Название | Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen) |
---|---|
Автор произведения | Чарльз Дарвин |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208876 |
Wäre unser angenommener Zoolog in seiner Untersuchung bis hierher gekommen, so würde er zunächst untersuchen, ob die Menschenrassen, wenn sie sich kreuzen, in irgend einem Grade steril seien. Er dürfte das Werk eines vorsichtigen und philosophischen Beobachters, Professor Broca,362 zu Rathe ziehen, und darin würde er gute Belege dafür finden, daß einige Rassen völlig fruchtbar unter einander sind, aber in Bezug auf andere Rassen auch Belege einer entgegengesetzten Natur. So ist behauptet worden, daß die eingeborenen Frauen von Australien und Tasmanien selten mit europäischen Männern Kinder hervorbrächten; indessen sind die Angaben gerade über diesen Punkt jetzt als fast werthlos erwiesen worden. Die Mischlinge werden von den reinen Schwarzen getödtet; so ist kürzlich ein Bericht veröffentlicht worden über einen Fall, wo elf junge Leute einer Mischlingsrasse zu gleicher Zeit ermordet und verbrannt wurden, deren Überbleibsel dann von der Polizei gefunden wurden.363 Ferner ist oft gesagt worden, daß, wenn Mulatten unter einander heirathen, sie wenig Kinder erzeugen. Auf der andern Seite behauptet aber Dr. Bachman von Charlestown364 positiv, daß er Mulattenfamilien gekannt habe, welche mehrere Generationen hindurch unter einander geheirathet hatten und im Mittel genau so fruchtbar waren wie sowohl rein Weiße als rein Schwarze. Früher von Sir C. Lyell angestellte Untersuchungen über diesen Gegenstand haben ihn, wie er mir mittheilt, zu derselben Schlußfolgerung geführt.365
Die Volkszählung für das Jahr 1854 in den Vereinigten Staaten umfaßte Dr. Bachman zufolge 405751 Mulatten, und diese Zahl scheint unter Berücksichtigung aller bei dem Falle in Frage kommenden Umstände gering zu sein; sie dürfte aber zum Theil durch die herabgekommene und anomale Stellung der Classe und durch das ausschweifende Leben der Frauen zu erklären sein. In einem gewissen Grade muß eine Absorption von Mulatten rückwärts in die Neger immer im Fortschreiten begriffen sein, und dies würde zu einer offenbaren Verringerung der Zahl der Ersteren führen. Die geringere Lebensfähigkeit der Mulatten wird in einem zuverlässigen Werke366 als eine wohlbekannte Erscheinung besprochen; doch wäre dies eine von der verringerten Fruchtbarkeit etwas verschiedene Thatsache und könnte kaum als ein Beweis für die specifische Verschiedenheit der beiden elterlichen Rassen vorgebracht werden. Ohne Zweifel sind sowohl thierische als pflanzliche Bastarde, wenn sie von äußerst verschiedenen Species hervorgebracht sind, einem frühzeitigen Tode ausgesetzt; aber die Eltern der Mulatten können nicht in die Kategorie äußerst verschiedener Species gebracht werden. Das gewöhnliche Maulthier, dessen langes Leben und Lebenskraft und doch so große Unfruchtbarkeit notorisch sind, zeigt, wie wenig nothwendig bei Bastarden eine Verbindung zwischen verringerter Fruchtbarkeit und Lebensfähigkeit besteht, und andere analoge Fälle könnten noch angeführt werden.
