Название | 50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 |
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Автор произведения | Эдгар Аллан По |
Жанр | Учебная литература |
Серия | |
Издательство | Учебная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9782291092247 |
So der Bockjeälpler, der zwischen dem Reden immer schnalzt.
»Hört! – hört!«
»Es ist nicht bloß deswegen!« meint der alte großbärtige Peter Thugi, der bisher fleißig an seinen Löffeln und Kellen herumgeschnitzt, den Abend noch kein Wörtchen gesagt hat und mit seiner tiefen Stimme sehr langsam spricht, »es ist wegen der Dinge, von denen man nicht unnötig reden soll – wegen der armen Seelen!«
Das Wort bringt eine merkwürdige Bewegung hervor.
Alle Arbeit ruht, schweigend und feierlich schaut man nach dem alten Manne und wer raucht, legt die Pfeife weg.
»Wenn nur Fränzi da wäre,« fährt er fort, »sie könnte es besser erzählen als ich, wie an den Firnen der Krone tausendmal tausend abgeschiedene Seelen im Eise stehen und sehnsüchtig auf ihre Erlösung warten. Um ihre Gebete zu verrichten, brauchen sie Frieden und Ruhe. Vom Thal herauf mögen sie nichts hören als das heilige Glockengeläute. Lachen, leichtfertiges Reden und großer Lärm thut ihnen weh. Namentlich beleidigt es sie, wenn die Leute neugierig auf die Gletscher und Firnen steigen. ›So weit die Welt grün ist, ist Lebendigenland, wo sie weiß ist, ist Totenland.‹ Das haben sie schon manchem Gemsjäger gesagt, der sein Tier ins weiße Revier verfolgte. Wenn nun aber die Fremden, die nichts von den armen Seelen wissen, alle Tag tanzen und Sonntag machen? Ich will's euch sagen: Es kommt ein mächtiges Unglück über St. Peter.«
Der Erzähler schweigt; alle erwarten, daß er wieder beginne – niemand redet, der Bäliälpler nur mahnt: »Erzählt, Peter Thugi!«
Da fährt Peter Thugi geheimnisvoll fort: »Es hat eine Zeit gegeben, wo es in St. Peter so weltlich zuging, wie es wieder geschehen wird, wenn die Leute aus den Weltländern kommen. Alle Tage waren Lustbarkeiten, sündiges Reden und Wollust. Das war, als noch die Knappen im Schmelzmerk saßen. Da hat im Bären jeden Abend eine Musik aufgespielt und immer war mit lustigen Weibsbildern Juhe und Juheien. Als nun die von St. Peter, die solche Weltlichkeit duldeten, zu Pfingsten in die Kirche kamen, sahen in den vordersten Bänken auf der Weiberseite zwölf weiße Vorstehbräute, die niemand erkannte. Wie der Gottesdienst vorüber war, schritten sie hinauf durch die Alpen zu den Firnen der Krone. Vor einer Hütte, die jetzt schon lang nicht mehr steht, begegneten sie dem frommen Sennen Sämi, der nicht mehr gehen konnte und auf der Bank bei der Thüre saß. Da fragten sie ihn ängstlich, ob wohl die Leute von St. Peter aus ihren betrübten und traurigen Gesichtern gemerkt haben, warum sie zur Kirche gekommen seien. Der alte Sämi spürte aus ihrem Ton, daß es etwas sehr Ernstes sei und meinte, ihm können sie es schon verraten. Sie seien arme Seelen von der Krone, antworteten sie, und haben die von St. Peter warnen wollen, daß sie das tolle Leben im Dorf nicht länger dulden. Wenn sie es aber weiter litten, so würde St. Peter von Lawinen verschüttet, denn die vielen tausend armen Seelen, die jetzt mit ihren Leibern dem Firn Halt geben, würden auswandern und dann stürze der Schnee der Krone aufs Dorf. Sie hätten auf ihre Bitten die Erlaubnis bekommen, daß sie die von St. Peter warnen dürfen, er möge es ihnen sagen, wenn es die Leute sonst nicht gemerkt haben. Sie dürfen doch nie mehr kommen und die Mahnung gelte für ewig. Erleichtert gingen die armen Seelen ihres Weges und sangen vor Freude, daß sie die Botschaft einem so braven Manne wie Sämi hatten ausrichten können. Sämi aber schickte Bericht ins Dorf über das merkwürdige Erlebnis, und siehe da – alle die in der Kirche gewesen, erkannten die Vorstehbräute. Es waren gestorbene Mädchen von St. Peter. Die Leute trieben die Musikanten und die leichten Weibsbilder fort, und seither weiß man in unserem Dorf, was geschieht, wenn Wohlleben und Ueppigkeit wieder kommen.«
Der Kreis der andächtigen Zuhörer und Zuhörerinnen schauderte.
»Der Presi bringt noch über uns alle gleiches Unglück wie über Seppi Blatter!« unterbrach die böse Zunge des Glottermüllers das Schweigen.
»Pst!« klang eine Weiberstimme aus dem Hintergrund durch den blauen Tabaksnebel, »Bälzi weiß, wie der Presi den Leuten ein Schloß an den Mund legt, die etwas wider ihn sagen.«
Die Gesellschaft hätte lieber noch mehr Geschichten von den Toten gehört und neigte nicht mehr zum Schwatzen.
