Название | 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 |
---|---|
Автор произведения | Эдгар Аллан По |
Жанр | Учебная литература |
Серия | |
Издательство | Учебная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9782291092247 |
Jetzt hätte sie es ihm schon verraten können, daß er über Josi ganz falsch berichtet sei. Eine dunkle Gewalt hielt sie indessen zurück, die Furcht, daß sie, sobald sie den Namen des guten Jungen ausspreche, die Liebe des Vaters wieder verscherze. Er war so furchtbar heftig. Und mit angstvollem Herzen schwieg sie, die Zeit der Verstimmung war zu schmerzlich gewesen.
Sie verwunderte sich, als der Garde einmal mitten in der Fremdenzeit in den Bären gestoffelt kam, ernst und zornig, wie ihr schien.
Eine Weile saß er mit dem Vater zusammen, sie hörte aber nur die Worte: »Wenn Euch das Gewissen schlägt, so macht den bösen Schimpf rasch gut – ich glaube – ich glaube – die Fränzi lebt nicht mehr lang.«
Elend wie noch nie eilte sie fort. Sie beobachtete in den folgenden Tagen den Vater. Er war still und trübselig, und am anderen kam sie gerade dazu, wie die Mutter zu ihm sagte: »Ihr hättet die arme Frau wohl ruhig ihres Weges gehen lassen können, die ganze Gemeinde ist wild über Euch. Wozu ihr wüste Namen nachrufen?« Worauf der Vater nur dumpf erwiderte: »Sie hat mich halt auch einmal schwer beleidigt.«
Wie abscheulich er ist! Binia that das Herz weh, sie weinte im stillen, sie wußte, daß der Vater nur so böse gegen Fränzi war, weil er sich vor ihr schämte.
Ihr Frohsinn litt aber nicht nur unter dem herzlichen Erbarmen mit Fränzi, der lieben guten, unter den Selbstvorwürfen wegen Josi, sondern auch aus Aerger über Thöni, der mit allen Mägden anbändelte und Späße trieb, ihre Verachtung aber mit allerlei Zänkereien erwiderte.
Er bekam als Fremdenführer bald einen Mitbewerber. Bälzi, der Wildheuer mit dem Ziegenbart, der zuerst am meisten über die Fremden geschimpft hatte, fand, daß das Spazieren mit den Sommergästen eine weniger anstrengende und gefährliche Arbeit sei als das Mähen des herrenlosen Grases auf schwindliger Felsenplanke. Wie häufig ereignete es sich, daß ein spielendes Windchen das kaum getrocknete Heu wie eine kleine Wolke aufhob und auf Nimmerwiedersehen über alle Berge trug. Er kaufte sich ein neues Wams, ein Seil und einen Gletscherpickel. Damit stolzierte er vor dem Bären auf und ab, bot sich den Fremden als Führer an, und wenn ihn einer fragte, ob er auch schon auf der Spitze der Krone gestanden habe, sagte er im Brustton des Biedermannes: »Aber Herr, die kenne ich ja so gut wie die Westentasche, in der ich die Zündhölzchen trage.«
Es war aber ein ausdrücklicher Befehl des Presi, daß man die Fremden abhalte, auf die Krone zu steigen. Er war fast unnötig. Die Gäste sahen es dem Salonbergführer Thöni und dem schlotterigen Bälzi wohl an, daß man sich ihnen nicht für so gefahrvolle Bergbesteigungen anvertrauen durfte.
Doch tauchten in der Sommergesellschaft oft Fremde mit dem vermessenen Wunsche auf, die Krone zu erklettern.
Thöni war im Anfang mit dem ungebetenen Partner nicht zufrieden, aber schon im zweiten und namentlich im dritten Sommer zeigte es sich, daß beide Beschäftigung genug fanden, besonders da Thöni auch sonst, das eine Mal durch die Post, die während des Sommers einen lebhaften Verkehr und jetzt einen Telegraphen besaß, das andere Mal durch die Maultiertreiberei und die Lebensmittelzufuhr von Hospel nach St. Peter in Anspruch genommen war. Der Presi billigte die neue Beschäftigung Bälzis stillschweigend, er sagte den anderen: »Seht ihr's, man braucht nur zuzugreifen wie der Kaplan Johannes und Bälzi, dann hat jeder durch den Fremdenverkehr seinen angenehmen Verdienst.«
Die halsstarrigen Bauern und Aelpler waren aber nicht zu überreden, nur murrend, schwer und langsam gewöhnten sie sich daran, solange die Sommergäste da waren, die Amtsgeschäfte, den Vieh- und Käsehandel mit dem Presi im unteren Stübchen zu besorgen.
Bälzi ging es einmal schlecht. Aus Rache, daß er sich in den Dienst der Fremden gestellt, bereiteten ihm die schwärmenden Nachtburschen ein kaltes Bad in der Glotter.
Aber auch manche Vorurteile gegen die Sommerfrischler verschwanden im Laufe der drei Jahre, die sie nun schon ins Thal kamen.
