Название | Ernst Happel - Genie und Grantler |
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Автор произведения | Klaus Dermutz |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783895339356 |
»Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag« – so lautete sein häufig wiederholtes Lebensmotto. Fußball wurde Ernst Happel, dem die Großmutter zum ersten Geburtstag grün-weiße Söckchen gestrickt und geschenkt hatte, tatsächlich zum Schicksal. Grün-Weiß, die Farben von Rapid Wien, ein Omen mit weitreichenden Folgen – von diesem Verein wird der kleine Straßenfußballer etwas mehr als ein Jahrzehnt später, während Hitler in Wien einzieht, unter Hunderten von Jugendlichen ausgewählt, darf mit den »Auserwählten« trainieren, darf bald schon als 17-Jähriger in ihrem Kreise mittun, mitspielen, bestaunt, bewundert ob seiner technischen Beschlagenheit.
Fußball rettet Happel im Zweiten Weltkrieg möglicherweise das Leben, sein Hauptmann war ein Fußballfanatiker, der den jungen Soldaten für Spiele in der Etappe in seiner Nähe haben wollte. Fußball führt Happel nach dem Krieg aus seinem Milieu, öffnet ihm, dem »Schmäh- und Rädelsführer« der Spieler von Rapid, Türen »von der Unterwelt bis zum Minister«, lässt ihn die Anfänge der Professionalisierung erleben. Gegen die »Königlichen« macht der »Wödmasda« das Spiel seines Lebens, schießt am 14. November 1956 innerhalb von 22 Minuten drei Tore, ein lupenreiner Hattrick. Zwei Weltmeisterschaften – 1954 und 1958 – erlebt er als Spieler, wird dabei im Halbfinale 1954 »Opfer« des Taktikfuchses Sepp Herberger und als Hauptschuldiger für den deutschen 6:1-Kantersieg in seiner Heimat verunglimpft. Wegen der massiven, ja infamen Vorwürfe geht er ins Ausland, zu Racing Paris, und kehrt erst nach knapp zwei Jahren wieder in seine Heimat zurück.
In seines Lebens Mitte, ohne jegliches Fachdiplom, wechselt er bei seinem Heimatverein ins Trainerfach – bei Rapid wird er Sektionsleiter, gewinnt gleich auf Anhieb Meisterschaft und Pokal. Die internationale Karriere des neben Sepp Herberger »interessantesten Trainers der Welt« im 20. Jahrhundert, so Der Spiegel, beginnt 1962 mit ADO Den Haag. Mit Teams von Underdogs und Außenseitern – FC Feyenoord, FC Brügge – in ganz Europa Triumphe zu feiern, sollte sein Markenzeichen werden. Aber auch bittere Niederlagen lernt er kennen und trägt sie mit stoischer Gelassenheit, etwa die brutale 1:3-Niederlage 1978 im dramatischen WM-Finale nach Verlängerung mit Holland gegen Argentinien. Rob Rensenbrink schießt kurz vor Schluss der regulären Spielzeit an den Pfosten – hätte er getroffen, Happel wäre wirklich und tatsächlich »Wödmasda« geworden. So trug er diesen Ehrentitel in seiner Heimat gewissermaßen als »Wödmasda der Herzen«, die Kerben in seinem markanten Gesicht mögen etwas tiefer geworden sein.
Happel setzt Anfang der 1980er Jahre seine Laufbahn beim Hamburger SV fort, wo er sowohl national als auch international erfolgreich ist und 1983 gegen eine mit frischgebackenen Weltmeistern gespickte Elf von Juventus Turin im Endspiel der damaligen »Champions League«, dem Europapokal der Landesmeister, in Athen einen 1:0-Sieg feiern kann. Das entscheidende Tor sollte einem seiner Lieblingsspieler, Felix Magath, gelingen. Aufgrund einer Krebserkrankung entschließt Happel sich, beim FC Tirol das nächste Engagement anzunehmen. Den Tiroler Klub führt er an die nationale Spitze, internationale Erfolge bleiben jedoch aus. Auf seiner letzten Station gibt der von der Krebserkrankung schon schwer gezeichnete Happel dem österreichischen Nationalteam neue Energie und Selbstvertrauen.
Fußball bleibt seine Leidenschaft, ein Leben lang bis in die letzten Tage hinein. Lakonisch, wortkarg, mit trockenem Witz, von seinen Spielern verehrt, von den Sportjournalisten gefürchtet, vom Publikum bestaunt, ging Ernst Happel seinen Weg. Er ist wohl stets eine hochsensible Mischung aus Sentiment und Härte gewesen, war mit seiner hinter einer Attitüde von Unnahbarkeit verborgenen Verletzlichkeit ein im Kern rastlos-einsamer Skeptiker, immer auf der Suche nach den Lösungen jenes Rätsels, das über Sieg und Niederlage, Glück und Unglück entscheidet.
