Die Romantik. Ricarda Huch

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Название Die Romantik
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4064066388836



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einander, ohne Verstand und Ueberlegung.«

      »Eine reizbare Vernunft ist eine schwächliche, zärtliche; daher die Moralisten und Bemerker oft so schlechte Praktiker.«

      Die Reizbarkeit gab den Romantikern das ewig Jünglingshafte; denn die Jugend ist die Zeit des schäumenden Blutes, wo auch dem Gelassensten wohl einmal die Zügel aus der Hand fallen. Es ist nicht die runde, unschuldsvolle, staunende, nichts von sich wissende Kindlichkeit, die naive Menschen auch im Alter haben können; es giebt auch frühreife, schmale Kindergesichter mit großen, erschrockenen Augen die mehr wissen, als sie fassen und ertragen können, die nicht ordnen können, was Alles auf sie einstürmt, und deswegen nicht aus und ein wissen in dem verwickelten Leben.

      »Ein Kind voll Wehmuth und voll Treue,

       Verstoßen in ein fremdes Land« –

      so hatte Novalis seinen Freund Tieck angeredet. Tieck erzählte in späteren Jahren, wie er als kleines Kind mit seiner Wärterin auf dem Schloßplatze in Berlin gewesen sei und herzlich vergnügt die vielen Gegenstände um sich herum betrachtet habe, und wie da die Wärterin, von ihm unbemerkt, zum Scherz sich hinter einem Pfeiler versteckt habe; da ergriff ihn zum ersten Mal das Gefühl von Verlassensein so schrecklich, daß das kleine, verschüchterte Gemüth sich gar nicht wieder wollte trösten lassen. Mehr als andre Menschen hat der romantische Charakter Grauen vor der Einsamkeit und ein an Schwäche grenzendes Bedürfniß nach Gesellschaft und befreundeter Umgebung, und bei allem Hang und aller Gabe zur Freundschaft erschwert gerade ihm seine Reizbarkeit den Verkehr mit Menschen unendlich. Jede Abweichung vom Ideal, von dem Bilde, das seinem schönheitssüchtigen Auge vorschwebt, stört ihn und kann ihn zu erbittertem Unwillen reizen. »Sein Freund zu sein, ist die Aufgabe aller Aufgaben; denn er ist so reizbar, daß man nur husten, nicht edel genug essen oder gar die Zähne stochern darf, um ihn tödlich zu beleidigen.« Selbst nicht harmonisch hat er ein leidenschaftliches Verlangen nach Harmonie in Andern. Nur Wenige wissen die Liebe zum Vollkommenen mit Duldung des noch Unvollendeten zu vereinigen, und doch ist jene nur mit dieser großherzigen Nachsicht verbunden schön und gut. »Allzu heftige Unleidlichkeit des Unvollkommenen ist Schwäche«, sagt Novalis.

      Der einzige, den die Romantiker ohne Vorbehalt verehrten, war Goethe. Er war für sie etwas der antiken Poesie Gleichzustellendes: ein Sinnbild der Schönheit, der sie zustrebten. Ebenso wie die moderne Poesie im Gegensatz zur antiken war ihr Charakter nicht schön, sondern interessant: interessant bedeutet Zwischensein, also Werden. Alles gilt von ihnen, was Friedrich Schlegel zum Tadel und zum Ruhm der modernen Kunst sagte: die hervorbringende Kraft rastlos und unstät, die Empfindlichkeit immer ebenso unersättlich wie unbefriedigt, Verworrenheit, Gesetzlosigkeit, Skepticismus, vielseitige Charakterlosigkeit – Alles in Allem ein Chaos. Aber aus dem Chaos schuf der schönste der Götter, Eros, eine Welt.

