Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066388829 |
Nicht leichten Herzens gab Wilhelm von Oranien die Niederlande auf. Er fühlte sich als ihr geborener Schutzherr, dort war er heimisch, dort hatte er seine Besitzungen, seine Interessen, dort war eine große Aufgabe. Man weiß nicht, wann er den Beschluß faßte, die Niederlande von dem spanischen Druck zu befreien; nun hatten ihn die Ereignisse in den Kampf verwickelt und an das Ziel gebunden. Wie aber und mit welchen Mitteln sollte er dem gewiegten Feldherrn Alba, der mit den sieggewohnten spanischen Truppen heranzog, entgegentreten! Er verfügte über kein Heer und über kein einmütig zum Widerstande entschlossenes Volk. Die Bilderstürmer waren ein Haufe von Menschen aus den unteren Schichten, die schon von den einheimischen Truppen, die Margarethe zur Verfügung hatte, unterworfen und bestraft waren. Die Stimmung in den Provinzen war ungleich; so war zum Beispiel die mächtige und reiche Stadt Amsterdam überwiegend katholisch und königstreu. Es blieb Wilhelm nichts anderes übrig, als zu warten und inzwischen in Deutschland zu werben.
Da entzündete die rohe Herrschaft Albas, der an Margarethens Stelle Statthalter wurde, den Widerstand, auf den Oranien sich stützen konnte. Sein Grundsatz war, Furcht zu verbreiten und Geld zu erpressen. Der trostlosen Geldnot seines Königs glaubte er durch Ausbeutung der reichen Niederlande abhelfen zu können. Diesem Zweck dienten die Konfiskationen der Güter von Flüchtlingen und Hingerichteten. Der sogenannte Blutrat soll in drei Monaten 1800 Menschen zum Tode verurteilt haben. »Man sieht's an seinem Maul, daß er hat Blut gesoffen«, hieß es auf einer Inschrift, die man an einer in Brüssel ihm errichteten Statue fand. Aber fast mehr noch als die Masse der Hinrichtungen, die mit ganz unzureichender Begründung und auch ganz ohne Grund vorgenommen wurden, erbitterte die Erhebung des zehnten Pfennigs, einer Abgabe, die bei jedem Verkauf beweglicher Güter zu leisten war, die auf den agrarischen Besitzungen des Herzogs in Spanien niemanden drückte, die aber in den Niederlanden als unerträglich empfunden wurde und den König und seinen Vertreter verhaßt machte. Die Amnestie, die im Jahre 1570 endlich verkündet wurde, war durch so viele Ausnahmen eingeschränkt, daß sie wie Hohn wirkte. Auf einheitlichere Zustimmung in den Niederlanden konnte Wilhelm infolge von Albas plumper Verwaltung rechnen; aber die spanische Herrschaft war mit solcher Gewalt befestigt, daß jeder Versuch, sie zu stürzen, unmöglich schien, der nicht von einer bedeutenden europäischen Macht unterstützt wurde. Keine war dazu geneigt. Kaiser Maximilian II. hatte keine Sympathien für die Calvinisten und war durch Familienbeziehung zu Philipp II. gehemmt. Frankreich war durch die Hugenottenkriege beschäftigt, Elisabeth von England wollte sich damals noch in keinen Kampf mit Spanien verwickeln. Oranien war auf die verstohlene Hilfe einiger fürstlicher Glaubensgenossen, auf die opferbereite Unterstützung seiner Familie und auf seine eigene Kraft angewiesen. Mit dem Geld, das sein Bruder Johann durch Verpfändung seines Fürstentums und durch Verkauf seines Silbers aufbrachte, wurde ein Heer geworben, das er und sein Bruder Ludwig gegen die Truppen Albas führten. In diesem Feldzuge verloren die Nassauer die Schlacht und einen ihrer Brüder. Mit dem Rest ihrer geschlagenen Armee zogen Wilhelm, Ludwig und Heinrich nach Frankreich in der Hoffnung, bei den Hugenotten Hilfe zu finden.
