten zu. Es war ein Unglück, für das anfangs kaum ein einzelner verantwortlich zu machen war. Die Ursache lag hauptsächlich darin, dass sich viele kleine Bauern dem Kriegsdienst, den die beständigen Überfälle durch feindliche Völker erforderten, dadurch entzogen, dass sie ihr Gut geistlichen oder weltlichen Großen zu Lehen auftrugen und von diesen abhängig wurden. Auch ist es so, dass in Zeiten der Naturalwirtschaft die Erde die Menschen entweder zu erblichen Eigentümern oder zu Hörigen macht; sie verwachsen so oder so mit dem Boden. Jeder große Grundbesitzer trachtete danach, möglichst viel hörige Leute zu bekommen,