      Wenn nun das Chaos, um einen Ausdruck von Friedrich Schlegel zu wiederholen, nur auf die Berührung der Liebe wartet, um eine harmonische Welt hervorzubringen, so erinnert das an die Ansicht von Novalis, jede Verbesserung unvollkommener Constitutionen laufe darauf hinaus, daß man sie der Liebe fähiger mache. Und merkwürdig stimmt damit die Lehre überein, die der alte Mann in Tieck's Roman dem Sternbald giebt, daß das Höchste was der Mensch erlangen könne, Zufriedenheit mit sich selbst sei. »Mit sich zufrieden sein«, rief der Alte, »mit allen Dingen zufrieden sein, denn alsdann verwandelt er sich und Alles um sich her in ein himmlisches Kunstwerk und läutert sich selbst mit dem Feuer der Gottheit«; und eindringlich knüpft er die Empfehlung an den Jüngling daran, seine Kunst und sich selbst zu lieben und zu verehren, ja keiner nachtheiligen Selbstverachtung Zugang zu gestatten. Man könnte es für sehr wunderlich halten – wenn man nicht gar Ziererei darin sieht, – daß eine Schwierigkeit darin liegen soll, sich selbst zu lieben. Und doch war es keine Affektation wenn so viele der Romantiker nach diesem so natürlichen Triebe mühsam rangen, auch Friedrich Schlegel behauptete, daß die Unfähigkeit sich selbst zu lieben ihm die Bahn zur Größe verschließe. Abgesehen davon, daß die beiden Personen, die das Ich bilden, übereinstimmen müssen, wenn sie sich lieben sollen, muß man bedenken, daß die Kunst thatsächlich darin liegt, den richtigen Grad der Selbstliebe zu treffen, so daß man vor Selbstüberhebung ebenso sicher ist wie vor Selbsterniedrigung, ferner das richtige Verhältniß zur Nächstenliebe zu finden. Es giebt Menschen, denen es verhältnißmäßig leicht wäre, den Nächsten mehr als sich selbst zu lieben, während sie das Gebot, welches befiehlt, ihn wie sich selbst zu lieben, nicht erfüllen können. Dem Romantiker ist es eigen, zwischen einer sich selbst wegwerfenden Hingebung an die Menschen und Ekel an ihnen zu schwanken. Man vergleiche die Stelle im Phantasus, wo Tieck von der Empfindung, mit der er im Plutarch von großen Menschen liest, mit einer andern in Lovell, wo Balder seiner Menschenverachtung Ausdruck giebt. Dort fühlt er eine Welt zu viel und möchte sie dem angebeteten Helden in den Schoß werfen, ein quälender Drang sich aufzuopfern beseelt ihn. Hier heißt es: »Ach das Brausen von Mühlrädern ist verständiger und angenehmer als das Klappern der menschlichen Kinnbacken; der Mensch steht unter dem Affen, eben deswegen, weil er die Sprache hat, denn sie ist die kläglichste und unsinnigste Spielerei. – … Ich stand in einer fernen Welt und gebot herrschend über die niedrigen Schwatzthiere, tief unter mir … und rief den Fleischmassen zu: Ihr Armseligen – Klumpen von todter Erde – Thiere und Bäume sind in ihrer Unschuld verehrungswürdiger als die verächtliche Sammlung von Staub, die wir Menschen nennen.« Sind auch diese Worte einem Wahnsinnigen in den Mund gelegt, so hört man ihnen doch an, daß Tieck sie in sich erlebt hat. Und man sieht hier, wie Selbstverachtung und Menschenverachtung sich gegenseitig bedingen.

      Wir sehen den Dämmerungsmenschen, das Chaos, in dem die Massen trübe durch einander schwanken. Das Licht ist eingedrungen und sucht sie zu theilen – noch wird es nur als die scheidende Macht empfunden, die aus einander schneidet, was mit dumpfem Wohlgefühl in eins verschwommen war. Reichthum, Harmonie, Vollendung nannte Friedrich Schlegel die drei Theile, die zur reinen Vollkommenheit des Charakters gehörten, womit nichts Anders gemeint ist als Willen (Trieb, Unbewußtes), Intellekt (Absicht, Bewußtsein) und Vereinigung dieser beiden Hälften in eine Welt. Indem er sagt, Vollendung äußere sich als Selbständigkeit oder sittliche Liebe, macht er es uns klar genug, was wir darunter verstehen sollen. Diese Dreieinigkeit ist keine andre als die Herder's: Licht, Liebe, Leben.

      Wenn die dämmernden Massen des Chaos in Tag und Nacht geschieden sind, dann erst kann die Liebe sie harmonisch verbinden. Mit der einschlagenden buchstäblichen Richtigkeit klassischer Offenbarungen nannte der Apostel Paulus die Liebe das Band der Vollkommenheit.

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