Название | Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer |
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Автор произведения | Arthur Schopenhauer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208456 |
103 Bruno und Spinoza sind hier ganz auszunehmen. Sie stehn jeder für sich und allein, und gehören weder ihrem Jahrhundert noch ihrem Welttheil an, welche dem einen mit dem Tode, dem andern mit Verfolgung und Schimpf lohnten. Ihr kümmerliches Daseyn und Sterben in diesem Occident gleicht dem einer tropischen Pflanze in Europa. Ihre wahre Geistesheimath waren die Ufer der heiligen Ganga: dort hätten sie ein ruhiges und geehrtes Leben geführt, unter ähnlich Gesinnten. – Bruno drückt in folgenden Versen, mit denen er das Buch della causa principio ed uno, für welches ihm der Scheiterhaufen ward, eröffnet, deutlich und schön aus, wie einsam er sich in seinem Jahrhundert fühlte, und zeigt zugleich eine Ahndung seines Schicksals) welche ihn zaudern ließ seine Sache vorzutragen, bis jener in edlen Geistern so starke Trieb zur Mittheilung des für wahr Erkannten überwand: Ad partum properare tuum, mens aegra, quid obstat; Seclo haec indigno sint tribuenda licet? Umbrarum fluctu terras mergente, cacumen Adtolle in clarum, noster Olympe, Jovem. Wer diese seine Hauptschrift, wie auch seine übrigen, früher so seltenen, jetzt durch eine Deutsche Ausgabe, Jedem zugänglichen Italiänischen Schriften liest, wird mit mir finden, daß unter allen Philosophen er allein dem Plato in etwas sich nähert. In Hinsicht auf die starke Beigabe poetischer Kraft und Richtung neben der philosophischen, und solche eben auch besonders dramatisch zeigt. Das zarte, geistige, denkende Wesen, als welches er uns aus dieser seiner Schrift entgegentritt, denke man sich unter den Händen roher, wüthender Pfaffen als seiner Richter und Henker, und danke der Zeit, die ein helleres und milderes Jahrhundert herbeiführte, so daß die Nachwelt, deren Fluch jene teuflischen Fanatiker treffen sollte, jetzt schon die Mitwelt ist.
104 Hier sei bemerkt, daß ich die »Kritik der reinen Vernunft« überall nach der Seitenzahl der ersten Auflage citire, da in der Rosenkranzischen Ausgabe der gesammten Werke diese Seitenzahl durchgängig beigegeben ist: außerdem füge ich, mit vorgesetzter V, die Seitenzahl der fünften Auflage hinzu; dieser sind alle übrigen, von der zweiten an, gleichlautend, also auch wohl in der Seitenzahl.
105 Man sehe Christian Wolf's »Vernünftige Gedanken von Gott, Welt und Seele«, § 577-579.- Sonderbar ist es, daß er nur das nach dem Satz vom Grunde des Werdens Nothwendige, d.h. aus Ursachen Geschehende, für zufällig erklärt, hingegen das nach den übrigen Gestaltungen des Satzes vom Grunde Nothwendige, auch dafür anerkennt, z.B. was aus der essentia (Definition) folgt, also die analytischen Urtheile, ferner auch die mathematischen Wahrheiten. Als Grund hievon giebt er an, daß nur das Gesetz der Kausalität endlose Reihen gebe, die andern Arten von Gründen aber endliche. Dies ist jedoch bei den Gestaltungen des Satzes vom Grunde im reinen Raum und Zeit gar nicht der Fall, sondern gilt nur vom logischen Erkenntnißgrund: für einen solchen hielt er aber die mathematische Nothwendigkeit. – Vergleiche: Abhandlung über den Satz vom Grunde, § 50.
106 Mit jener meiner Widerlegung des Kantischen Beweises kann man beliebig die früheren Angriffe auf denselben vergleichen von Feder, Ueber Zeit, Raum und Kausalität, § 28; und von G. E. Schulze, Kritik der theoretischen Philosophie, Bd. 2, S. 422-442.
107 Siehe Sext. Empir. Pyrrhon. hypotyp., Lib. I, c. 13, nooumena phainomenois antetithê Anaxagoras (intelligibilia apparentibus opposuit Anaxagoras).
