Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4064066388829



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Reichstag bestimmte Eingabe, in der er, da die geistlichen Güter keinen Nutzen mehr stifteten, eine allgemeine Säkularisation in Vorschlag brachte. Nicht die unteren Stände, sagte er mit Anspielung auf die Ereignisse des Bauernkrieges, sollten die Güter an sich reißen, sondern die Obrigkeiten, Kaiser und Reich, sollten die Einziehung in die Hand nehmen. Aus dem Kirchengut sollten die ihrer Einkünfte beraubten Geistlichen entschädigt, die Pfarrer besoldet werden, es sollten Schulen gegründet werden und Stifte für adlige Mädchen, denen es freistehen sollte auszutreten, wenn sie heiraten wollten. Vor allem sollte ein Heer errichtet werden, in dem der Ritteradel verwendet würde, das dem Kaiser eine vorher noch nie erhörte Macht zu verleihen geeignet sei. Noch einmal erschien das Programm Huttens, von einem Standesgenossen aufgenommen. Wäre es dem Reichstag eingereicht worden, was nicht wahrscheinlich ist, würden es die Fürsten abgelehnt haben. Nach dem Scheitern der ritterlichen und der bäuerlich-städtischen Revolutionsversuche standen dem Kaiser im Kampf mit den Fürsten um die Reichsreform nur noch seine Persönlichkeit und die Hilfsquellen seiner außerdeutschen Besitzungen zu Gebote.

       Inhaltsverzeichnis

      Während Karl den Reichstag zu Worms abhielt, eroberte Cortez ihm Mexiko, während er im Winter 1525 sich in Spanien aufhielt, erfochten seine Feldherren den Sieg von Pavia. Es handelte sich um den Besitz von Mailand, vielleicht auch um den von Neapel, die beide Franz I. von Frankreich an sich bringen wollte. Die Kaiserlichen hatten sich in Pavia, der stärksten Festung des Herzogtums, festgesetzt, wurden aber bedrängt von einem auserlesenen französischen Heer, bei dem sich der König in Person befand, und das eine, wie es schien, unangreifbare Stellung in einem ummauerten Park zwischen dem Tessin und der Stadt Pavia innehatte. Den gehofften Entsatz durch Lannoy, den Vizekönig von Neapel, glaubte dieser nicht unternehmen zu dürfen, weil ein zweites feindliches Heer sich Neapel näherte, das er nicht ungedeckt lassen dürfe. In dieser fast aussichtslosen Lage entschloß er sich dennoch auf den Rat Pescaras, den verwegenen Schritt zu wagen und die Franzosen vor Pavia anzugreifen. Das französische Heer war nicht nur an Zahl überlegen, sondern durch die Anwesenheit des Königs und des tapferen, ehrliebenden Adels begeistert, glaubte sich außerdem durch seine Stellung gesichert. Fast die Hälfte dieses Heeres bestand aus Deutschen und Schweizern. Die Deutschen trugen schwarzen Harnisch und schwarze Fahnen und wurden deshalb die Schwarze Bande genannt. Es waren darunter ein Herzog von Württemberg, ein Graf von Nassau, ein Graf von Lupfen, ein Augsburger Langenmantel, Sohn des Johann Langenmantel, der vierzehnmal Bürgermeister seiner Stadt gewesen, und viele andere von Adel; sie waren alle in des Kaisers Acht und Aberacht. Das kaiserliche Heer war zusammengesetzt aus Spaniern, Italienern und Deutschen und vorzüglich geführt durch Lannoy, Pescara und die deutschen Landsknechtshauptleute Georg von Frundsberg, Marx Sittich von Ems und Niklas von Salm. Unter ihnen ragte Georg von Frundsberg durch Charakter und Gesinnung hervor. Er war ein sehr großer und schwerer Mann, ein Vater seiner Landsknechte, die ihm seine Gerechtigkeit und Fürsorge mit opferwilliger Hingabe vergalten. Das Geschlecht der Frundsberg stammte aus der Gegend zwischen Innsbruck und Schwaz; ein Zweig zog nach Schwaben und erwarb dort die Burg Mindelheim. Schwaben lieferte die meisten Landsknechte; es gab noch immer Schwabenstreiche wie zu Barbarossas Zeit, wie denn ein Heerdegen in Ungarn, als er im Bausch von Türken überfallen wurde, neun tötete und den Ritterschlag, den Karl V. ihm erteilen wollte, ablehnte. Die Ausrüstung der Landsknechte, für die sie selbst zu sorgen hatten, war oft mangelhaft; als einmal ein Venezianer über die nackten Landsknechte spottete, sagte Frundsberg, er habe wohl nackte Knaben, aber wenn sie einen Pokal Wein im Busen hätten, wären sie ihm lieber als die Venediger, die Harnisch bis auf die Füße trügen. Man versorgte die deutschen Soldaten mit Wein, solange es möglich war; die Spanier und Italiener waren eher einmal mit Wasser zufrieden. Frundsberg war dem Luthertum geneigt, ohne deshalb in der Treue zum Kaiser zu wanken. Er war ein Liebhaber der Musik und machte Gedichte; das Kriegshandwerk, das er so erfolgreich ausübte, verurteilte er »wegen der Verderbung und Unterdrückung der armen unschuldigen Leute, des unordentlichen und teuflischen Lebens des Kriegsvolks und der Undankbarkeit der Fürsten«. Im Bauernkriege suchte er den Kampf zu vermeiden, indem er die Bauernführer zu friedlicher Verständigung überredete. Er bereicherte sich nicht im Dienste des Kaisers, sondern opferte sogar vom Seinigen, um die dauernde Geldnot zu überwinden. Frundsbergs 13 000 Mann, ungefähr die Hälfte des Heeres, trugen sehr viel zu dem unverhofften, beispiellosen Siege bei, den die Kaiserlichen vor Pavia erstritten. Die Schwarze Bande wurde von ihm umschlossen und niedergemacht; nur wenige entrannen dem Tode und fielen zwei Jahre später. Es fiel der größte Teil des heroisch kämpfenden französischen Adels, und gefangen wurde der König, der mit äußerster Bravour den Zusammenbruch seiner Armee hatte aufhalten wollen.