Eine fundierte Biographie dieses großen und zugleich kantig-kauzigen Mannes war überfällig. Das Ernst-Happel-Porträt von Klaus Dermutz zeichnet den Lebensweg dieses großartigen Sportlers einfühlsam nach, der fünf Jahrzehnte als aktiver Fußballer und Trainer seinen Sport auf seine höchst eigenwillige Art und Weise geprägt hat. In dieser Monographie leuchtet die imposante Karriere dieses begnadeten Fußballers und Trainers noch einmal auf, der überall, auf all seinen Stationen, im Herzen doch ein Wiener geblieben ist. Wer immer ihn erlebt, wer immer unter ihm trainiert hat, behält ihn wehmütig in Erinnerung, nicht zuletzt auch seine lakonische Schlussfloskel, mit der er, gleichzeitig die Brille absetzend, seine überaus kurzen Spielerbesprechungen oder auch Pressekonferenzen zu beenden pflegte: »Danke – und schließe.«
Daniel koerfer wurde 1955 in Bern geboren, hat als Schüler noch im alten Wankdorf-Stadion trainiert und von diesem gerade für den deutschen Fußball »historischen Ort« aus sein Faible für diesen Sport entwickelt. Er lehrt Neuere Geschichte/Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin und hat in seinem Buch Hertha unter dem Hakenkreuz – Ein Berliner Fussballclub im Dritten Reich (Verlag Die Werkstatt, 2009) eine Alltagsgeschichte aus der ersten deutschen Diktatur erzählt, bei der es auch um Fußball, in erster Linie aber um das Leben und Überleben von »kleinen Leuten« in schwierigen Zeiten geht.
Einleitung
»Happel, Hanappi, Ocwirk« waren die Namen, die mein Vater in den 1960er Jahren oft in einem wehmütigen Singsang wiederholte. Ich begriff nicht, warum er immer wieder die drei Namen nannte, an manchen Tagen noch »Zeman« hinzufügte. Erst allmählich begann ich zu verstehen, dass die Namen dieser begnadeten Fußballer für meinen Vater, derselbe Jahrgang wie Ernst Happel, eine Erinnerung an jene Zeit war, als Österreich zu den besten Fußballnationen der Welt zählte. Mit »Happel, Hanappi, Ocwirk« erhielt ich mit sechs, sieben Jahren die Initiation in die Welt des Fußballs.
In den 1970er Jahren waren die Auftritte von Happel im österreichischen Fernsehen außergewöhnliche Ereignisse. Während Fußball-Österreich den vertanen Chancen hinterhertrauerte, sagte Happel mit einem provokativen Lachen auf die Frage, ob er Nationaltrainer werden wolle: Der österreichische Fußball könne international nicht mithalten, er sei zwar Patriot, aber kein Idiot. Seine Kommentare standen quer zur österreichischen Mentalität, die auf eine diffuse und die betrübliche Realität verschleiernde Ausgewogenheit aus war. Happel hatte das Charisma eines freien, furchtlosen Geistes.
Mitte der 1980er Jahre schlug ich einem Grazer Redakteur ein Interview mit Happel vor. Ich fuhr im August 1986 von West-Berlin aus nach Hamburg. Die Spieler des Hamburger SV kamen an jenem Morgen von einem Auswärtsspiel in der Saisonvorbereitung zurück. Miroslaw Okonski, den Happel von Lech Poznan geholt hatte, hatte blaue Badeschlappen an, einen weißen Verband um den linken Knöchel und humpelte. Ich ging auf Happel zu und stellte mich vor. Er fragte mich, von welchem Boulevardblatt ich komme. Happel hatte einen Trainingsanzug an, er sagte mir, er könne das Interview nicht wie vereinbart am Vormittag geben, ich möge auf ihn warten, um 15 Uhr habe er Zeit.
Ich sah beim Training zu, die älteren Spieler lockerten sich ein wenig, mit den jüngeren übte Ristić noch eine halbe Stunde länger Flanken und Kopfbälle. Es war heiß an jenem Montag, und die Zeit bis 15 Uhr verging nur langsam.
Kurz vor dem zugesagten Termin fuhr Happel in einem eleganten Sportwagen vor, er hatte sich umgezogen, er trug einen feinen Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Das Klubgebäude wurde gerade umgebaut, der Boden neu verlegt. Ein Arbeiter fragte Happel, was vor drei Tagen gegen Liverpool los gewesen sei, der HSV habe nur ein »Törchen« geschossen. Happel erwiderte nur, der HSV schieße keine »Törchen«, sondern »Tore«. Das Interview dauerte eine Stunde. Im Hintergrund hämmerten die Zimmerleute.
Ich weiß gar nicht mehr, wie ich auf die Idee kam, Happel nach dem Gespräch vorzuschlagen, ein Buch über ihn zu schreiben. Vermutlich kam mir die Idee deswegen in den Sinn, weil Happel gesprächig gewesen war. Er hatte nichts dagegen, meinte nur, der Verlag müsse ihm ein Honorar von 500.000 Mark zahlen, dafür setze er sich 14 Tage auf ein Schiff und erzähle sein Leben. Ich begrub das Projekt, ich konnte mir nicht vorstellen, einen Verlag zu finden, der bereit sei, Happel diese Summe zu zahlen.
Am Ende des Gesprächs fragte ich ihn, ob ich am nächsten Tag beim Training zusehen könne.