Kaum jemals ist der Führer einer Bewegung mit so geringen Mitteln einem so mächtigen Feinde gegenüber, unter so unaufhörlichen Entmutigungen und Verlusten zum Siege gelangt. Oranien hatte Augenblicke, wo er an dem glücklichen Ausgang der Sache, ja an der Sache selbst verzweifelte; mußte er doch nicht nur die spanische Übermacht, sondern auch die Uneinigkeit der aufständischen Provinzen überwinden, von denen jede auf ihren Sonderinteressen so fest gegen die Bundesgenossen stand wie gegen den Feind. Mit der Pariser Bluthochzeit im Jahre 1572 verlor er jede Aussicht auf französische Hilfe. Im Jahre darauf gelang den Wassergeusen die Eroberung der Stadt Briel. Die Wassergeusen waren auf das Meer gedrängte Aufständische, im erbitterten Kampfe verwilderte, nichts fürchtende, vor nichts zurückschreckende Menschen, die die spanische Grausamkeit mit ebensolcher vergalten. Sie ließen sie sehr wider den Willen und zum Schmerz Oraniens hauptsächlich an den katholischen Geistlichen aus. Dem ersten Erfolge reihte sich eine furchtbare Niederlage an; in der Schlacht auf der Mookerheide fielen Wilhelms Brüder Ludwig und Heinrich und der schönste und liebenswürdigste von den Söhnen des Kurfürsten von der Pfalz, Christoph, der es sich nicht hatte nehmen lassen, dem Fürsten von Oranien einen Reiterdienst zu tun. In seinem Bruder Ludwig verlor Wilhelm den getreuen, unentwegten Mitstreiter und vertrautesten Freund. Auch daß Philipp II. sich endlich entschloß, Alba abzuberufen und einen verständigeren Statthalter zu schicken, dem er erlaubte, den zehnten Pfennig aufzuheben, war ein gefährlicher Umstand für Oranien. Sogar der ritterliche Marnix glaubte ihm raten zu müssen, die Amnestie anzunehmen, die der Papst selbst für richtig hielt auf ihn auszudehnen. So sehr schien dieser einzige Mann der Inbegriff der Revolution, daß Freund und Feind überzeugt waren, ohne ihn könnten sie nicht siegen, mit ihm nicht überwunden werden. Oranien blieb fest; er nahm den Wahlspruch an: Je maintiendrai. Im selben Jahre, wo er seinen Bruder verlor, sah er die Belagerung und den Entsatz der Stadt Leyden, die, als Oranien ihr zum Lohn für den bewiesenen Heldenmut entweder Steuerbefreiung oder die Gründung einer Universität anbot, die Universität wählte. Sie wurde noch im selben Jahre eröffnet. Nun übertrug ihm die Provinz Holland die Regentschaft, die er bis jetzt im Namen des Königs von Spanien geführt hatte, im Namen des holländischen Volkes. Es war ein denkwürdiger Akt, durch welchen Holland nun endlich den vollen Besitz seiner Freiheit betätigte, um den es das ganze Mittelalter hindurch gerungen hatte. Die südlichen Provinzen, von denen die Bewegung ausgegangen war, ließen sich von Spanien zurückgewinnen, die übrigen nördlichen: Nord-Holland, Zeeland, Groningen, Friesland, Drenthe, Utrecht, Geldern, Overijsel, schlossen sich in den nächsten Jahren Holland an. Auch die reiche und mächtige Stadt Amsterdam, wo bisher die katholische Partei das Übergewicht gehabt hatte, trat dem Bunde der Nordstaaten bei.
Oranien, der durch Einfluß der Familie und die sächsische Heirat zum Luthertum geneigt hatte, fand es nötig, Calvinist zu werden, weil der Nerv der Revolution durchaus calvinistisch war; aber er bemühte sich um Duldung aller christlichen Glaubensbekenntnisse, auch des katholischen, nicht nur weil das seiner Auffassung entsprach, sondern auch weil er nur unter diesem Titel die südlichen Staaten dem Bunde der freien niederländischen Staaten einverleiben konnte, was zunächst noch sein Ziel war. Nur vorübergehend gelang ihm das noch einmal. Trotz der gänzlichen finanziellen Erschöpfung Spaniens brachte es der tüchtige Sohn der Margarethe, der Prinz Alessandro Farnese, dazu, die südlichen Provinzen unter dem Zepter Philipps zu vereinigen. Die Toleranz entsprach so wenig der in sämtlichen Staaten herrschenden Gesinnung, daß das Bündnis aller ohnehin nicht von Dauer gewesen wäre. Die neue Gestaltung der Staaten ging auf Schleichwegen, unter verwickelten diplomatischen Unterhandlungen und unter entsetzlichem Blutvergießen vor sich. Tausende von Menschen wurden bei den Erstürmungen von Haarlem, Antwerpen, Maestricht hingemordet, Tausende vernichtete die Pest, Tausende fielen in Schlachten. Die Verbindung der endlich unabhängig zusammengeschlossenen Staaten ging mit behutsamster Schonung der Selbständigkeit jedes einzelnen vor sich, mehr zur Abwehr des spanischen Feindes als zur Bildung eines einigen Staatswesens. Die künftige Republik Holland, ein blühender, reicher, hochkultivierter, machtvoller Staat, bestand im Geiste Wilhelms von Oranien und lag in seiner Hand, als die Provinzen, die ihn bilden sollten, noch mehr die Unabhängigkeit einer jeden als ihre Verbindung im Sinne hatten.
Im Jahre 1580 erklärte Philipp II. den Prinzen von Oranien in die Acht. »Wir geben«, hieß es in diesem Aktenstück, »besagten Wilhelm Nassau preis als einen Feind des Menschengeschlechts und überliefern sein Eigentum allen, die desselben habhaft werden können. Wenn einer genug Mut hat, ihn lebend oder tot auszuliefern oder ihn zu töten, bekommt er sofort 25 000 Kronen. Ist er ein Verbrecher, wird ihm verziehen, ist er noch nicht adlig, so wird ihm der Adel verliehen.« Fünf Jahre darauf wurde Oranien ermordet; die Staaten hatten inzwischen förmlich ihre Unabhängigkeit erklärt und Philipp für ewig den Gehorsam aufgekündigt. Wilhelms Söhne, Moritz und Friedrich Heinrich, setzten den Kampf fort.
Anna von Büren, Wilhelms erste Frau, sagte einige Zeit vor ihrem Tode, sie kenne jetzt, nach siebenjähriger Ehe, ihren Gatten nicht besser als an dem Tage, wo sie ihn zuerst gesehen habe. Dieser gesellige, fröhliche Kavalier hatte etwas Undurchdringliches für die Zeitgenossen sowohl als für die Nachkommen. Uns aber steht zu Gebote, was die in der Jugend Sterbende nicht hatte, der Überblick über ein ganzes