Selbst, wenn später noch bewiesen werden sollte, daß alle Menschenrassen vollkommen fruchtbar unter einander wären, so dürfte doch derjenige, welcher aus anderen Gründen geneigt wäre, sie für distincte Species zu halten, mit vollem Rechte schließen, daß Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit keine sicheren Kriterien specifischer Verschiedenheit darbieten. Wir wissen, daß diese Eigenschaften durch veränderte Lebensbedingungen oder durch nahe Inzucht leicht afficiert und daß sie von sehr complicierten Gesetzen beherrscht werden, z. B. von dem der ungleichen Fruchtbarkeit wechselseitiger Kreuzungen zwischen denselben zwei Species. Bei Formen, welche als unzweifelhafte Species classificiert werden müssen, besteht eine vollkommene Reihenfolge von denen an, welche bei einer Kreuzung absolut steril sind, bis zu denen, welche fast ganz oder vollkommen fruchtbar sind. Die Grade der Unfruchtbarkeit fallen nicht scharf mit den Graden der Verschiedenheit im äußeren Bau oder in der Lebensweise zusammen. Der Mensch kann in vielen Beziehungen mit denjenigen Thieren verglichen werden, welche schon seit langer Zeit domesticiert worden sind, und eine große Menge von Belegen kann zu Gunsten der Pallas'schen Theorie367 vorgebracht werden, daß die Domestication die Unfruchtbarkeit, welche ein so allgemeines Resultat der Kreuzung von Species im Naturzustande ist, zu eliminieren strebt. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen kann man mit Recht betonen, daß die vollkommene Fruchtbarkeit der mit einander gekreuzten Rassen des Menschen, wenn sie festgestellt wäre, uns nicht absolut daran hindern könnte, sie als distincte Species aufzuführen.
Abgesehen von der Fruchtbarkeit hat man zuweilen geglaubt, daß die Charaktere der Nachkommen aus einer Kreuzung Beweise dafür darböten, ob die elterlichen Formen als Species oder als Varietäten einzuordnen seien; aber nach einer sorgfältigen Erwägung der Belege bin ich zu der Folgerung gekommen, daß keiner allgemeinen Regel dieser Art getraut werden kann. Das gewöhnliche Resultat einer Kreuzung ist die Erzeugung einer gemischten oder intermediären Form; in gewissen Fällen schlagen aber manche der Nachkommen auffallend nach dem einen Erzeuger, und manche nach dem anderen. Dies tritt dann besonders gern ein, wenn die Eltern in Charakteren von einander verschieden sind, welche zuerst als plötzliche Abänderungen oder Monstrositäten aufgetreten sind.368 Ich erwähne diesen Punkt, weil mir Dr. Rohlfs mittheilt, daß er in Afrika häufig gesehen habe, wie die Nachkommen von Negern, die sich mit Menschen anderer Rassen gekreuzt hatten, entweder vollkommen schwarz oder vollkommen weiß, und nur selten gescheckt waren. Andererseits ist es aber notorisch, daß in Amerika die Mulatten gewöhnlich ein intermediäres Aussehen darbieten.
Wir haben nun gesehen, daß ein Naturforscher sich für völlig berechtigt halten könnte, die Menschenrassen als distincte Species einzuordnen; denn er hat gefunden, daß sie in zahlreichen Charakteren des Baues und der Constitution, von denen einige von großer Bedeutung sind, von einander verschieden sind. Auch sind diese Verschiedenheiten in sehr langen Zeiträumen nahezu constant geblieben. Unser Zoolog wird auch in einem gewissen Grade von dem enormen Verbreitungsverhältnisse des Menschen beeinflußt worden sein, welches in der Classe der Säugethiere eine große Anomalie sein würde, wenn das menschliche Geschlecht als eine einzige Species angesehen werden sollte. Er wird von der Verbreitung der verschiedenen sogenannten Rassen überrascht gewesen sein, welche mit der anderer, zweifellos distincter Species von Säugethieren übereinstimmt. Endlich dürfte er betonen, daß die wechselseitige Fruchtbarkeit aller Rassen noch nicht vollständig bewiesen ist, und daß sie, selbst wenn sie bewiesen wäre, noch keinen absoluten Beweis ihrer specifischen Identität darbieten würde.
Fußnote
354 History of India. 1841. Vol. I, p. 323. Der Pater Ripa macht genau dieselbe Bemerkung in Bezug auf die Chinesen.
355 Eine ungeheure Zahl von Maßangaben von Weißen, Schwarzen und Indianern sind mitgetheilt in den »Investigations in the Military and Anthropolog. Statistics of American Soldiers«, by B. A. Gould. 1869, p. 298-358, über die Capacität der Lungen, ebend. p. 471, s. auch die zahlreichen und werthvollen Tabellen von Dr. Weisbach nach den Beobachtungen des Dr. Scherzer und Dr. Schwarz in der Reise der Novara, Anthropolog. Theil. 1867.
356 s. z. B. Marshall's Bericht über das Gehirn eines Buschmann-Weibes Philos. Transact. 1864, p. 519.
357 Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 178.