Название | 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 |
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Автор произведения | Эдгар Аллан По |
Жанр | Учебная литература |
Серия | |
Издательство | Учебная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9782291092247 |
»Ist es wahr, daß du mit Bini verhext und besprochen bist?«
Das behagliche Stübchen und der warme Trunk im Leib stimmen Josi ganz weich: »O, Susi, ich habe gewiß andere Sorgen – ich möchte wieder ein rechter Mensch werden. Seht, morgen ist Allerseelen, und ich bin so arm, daß ich für meinen seligen Vater und die selige Mutter nicht einmal zwei Kerzchen kaufen kann.«
Die tiefe Trauer, die seine Stimme durchbebte, sein elendes Aussehen und seine Verwilderung weckten das Erbarmen Susis, sie schenkte ihm zwei Wachskerzen und redete ihm mit ihrer pfeifenden Stimme mütterlich zu, daß er sich dem Garden stelle, es gehe ihm gewiß nicht so böse.
»Ich will's thun, Susi.« Aber wie er über die verlassenen Alpen des Schmelzberges, auf denen die letzten Sonnenlichter des Jahres spielen, die letzten Blumen blühen, mit weitem Umweg nach St. Peter geht, kämpft er wieder.
Erst tief in der Nacht schleicht er sich ins Dorf. Er kniet zwischen den Kreuzen an den Gräbern der Eltern nieder, er steckt die Kerzen und Astern auf die Hügel. Da kommt der Nachtwächter singend vom Oberdorf. Es ist der breite Brummbaß des Fenkenälplers, der in der Kehrfolge der Bürger den Dienst hat. Er möhnt:
»Es ist nicht unsere Gerechtigkeit,
Daß Gott uns so viel Gut's erzeigt.
Es ist seine Gnade und Güte,
Ihr lieben Heiligen schützt uns vor Gefahr,
Vor Brand und Laue besonderbar,
Und dann, ihr Lieben, bitten wir noch.
Sperrt den Rebellen endlich ins Loch!«
Der letzte Zusatz ist eine freie Erfindung des Sängers. Josi aber schreit: »Hörst du's, Vater – hörst du's, Mutter, so geht es mir! – Ich lasse mich aber nicht einsperren!«
In wildem Weh brüllt er es und rauft das Kirchhofgras, als wolle er hinabflüchten zu den Toten.
»Das alles haben der Presi und Binia über mich gebracht.«
Schon sieht er, wie man ihn gefesselt durch das Dorf führt, auf der Freitreppe steht der Bärenwirt mit einem Hohnlächeln.
Da geht es ihm wie dem Fuchs, der vom Hunger gepeitscht, in die Falle kriecht, von der er weiß, daß sie ihn verderben wird – er flieht vom Dorf zu Kaplan Johannes, den er doch haßt wie den Tod.
Mit einem höllischen Lächeln gewährte der Letzköpfige dem Ausreißer Schutz und Obdach in der Ruine. Den einzigen noch überdachten Raum bewohnte der Einsiedler selbst. Da brach durch ein vergittertes Fenster das Licht herein. Grad neben dem Viereck, das es auf den Boden zeichnete, war das Lager des Schwarzen, ein Sack voll jener langen Flechten, die wie riesige graue Bärte von den Aesten der alten Lärchenbäume fluten, gegenüber der Thüre ein dreiteiliger Altar, den ein Totenschädel schmückte, davor ein Betschemel. Und von der Decke hing eine Ampel, in der ein Lichtfunke brannte.
Sonst war das Gemach leer.
Hinter ihm war ein zweites, ein niedriges Gewölbe, in das man nur halbgebückt kriechen konnte, wohl, wie die rotgebrannten Steine vermuten ließen, ein großer alter Ofenraum.
In diesen Verschlag wies Johannes seinen Gast. Da war Josi vor jeder Entdeckung sicher. Niemand wagte sich in die Zelle des unheimlichen Kaplans; wenn je nach Wochen einmal ein Weiblein ins Schmelzwerk kam, um ihn zu einer kranken Kuh zu holen, so pochte es draußen schüchtern an, dann trat der Einsiedler heraus, gab ihr mit seiner Grabesstimme den Segen und ging mit ihr.
Er war gewiß ein unheimlicher Kauz, der Kaplan Johannes mit dem fahlen Gesicht und den lodernden Augen. Vor seinem Altar sang er oft Lieder, die stark weltlich klangen, sobald aber, das glaubte Josi zu bemerken, Leute des Weges zogen, ging er mit wenigen Modulationen in einen frommen Gesang über, wie man ihn am Altar der Dorfkirche hörte.
Am Abend, wenn der Weg einsam war, sprach Johannes oft laut mit sich selbst, schnitt Grimassen, verwarf die Arme, geriet in einen Taumel und vergaß, daß Josi da war.