108 Daß die Annahme einer Gränze der Welt in der Zeit keineswegs ein nothwendiger Gedanke der Vernunft sei, läßt sich sogar auch historisch nachweisen, indem die Hindu nicht ein Mal in der Volksreligion, geschweige in den Veden, eine solche lehren; sondern die Unendlichkeit dieser erscheinenden Welt, dieses bestand- und wesenlosen Gewebes der Maja, mythologisch durch eine monströse Chronologie auszusprechen suchen, indem sie zugleich das Relative aller Zeitlängen in folgendem Mythos sehr sinnreich hervorheben (Polier, Mythologie des Indous, Vol. 2, p. 585). Die vier Zeitalter, in deren letztem wir leben, umfassen zusammen 4320000 Jahre. Solcher Perioden von vier Zeitaltern hat Jeder Tag des schaffenden Brahma 1000 und seine Nacht wieder 1000. Sein Jahr hat 365 Tage und eben so viele Nächte. Er lebt, immer schaffend, 100 seiner Jahre: und wenn er stirbt, wird sogleich ein neuer Brahma geboren, und so von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die selbe Relativität der Zeit drückt auch die specielle Mythe aus, welche in Poliers Werk, Bd. 2, S. 594, den Puranas nacherzählt ist, wo ein Rajah, nach einem Besuch von wenigen Augenblicken bei Wischnu in dessen Himmel, bei seiner Rückkehr auf die Erde mehrere Millionen Jahre verstrichen und ein neues Zeitalter eingetreten findet, weil jeder Tag des Wischnu gleich ist 100 Wiederkehren der vier Zeitalter.
109 Kant hat gesagt: »Es ist sehr was Ungereimtes, von der Vernunft Aufklärung zu erwarten, und ihr doch vorher vorzuschreiben, auf welche Seite sie nothwendig ausfallen müsse.« (Kritik der reinen Vernunft, S. 747; v, 775.) Hingegen ist folgende Naivetät der Ausspruch eines Philosophieprofessors in unserer Zeit: »Leugnet eine Philosophie die Realität der Grundideen des Christenthums, so ist sie entweder falsch, oder, wenn auch wahr, doch unbrauchbar –« scilicet für Philosophieprofessoren. Der verstorbene Professor Bachmann ist es gewesen, welcher, in der Jena'schen Litteraturzeitung vom Juli 1840, Nr. 126, so Indiskret die Maxime aller seiner Kollegen ausgeplaudert hat. Inzwischen ist es für die Charakteristik der Universitätsphilosophie bemerkenswerth, wie hier der Wahrheit, wenn sie sich nicht schicken und fügen will, so ohne Umschweife die Thüre gewiesen wird, mit: »Marsch, Wahrheit! wir können dich nicht brauchen. Sind wir dir etwas schuldig? Bezahlst du uns? – Also, Marsch!«
110 Beiläufig: Machiavells Problem war die Auflösung der Frage, wie sich der Fürst unbedingt auf dem Thron erhalten könne, trotz innern und äußern Feinden. Sein Problem war also keineswegs das ethische, ob ein Fürst als Mensch dergleichen wollen solle, oder nicht; sondern rein das politische, wie er, wenn er es will, es ausführen könne. Hiezu nun giebt er die Auflösung, wie man eine Anweisung zum Schachspielen schreibt, bei der es doch thöricht wäre, die Beantwortung der Frage zu vermissen, ob es moralisch räthlich sei, überhaupt Schach zu spielen. Dem Machiavell die Immoralität seiner Schrift vorwerfen, ist eben so angebracht, als es wäre, einem Fechtmeister vorzuwerfen, daß er nicht seinen Unterricht mit einer moralischen Vorlesung gegen Mord und Todschlag eröffnet.
111 Wenn gleich der Begriff Recht eigentlich ein negativer ist, im Gegensatz des Unrechts, welches der positive Ausgangspunkt ist; so darf deshalb doch die Erklärung dieser Begriffe nicht durch und durch negativ seyn.
Zusätze
A1 Ueber deuteros plous Stobaeus Floril. Vol. 2, p. 374.
A2 Dieses ist eben auch das Pradschna-Paramita der Buddhaisten, das »Jenseit aller Erkenntniß«, d.h. der Punkt, wo Subjekt und Objekt nicht mehr sind. (Siehe J. J. Schmidt, »Ueber das Mahajana und Pradschna-Paramita«.)
Zweiter Band