Название | Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen) |
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Автор произведения | Чарльз Дарвин |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208876 |
In vielen Fällen ist es indessen unmöglich, zu entscheiden, ob gewisse sociale Instincte durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind, oder ob sie das indirecte Resultat anderer Instincte und Fähigkeiten sind, wie der Sympathie, des Verstandes, der Erfahrung und einer Neigung zur Nachahmung, oder ferner, ob sie einfach das Resultat lange fortgesetzter Gewohnheit sind. Ein so merkwürdiger Instinct wie der, Wachen aufzustellen, um die ganze Gemeinschaft vor Gefahr zu warnen, kann kaum das indirecte Resultat irgend einer jener Fähigkeiten gewesen sein; er muß daher direct erlangt worden sein. Auf der anderen Seite mag die Gewohnheit, nach welcher die Männchen einiger socialen Thiere die Herde zu vertheidigen und ihre Feinde oder ihre Beute gemeinsam anzugreifen pflegen, vielleicht aus gegenseitiger Sympathie entstanden sein; aber Muth, und in den meisten Fällen auch Kraft, muß schon vorher und wahrscheinlich durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sein.
Von den verschiedenen Instincten und Gewohnheiten sind einige viel stärker als andere, d. h. einige verursachen entweder mehr Vergnügen, wenn sie ausgeführt werden, und mehr Unbehagen, wenn sie verhindert werden, als andere, oder, und dies ist wahrscheinlich völlig ebenso bedeutungsvoll, sie werden viel beständiger in Folge der Vererbung befolgt, ohne irgend ein specielles Gefühl der Freude oder des Schmerzes zu erregen. Wir selbst sind uns dessen wohl bewußt, daß manche Gewohnheiten viel schwerer zu heilen oder zu ändern sind, als andere. Man kann daher auch oft bei Thieren einen Kampf zwischen verschiedenen Instincten beobachten, oder zwischen einem Instinct und einer gewohnheitsgemäßen Neigung: so wenn ein Hund auf einen Hasen losstürzt, gescholten wird, pausiert, zweifelt, wieder hinausjagt oder beschämt zu seinem Herrn zurückkehrt; oder wenn eine Hündin zwischen der Liebe zu ihren Jungen und zu ihrem Herrn kämpft, denn man sieht sie sich zu jenen wegschleichen, gewissermaßen als schäme sie sich, nicht ihren Herrn zu begleiten. Das merkwürdigste mir bekannte Beispiel aber von einem Instinct, welcher einen anderen bezwingt, ist der Wanderinstinct, welcher den mütterlichen überwindet. Der erstere ist wunderbar stark; ein gefangener Vogel schlägt zu der betreffenden Zeit seine Brust gegen den Draht seines Käfigs, bis sie nackt und blutig ist; er veranlaßt junge Lachse, aus dem Süßwasser herauszuspringen, wo sie ruhig weiter leben könnten, und führt sie damit unabsichtlich zum Selbstmord. Jedermann weiß, wie stark der mütterliche Instinct ist, welcher selbst furchtsame Vögel ermuthigt, größerer Gefahr sich auszusetzen, doch immer mit Zaudern und im Widerstreit mit dem Instincte der Selbsterhaltung. Nichtsdestoweniger ist der Wanderinstinct so mächtig, daß spät im Herbst Ufer- und Hausschwalben häufig ihre zarten Jungen verlassen und sie elendiglich in ihren Nestern umkommen lassen.256
Wir können wohl sehen, daß ein instinctiver Antrieb, wenn er in irgendwelcher Weise einer Species vortheilhafter ist als irgend ein anderer oder entgegengesetzter Instinct, durch natürliche Zuchtwahl der kräftigere von beiden werden kann; denn diejenigen Individuen, welche ihn am stärksten entwickelt haben, werden in größerer Zahl andere überleben. Ob dies aber der Fall ist mit dem Wanderinstinct in Vergleich mit dem mütterlichen, ließe sich wohl bezweifeln. Die größere Beständigkeit und ausdauernde Wirkung des Ersteren zu gewissen Zeiten des Jahres und zwar während des ganzen Tages, dürften ihm eine Zeit lang eine überwiegende Kraft verleihen.
Fußnote
234 s. z. B. über diesen Gegenstand: Quatrefages. Unité de l'espèce humaine, 1861, p. 21 etc.
235 Dissertation on Ethical philosophy. 1837, p. 231 etc.
236 Kritik der praktischen Vernunft (Sämmtliche Werke, herausgegeben von Rosenkranz; 8. Th. p. 214.)
237 Mr. Bain giebt (Mental and Moral Science, 1868, p. 543-725) eine Liste von sechsundzwanzig englischen Autoren, welche über diesen Gegenstand geschrieben haben und deren Namen hier allgemein bekannt sind; diesen lassen sich die Namen von Bain selbst, von Lecky, Shadworth Hudgson, Sir J. Lubbock und noch anderer beifügen.
238 Sir B. Brodie bemerkt, daß der Mensch ein sociales Thier sei (Psychological Enquiries, 1854, p. 192), und stellt dann die bezeichnende Frage auf: »sollte dies nicht die streitige Frage über die Existenz eines moralischen Gefühls beilegen?« Ähnliche Ideen sind wahrscheinlich Vielen schon gekommen, wie schon vor langer Zeit dem Marcus Aurelius. J. S. Mill spricht in seinem berühmten Buche über »Utilitarianism« (1864, p. 46) von den socialen Gefühlen als einer »kraftvollen natürlichen Empfindung« und als »dem natürlichen Grunde des Gefühls für utilitäre Moralität«. Ferner sagt er: »Gleich den andern erworbenen, oben erwähnten Fähigkeiten ist die moralische Kraft, wenn nicht ein Theil unserer Natur, so doch ein natürlicher Auswuchs aus ihr, wie jene fähig, in gewissem niedern Grade spontan hervorzutreten«. Im Gegensatze zu alle dem sagt er aber auch: »wenn nun, wie das meine eigene Überzeugung ist, die moralischen Gefühle nicht angeboren, sondern erlangt sind, so sind sie doch aus diesem Grunde nicht weniger natürlich«. Nur mit Zögern wage ich von einem so tiefen Denker abzuweichen; doch läßt sich kaum bestreiten, daß die socialen Gefühle bei den niederen Thieren instinctiv oder angeboren sind; und warum sollten sie dann beim Menschen es nicht ebenso sein? Mr. Bain (s. z. B. The Emotions and the Will. 1855, p. 481) und andere glauben, daß das moralische Gefühl von jedem Individuum während seiner Lebenszeit erlangt werde. Nach der allgemeinen Entwicklungstheorie