Название | Deutsche Geschichte |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Sachbücher bei Null Papier |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817725 |
Indessen, wenn auch die neue Religion hauptsächlich als Himmelszauber auf die Seele wirkte, so herrschte sie doch auch als sittliche Macht. »Du sollst heilig sein, denn ich bin heilig.« Von allen Göttern, zu denen die Völker beten, hatte noch nie einer so zu seinem Volke gesprochen. Der Sinn des deutschen Menschen für Gerechtigkeit verband ihn mit dem Gott, der der Gerechte hieß, das Kämpferische seiner Gesinnung machte, dass er sich willig in die Geisterschlacht zwischen Gut und Böse hineinreißen ließ. Die Weltüberwindung durch Askese, die der Mönch im Kloster führte, war zugleich ein ritterlicher Gedanke und den Germanen nicht durchaus fremd. Allerdings waren sie im Allgemeinen zügellos im Trinken und in der Frauenliebe; sie bedurften des Rausches. Den erwählten Frauen gaben sie sich mit einer fast kindlichen Gewaltsamkeit hin, und es kam zu erbitterten Kämpfen mit der Kirche, wenn sie ein Liebesverhältnis wegen zu naher Verwandtschaft zu lösen unternahm. Andererseits wurde in der germanischen Mythologie Jungfräulichkeit als Quell übermenschlicher Kraft begriffen, und im Verhalten zum Tode, den zu fürchten für den Freigeborenen als Schande galt, lag Selbstüberwindung. Karl der Große verabscheute Trunkenheit. Dass bloßes Sichgehenlassen nichts Großes erzeugt, wusste auch der heidnische Deutsche, und gerade weil der Freie keinen Zwang duldet, musste er sich selbst zwingen. Ohne diesen Selbstzwang gibt es keine Ehre. Um an dem Kampfe des schaffenden Gottes gegen den zerstörenden Teufel teilzunehmen, strömten Männer und Frauen den Klöstern zu.
Im Süden Deutschlands hatten schon vor Bonifatius Klostergründungen stattgefunden, sowohl in Franken wie in Schwaben und Bayern. In Schwaben gründeten iroschottische Mönche Reichenau und Sankt Gallen, im frommen Bayern beteiligten sich die Bischöfe, die einheimischen Herzöge und adligen Privatpersonen. So etwa wie die ersten europäischen Ansiedler in den wilden Westen Amerikas eindrangen, so zogen glaubensstarke, abenteuerlustige Leute in kleineren und größeren Gruppen dem Süden und Osten zu, drangen in die alten römischen Provinzen ein, wo längs der großen Straßen noch Romanen, abseits in den Flusstälern Slawen wohnten. Auch einzelne freie Bauern siedelten und rodeten, der Name manches kühnen Mannes ist in den Namen alter Ortschaften erhalten; aber die Klöster hatten größere Mittel zur Verfügung und erzielten dementsprechend größere Ergebnisse. Gewöhnlich wurde den Mönchen ein Stück Kulturland und ein Stück Ödland verliehen, damit sie von den Erträgnissen des einen lebten, während sie das andere urbar machten. Verlassene Ruinen aus der Römerzeit lieferten oft das Material für die klösterlichen Bauten; die Trümmer des alten Iuvavum ermöglichten, dass gleich das erste Salzburger Kloster aus Stein hergestellt werden konnte. Kam eine auswandernde Gesellschaft an der Stätte an, die zur Errichtung eines Klosters oder der Filiale eines Klosters geeignet schien, so wurde zum Zeichen der Besitznahme ein Kreuz aufgestellt und dann eine Zelle gebaut, wovon das häufige Vorkommen des Wortes Zell im Ortsnamen Kunde gibt. Sie wurde unter den Schutz der heiligen Margarete oder des heiligen Georg, des Drachenüberwinders, gestellt, wenn man in benachbarten Wäldern die wilden Tiere fürchtete; freundliche Auen weihte man der Jungfrau Maria.