Einzelnen Dörflern begann der Zustand zu behagen, es war im Bergthal entschieden kurzweiliger geworden, und unter den Gästen, die erschienen, gab es Leute, die sich ehrlich bemühten, sich mit ihnen auf einen freundlichen Fuß zu setzen und die eigenartigen Verhältnisse des Thales zu begreifen. Für solche Gäste hatten, soweit sie ihr Mißtrauen gegen die Fremden ablegen konnten, auch manche von St. Peter einiges Verständnis. Sogar der Pfarrer eiferte minder gegen sie, als er sah, daß es unter ihnen kenntnisreiche Bienenfreunde gab, die der Zeidlerei im Hochthal eine warme Wißbegier entgegen brachten, und die Damen bei ihm die Leinensäcklein voll weißen Alpenhonigs, die unter den Fenstern des Pfarrhauses hingen, kauften und mit großem Ruhm über seine Güte wiederkamen. Sommer um Sommer wuchs die Zahl der Gäste.
In der That! Wie viel bot dem das Glotterthal, der nicht nur für die Felsendome und Firnen der Krone, sondern auch für das Volksleben ein offenes Auge und Herz besaß. Da lebte ein Völkchen, das zwar nicht die Hirtenunschuld zeigte, die manche Schwärmer in den abgelegenen Alpenthälern suchen, ein Völklein, bei dem es so stark menschelte wie überall in der Welt, das aber doch einige besondere Eigenschaften hatte. Diese Bauern und Aelpler behalfen sich in allen Dingen selbst. Unter ihnen gab es keine Handwerker. Maurer, Zimmermann, Schindler und Dachdecker, Schneider und Schuster war jeder sich selbst. Den Lein und die Wolle, in die man sich kleidete, zog, bleichte, spann und wob man selbst; das Brot schmeichelte man, wenn es nicht in einem Jahr ging, in zweien den steinichten Aeckerchen ab und ob sich die hellgoldenen Roggenähren kaum recht aus dem Boden reckten, sie gaben ein schmackhaftes dunkelbraunes Brot, und ein Schluck Hospeler darauf war Gottes Wohlthat. Brot und Wein schmeckten auch den Fremden.
Der Presi lachte, arbeitete und es ging ihm gut. Bevor aber die Fremden zum viertenmal kamen, verbreitete sich im Dorfe die Nachricht, daß Fränzi todkrank sei.
Noch einmal sah Binia die mütterliche Freundin, aber sie lag schon mit spindeldürren Händen zu Bett und war blaß wie der Tod. Lieb und gut freilich war sie zu ihr wie immer: »Binia, liebes Kind, ich sterbe mit dem heißen Wunsch, daß du glücklich werdest.«
Wie entsetzlich wütete aber der Vater, als er vernahm, daß Frau Cresenz, die immer eine gewisse Teilnahme für die Witwe des zu Tode gestürzten Wildheuers bewiesen hatte, sie heimlich mit ein paar Flaschen guten Weines zu Fränzi geschickt hatte: »Gottes Donnerwetter! Daß sie mit dem Lotterbuben wieder anbändeln kann!«
Mißtrauisch beobachtete er sie.
Als Fränzi bald darauf starb, verschwamm vor den Augen Binias die Welt, sie dachten »Jetzt nehmen die Engel Gottes die Notenblätter zur Hand und singen zu ihrer Ankunft im Himmel.«
Der Tod der armen Frau versetzte den Vater in gärende Aufregung. Man spürte es: Entsetzlich neu standen die Dinge, die sich vor vier Jahren zugetragen, vor ihm – der Abend mit Seppi Blatter – die Unterredung mit Fränzi – Seppis Sturz an den Weißen Brettern – das kranke Kind mit seinen tollen Worten.
Und in der Nacht nach Fränzis Tod hatte der Presi einen furchtbaren Traum.
Mit wunderbarer Deutlichkeit sah er den jungen Josi Blatter und Binia hoch an den Weißen Brettern. Er fragte seine Tochter: »Wie kommst auch du da hinauf?« Da stand plötzlich ein Dritter vor ihm und hob das Grabscheit Seppi Blatters über den beiden zu wuchtigem Schlag. Statt der richtigen Inschrift aber lautete der Spruch auf dem Täfelchen des Scheites: »Was für die heligen Wasser verbrochen worden ist, wird an den heiligen Wassern gesühnt.« Und unter dem Schlag des Scheites blutete Binia.
Das war der Traum! Er wollte rufen: »Thut Binia nichts! Ich habe Seppi Blatter nicht hinaufgeschickt.« Da erwachte er schweißtriefend in dem Augenblick, als der Postbote, der alle Woche dreimal in der Morgenfrühe mit den Postsachen nach Hospel ritt und sie am Abend von dort zurückbrachte, an die noch geschlossene Hausthür pochte.
Nur ein einfältiges, widerwärtiges Träumlein! Der Presi war nicht abergläubisch, als nun aber Binia in der zwingenden Anmut ihrer sechzehn Jahre, frisch, mit leuchtenden