»Die Mauer war hoch,« erzählte er klagend, »aber der Kastanienbaum war höher. Johannes saß darunter und lernte. Er lernte Tag und Nacht. Einmal aber im Herbst erzitterte der Kastanienbaum über seinem Haupt. Was zitterst du? Da legte Johannes das Buch nieder und stieg auf den Baum. Ein Ast ragte weit über die Mauer, vom Garten in einen Hof, der Ast schwankte. Johannes schaute über die Mauer. Da sah er Graziella, die Kastanien schüttelte. Sie hatte braune Arme und braune Augen und lachte über den Klosterschüler. Eines Tages aber sagte sie: ›Wenn du mich lieb hast, Johannes, steige nur vom Baum.‹ An der Mauer küßten sie sich. Mehrmals. Als das Laub fiel, rüttelte Graziella wieder am Ast und lockte – die Falsche. Der Schüler kletterte am Kastanienbaum über die Mauer, sie gab ihm einen Kuß, und dann warfen die Klosterbrüder ihn nieder – und dann« – seine Stimme hob sich zu einem klagenden, wiehernden Geheul – »sie haben mich im Gefängnis mit kaltem Wasser begossen – sie haben sich vergriffen an mir, daß ich nicht mehr Johannes bin.«
Er langte wie ein Wahnsinniger nach dem Kopf und hielt den Leib, als ob er Schmerzen hätte. Josi graute es bei diesen Selbstgesprächen des Kaplans, schrecklicher war es ihm aber, wenn Johannes ihn zu peinigen begann.
Immer wieder kam er auf jenen Kuß zu sprechen, den er im Teufelsgarten Binia gegeben.
Ob er sie noch liebe? Ob er begehre, sie wieder zu küssen? Ob er sie einmal nackend sehen wolle? Er könne ihm mit einem Alräunchen dazu helfen. Er wisse, wo ein Alraun wachse, wie man die Wurzel ziehe und schneide, daß daraus ein kleines wunderthätiges Männchen werde.
Schamlos redete der Kaplan.
Josi schoß dann das Blut in die Wangen und er preßte die Fäuste an die Ohren – o, es war schön gewesen hoch oben in der Einsamkeit des Gebirges, das Gift dieses Elenden war entsetzlicher als sie.
»Wann zündest du den Bären an? – Du mußt es thun, solange keine Gäste da sind, die Sünde wäre sonst zu groß. Heute ist eine so finstere Nacht, willst du denen in St. Peter nicht etwas hell machen?«
»Ihr seid ein Teufel, Johannes!« Da lachte der Kaplan widerwärtig: »Ich glaube manchmal selbst, daß ich der Satan bin, aber dich habe ich lieb, bleicher Knabe. Komm an mein Herz, Söhnchen!«
Oft schien die Rede des Kaplans nicht nur Hohn, sondern als hange er mit der ganzen Seele an Josi, denn gerade wenn ihr Vorrat am kleinsten war, nötigte er ihn zu tapferem Essen und litt selber Hunger.
»Im Sommer aber mußt du mir wieder Krystalle suchen, du mußt mein treuer Sohn sein, du gehörst jetzt zu mir, nicht zu denen von St. Peter – aber – aber – Knabe, wenn du mich verraten würdest, ich tötete dich.« Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum und murmelte mit seiner hohlen Stimme lateinische Verwünschungen.
»Nur noch einmal die sonnige Vroni mit dem fliegenden Goldhaar sehen, nur noch einmal sie mit ihrer Glockenstimme reden hören.« Müde und traurig war Josi und ihn ekelte vor dem Kaplan.
Aber er hatte den Mut nicht, zu Vroni zu gehen.
Oft froren er und Johannes in der schlechtgeschützten Ruine. Der Wind, der durch die Mauern blies, verjagte die Wärme des offenen Feuers, und wahrscheinlich wäre Josi, der nie wie der Pfaffe in warme Bauernstuben kam, vor Langeweile, Abscheu und Elend gestorben, hätte er nicht auf den Rat des Kaplans, der darin Schätze vermutete, das alte Bergwerk zu durchforschen angefangen.
Die Entdeckungswanderungen gaben seinem Trübsinn eine Ableitung und die Tiefen des Bergwerks schützten besser vor der Kälte als jedes Herdfeuer.
Josi lächelte zwar zu den Hoffnungen des Kaplans, daß er Silbererz finden werde, ungläubig, aber er wühlte sich mit großem Eifer durch das Gewirre von Gängen, Gesenken, Stollen und Weitungen. Eine mühsame Arbeit! Viele Gänge waren eingestürzt, in anderen tropfte das Wasser und bildete kleine Teiche, die Luft war dumpf und feucht. Oft löschte ein Tropfen seine Kerze aus, dann hatte er Arbeit genug, sich in Stunden beklemmender Angst wieder durch