      Als dem jungen Kaiser in Madrid die Nachricht von dem überwältigenden Siege gebracht wurde, kniete er vor einem Madonnenbilde nieder und barg sein Hochgefühl im Gebet. Wie wenig Verständnis er auch für evangelische Frömmigkeit haben mochte, so war ihm doch eine Beziehung zum Lenker der Geschicke Bedürfnis; die Ergießung seines Herzens gegen Gott war nicht nur Gewohnheit. Wenn er den Ausdruck der Siegesfreude vornehm mäßigte und öffentliche Feiern verbot, weil sich das unter Christen nicht zieme, war er durchaus nicht mäßig in den Bedingungen, die er dem Überwundenen stellte. Fürsten, die abseits von der Schlacht sind, pochen oft mehr auf ihren Sieg als der Feldherr, der ihn erfocht. Karl glaubte einen Fehler zu begehen, wenn er ihn nicht aufs äußerste ausnützte: er verlangte von Franz nicht nur Verzicht auf Mailand und Neapel, sondern auch auf das gesamte Erbe Karls des Kühnen mit Einschluß des ganz französischen Burgund. Ungeduldig die Freiheit wiederzugewinnen, leistete Franz den Eid auf den harten Frieden, ohne sich dadurch gebunden zu fühlen. Scheinbar hatte Karl dadurch, daß Frankreich auf absehbare Zeit ausgeschaltet schien, eine Macht erlangt, die ihn zum Haupt des Abendlandes machte, verfügte er doch mit Spanien über die Schätze der Neuen Welt; in Wahrheit brachte die Stunde des größten Erfolges ihm vermehrte Gefahren. Jeder große Gewinn in der Politik bringt eine Korrektur mit sich, indem gegen die angeschwollene Macht die eifersüchtigen Nachbarn sich erheben und fast mechanisch das Gleichgewicht sich wiederherzustellen sucht. Der Papst, der schon Karls Kaiserwahl nur widerwillig zugelassen hatte, fühlte sich durch seinen Machtzuwachs in Italien bedroht und war sofort bereit, Franz seiner Eidesverpflichtung zu entbinden und ihn im Kriege zu unterstützen. Mailand, Venedig, Florenz, der König von England traten dem Bunde bei. Es zeigte sich, wie schwierig für Karl als Kaiser und Erzherzog von Österreich die Lage des Reiches in der Mitte von Europa war. Er war von Mächten umringt, die auf der Hut vor ihm waren, von denen zwei nach Ausdehnung trachtende, angriffslustige Feinde waren: Frankreich im Westen und die Türken im Osten. Aus der Eroberungssucht Frankreichs und dem Streit um das burgundische Erbe, das aus französischen und deutschen Gebieten zusammengeschmiedet war, entstand seit Maximilians Zeit ein nur zuweilen unterbrochener Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser, den das Reich dabei nur wenig und ungern unterstützte. Man gewöhnte sich im Reich, ihn als einen Krieg zwischen Frankreich und Österreich, zwischen Habsburg und Valois anzusehen. Die Stände, Fürsten und Städte waren kurzsichtig genug, dem Kaiser auch gegen die Türken nur zögernd beizustehen. Ein so kluger und tüchtiger Fürst wie Friedrich III. von der Pfalz machte es dem Kaiser zum Vorwurf, daß er sich mit Ungarn beladen und dadurch den Türken sich zum Feinde gemacht habe. Nach mittelalterlicher Weise wurde der Kampf gegen die Türken als eine Angelegenheit des Papstes und der gesamten Christenheit betrachtet, und bei der allgemeinen Verstimmung gegen den Papst verhielt man sich ablehnend gegen den Krieg, der seine Sache war. Diese widersinnigen Verhältnisse verschärfte noch die lutherische Spaltung. Für die lutherischen Fürsten wurden Frankreich und die Türkei zu Errettern, die den Kaiser verhinderten, ihren Glauben zu unterdrücken; aber auch die katholischen sahen ihn nicht ungern außerhalb des Reiches beschäftigt; Bayern freute sich jeder Gelegenheit, ihn aus seiner Vormachtstellung zu verdrängen.

      Karl, der Sieger von Pavia, war dem Luthertum furchtbar; der zugleich von Frankreich, Italien, England und der Türkei Bedrohte konnte im Reich nichts ausrichten. Denn Franz I. hatte sich nicht gescheut, als Gefangener in Madrid den Sultan Suleiman, den Feind der Christenheit, um seine Hilfe anzugehen. Auch ohne das hätte wohl Suleiman, tatkräftig und eroberungslustig wie er war, willens seine Herrschaft über Europa auszudehnen, die günstige Gelegenheit benutzt: mit einem ungeheuren Heer rückte er