Название | Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer |
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Автор произведения | Arthur Schopenhauer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208456 |
Ich habe nunmehr die Quellen angegeben, aus welchen man unmittelbar und aus dem Leben geschöpft die Phänomene kennen lernen kann, in welchen die Verneinung des Willens zum Leben sich darstellt. Gewissermaaßen ist dies der wichtigste Punkt unserer ganzen Betrachtung: dennoch habe ich ihn nur ganz im Allgemeinen dargelegt; da es besser ist, auf Diejenigen zu verweisen, welche aus unmittelbarer Erfahrung reden, als durch schwächere Wiederholung des von ihnen Gesagten dieses Buch ohne Noth noch mehr anschwellen zu lassen.
Nur noch Weniges will ich, zur allgemeinen Bezeichnung ihres Zustandes, hinzufügen. Wie wir oben den Bösen, durch die Heftigkeit seines Wollens, beständige, verzehrende, innere Quaal leiden und den grimmigen Durst des Eigenwillens zuletzt, wenn alle Objekte des Wollens erschöpft sind, am Anblick fremder Pein kühlen sahen; so ist dagegen Der, in welchem die Verneinung des Willens zum Leben auf gegangen ist, so arm, freudelos und voll Entbehrungen sein Zustand, von außen gesehn, auch ist, voll innerer Freudigkeit und wahrer Himmelsruhe. Es ist nicht der unruhige Lebensdrang, die jubelnde Freude, welche heftiges Leiden zur vorhergegangenen, oder nachfolgenden Bedingung hat, wie sie den Wandel des lebenslustigen Menschen ausmachen; sondern es ist ein unerschütterlicher Friede, eine tiefe Ruhe und innige Heiterkeit, ein Zustand, zu dem wir, wenn er uns vor die Augen oder die Einbildungskraft gebracht wird, nicht ohne die größte Sehnsuchtblicken können, indem wir ihn sogleich als das allein Rechte, alles Andere unendlich überwiegende anerkennen, zu welchem unser besserer Geist uns das große sapere aude zuruft. Wir fühlen dann wohl, daß jede der Welt abgewonnene Erfüllung unserer Wünsche doch nur dem Almosen gleicht, welches den Bettler heute am Leben erhält, damit er morgen wieder hungere; die Resignation dagegen dem ererbten Landgut: es entnimmt den Besitzer aller Sorgen auf immer.
Es ist uns aus dem dritten Buche erinnerlich, daß die ästhetische Freude am Schönen, einem großen Theile nach, darin besteht, daß wir, in den Zustand der reinen Kontemplation tretend, für den Augenblick allem Wollen, d.h. allen Wünschen und Sorgen, enthoben, gleichsam uns selbst los werden, nicht mehr das zum Behuf seines beständigen Wollens erkennende Individuum, das Korrelat des einzelnen Dinges, dem die Objekte zu Motiven werden, sondern das willensreine, ewige Subjekt des Erkennens, das Korrelat der Idee sind: und wir wissen, daß diese Augenblicke, wo wir, vom grimmen Willensdrange erlöst, gleichsam aus dem schweren Erdenäther auftauchen, die säligsten sind, welche wir kennen. Hieraus können wir abnehmen, wie sälig das Leben eines Menschen seyn muß, dessen Wille nicht auf Augenblicke, wie beim Genuß des Schönen, sondern auf immer beschwichtigt ist, ja gänzlich erloschen, bis auf jenen letzten glimmenden Funken, der den Leib erhält und mit diesem erlöschen wird. Ein solcher Mensch, der, nach vielen bitteren Kämpfen gegen seine eigene Natur, endlich ganz überwunden hat, ist nur noch als rein erkennendes Wesen, als ungetrübter Spiegel der Welt übrig. Ihn kann nichts mehr ängstigen, nichts mehr bewegen: denn alle die tausend Fäden des Wollens, welche uns an die Welt gebunden halten, und als Begierde, Furcht, Neid, Zorn, uns hin- und herreißen, unter beständigem Schmerz, hat er abgeschnitten. Er blickt nun ruhig und lächelnd zurück auf die Gaukelbilder dieser Welt, die einst auch sein Gemüth zu bewegen und zu peinigen vermochten, die aber jetzt so gleichgültig vor ihm stehn, wie die Schachfiguren nach geendigtem Spiel, oder wie am Morgen die abgeworfenen Maskenkleider, deren Gestalten uns in der Faschingsnacht neckten und beunruhigten. Das Leben und seine Gestalten schweben nur noch vor ihm, wie eine flüchtige Erscheinung, wie dem Halberwachten ein leichter Morgentraum, durch den schon die Wirklichkeit durchschimmert und der nicht mehr täuschen kann: und eben auch wie dieser verschwinden sie zuletzt, ohne gewaltsamen Uebergang. Aus diesen Betrachtungen können wir verstehn lernen, in welchem Sinne die Guion, gegen das Ende ihrer Lebensbeschreibung, sich oft so äußert: »Mir ist Alles gleichgültig: ich kann Nichts mehr wollen: ich weiß oft nicht, ob ich da bin oder nicht.« – Auch sei es mir vergönnt, um auszudrücken, wie nach dem Absterben des Willens, der Tod des Leibes (der ja nur die Erscheinung des Willens ist, mit dessen Aufhebung er daher alle Bedeutung verliert) nun nichts Bitteres mehr haben kann, sondern sehr willkommen ist, – die eigenen Worte jener heiligen