Bertha Thugi, die von der Erzählung ihres Großvaters bewegt war, meinte: »Laßt uns doch die Wildheuerfränzi holen, sie weiß alle Geschichten des Gebirges, die von den Lebendigen sowohl wie die von den Toten, sie weiß die Ueberlieferungen und Sagen, sie hat manchmal bis um die Mitternacht erzählt, so daß alle zitterten und man fast nicht mehr heimgehen durfte.«
»Fränzi ist aber nie ungebeten erschienen, sie hat aus ihrem Erzählen immer eine Kunst gemacht, die geehrt sein wollte. Und jetzt lehnt sie alles Erzählen ab. Sie habe keine Lust mehr zum Reden. Ich verstehe es nach dem großen Unglück wohl.«
So der alte Peter Thugi, und schweigend lichtet sich allmählich der Kreis, die Totensagen summen in den Köpfen, die Sagen Fränzis.
Würdig erträgt sie den Tod ihres Mannes. Als er stürzte, hatte sich ihr wohl ein Schrei entrungen, ein entsetzlicher Schrei, als müßten auch ihr Leib und Seele auseinanderbrechen. Und in den ersten Tagen lebte sie in dumpfem Brüten dahin. Dann aber erhob sie sich plötzlich und ging an ihre Arbeit wie sonst. Niemand hat sie je weinen gesehen, niemand je klagen gehört. Nur die Strähnen gebleichten Haares in der dunklen Fülle verrieten, daß sie gelitten hatte. Den Schmerz hatte sie in den unergründlichen Tiefen des Glaubens begraben.
»Vroni und Josi, tragt niemand etwas nach, es hat im Leiden und Sterben eures Vaters eine höhere Hand gewaltet, und grübeln ist sündhaft.« So mahnte sie, wenn die Kinder vor Beelendung über den Tod des Vaters fast zerflossen.
Ihrem kleinen Haushalt ging es seit dem schrecklichen Ende Seppi Blatters nicht schlechter als zu seinen Lebzeiten. Es war, als hätte das Unglück des Vaters Josi, den vierzehnjährigen, mit einem Schlage um viele Jahre gereift. Das freundliche Knabengesicht mit den klugen dunklen Augen war ernst und trotzig geworden, um ein Lächeln gab der früher gesprächige Bursche nicht viel, menschenscheu vermied er das Dorf. Ohne daß ihm jemand die Notwendigkeit klar gemacht hätte, schleppte er im Lauf des Sommers genug Wildheu von den Planken, um die paar Ziegen durch den Winter zu bringen, so daß die Mutter manchmal mahnte: »Ueberthu dich nicht, du zäher Bub.«
Der Acker hatte reichlich Frucht getragen. Als man Anfang Winter das Korn im großen Backofen des Garden gleich fürs ganze Jahr verbuk, da ergab es so viel große Laibe, daß die Kinder bis zur nächsten Ernte nicht nach Hospel hinauszuwandern brauchten, um Mehl zu holen.
Das war gut, woher das Geld nehmen?
Es waren drollige Mahlzeiten, die Mutter und Kinder hielten. Josi, der die Stelle des Hausvaters übernommen hatte, zertrümmerte mit Hammer und Hackmesser das vom langen Liegen steinharte Brot. Die dunklen Splitter stoben nur so davon, und ebenso stoben sie vom Käse, den noch der Vater bereitet hatte. Vroni fing die Brocken auf, indem sie die offenen Arme ausbreitete, und lachend knusperten die Kinder an den braunen Stücken, die dem Gestein des Gebirges zum Verwechseln glichen.
»Beiße dir keinen Zahn aus, Vroni!« scherzte Josi. Dann wies sie ihm ihre Perlenreihe zwischen kirschroten Lippen, er zeigte als Antwort sein blitzblankes Gebiß und zum Schluß der Mahlzeit nahm er die Tessel, einen Holzstab, der auf dem Tisch lag, und schnitzte einen Kerb hinein, bald auf Vronis, bald auf seiner, bald auf der Mutter Seite, damit man wisse, wer das Tischgebet verrichtet hatte.
Ein kleines, inniges Glück, dem die Trauer, die es durchbebte, Bestand verbürgte. So hätte man den Haushalt Fränzis nennen mögen. Die Geschichten, die sie nicht mehr in die Kreise der Burschen und Mädchen tragen mochte, erzählte sie Josi und Vroni. Dann geschah es wohl, daß Josi müde vom Tag einschlief, während Vroni gespannten Ohres lauschte.
Oft sangen die drei das einzige Lied, zu dem sie eine Melodie wußten, den einzigen weltlichen Gesang, den es im Glotterthal gab. Fränzi hatte ihn zur Zeit, als sie mit Seppi selig verlobt war, auf dem Markt zu Hospel von einem fahrenden Spielmann gehört und gekauft. Sie nannte ihn »das Kirchhoflied«. Der Sang lautete:
»Es liegt das Dorf im Abendstrahle,
Die Berge glühen Dom an Dom,