Название | Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst |
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Автор произведения | Aristoteles |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075834157 |
Einträchtig sein heißt nicht, daß zwei bloß denselben Gegenstand welcher es auch sei ins Auge fassen, sondern es gehört dazu auch, daß sie denselben Gegenstand auch derselben Person zuwenden wollen: so wenn das Volk und die oberen Klassen einig sind, daß die Besten die Herrschaft haben sollen; denn dann erlangen alle was sie anstreben. Die Eintracht stellt sich also als freundschaftliche Gesinnung unter Mitbürgern dar, und so faßt sie auch der Sprachgebrauch; sie dreht sich um die öffentlichen Interessen und um das was dem praktischen Leben dient.
Eintracht in diesem Sinne herrscht zwischen Menschen von edler Art. Solche leben mit sich selbst und untereinander in Eintracht, da sie im Grunde gleiche Gesinnung hegen. Menschen von dieser Art beharren bei ihren Entschließungen und fluten nicht hin und her wie die Strömungen in einer Meerenge; ihr Wille ist auf das Gerechte und Heilsame gerichtet, und das bezeichnet auch ihr Streben für das Gemeinwesen. Dagegen können Menschen von niederer Gesinnung unmöglich Eintracht halten oder können es doch nur für kurze Zeit, gerade wie es mit der Freundschaft zwischen ihnen der Fall ist. Wo es einen Vorteil gibt, da bedenken sie immer nur sich selbst, und wo es gilt eine Mühe oder eine Leistung zu übernehmen, da versagen sie. Da jeder so mit seinem Willen auf den eigenen Nutzen gerichtet ist, so krittelt er an dem anderen herum und bildet nur ein Hindernis. Denn ein Gemeinwesen muß zugrunde gehen, wenn es nicht wohl gepflegt wird. Die Folge ist allgemeine Zwietracht; einer schiebt dem anderen die Nötigung zu; selbst aber will keiner leisten was die Gerechtigkeit fordert.
c) Wohltäter und Empfänger
Wohltäter hegen im allgemeinen eine wärmere Gesinnung für die von ihnen Bedachten als diese für ihre Gönner hegen, und dafür sucht man nach einer Erklärung wie für eine unverständliche Erscheinung. Die meisten halten dafür, daß die einen Schuldnern gleichen, die andern ein Forderungsrecht haben. Wie nun im Fall eines Darlehns der Schuldner lieber sähe, er hätte keinen Gläubiger, der Darleiher dagegen das Wohl des Schuldners auf dem Herzen trägt, so habe auch der Wohltäter den Wunsch, daß es dem von ihm Geförderten Wohlergehen möchte, weil er denkt dann den Dank einzuheimsen; dagegen erscheine jenem die Rückerstattung bei weitem nicht so dringlich. Epicharmos würde wahrscheinlich urteilen: so redeten sie, weil sie die Sache von der verkehrten Seite aus ansähen; es läßt sich aber, wie die Menschen nun einmal sind, ganz wohl verstehen. Denn die Masse der Menschen hat erstens ein kurzes Gedächtnis und zieht zweitens das Nehmen des Guten dem Geben vor.
Man möchte deshalb eher meinen, die Sache sei tiefer im Wesen begründet und habe mit dem Verhältnis bei einem Darlehen keinerlei Verwandtschaft. Denn hier ist es ja nicht eine liebevolle Empfindung für den Schuldner, was den Wunsch für sein Wohlergehen begründet, sondern das Verlangen nach Rückerstattung. Dagegen diejenigen die anderen Gutes erwiesen haben, hegen für die von ihnen Geförderten eine freundliche und liebevolle Gesinnung auch dann, wenn ihnen diese keinen Vorteil gewähren noch für die Zukunft einen solchen in Aussicht stellen. Dies lehrt auch die Erfahrung bei den Künstlern. Jeder liebt sein eigenes Werk mehr als dieses ihn lieben würde, wenn es eine Seele bekäme. Am meisten aber tritt es einem wohl bei den Dichtern entgegen. Diese sind in ihre eigenen Schöpfungen über die Maßen verliebt und hängen an ihnen mit der Zärtlichkeit, mit der man an seinen Kindern hängt. Dieser Stimmung nun läßt sich die des Wohltäters vergleichen. Ihr Schützling ist gleichsam ihr Werk, und so lieben sie es mehr, als das Werk seinen Schöpfer liebt.
Der Grund dafür ist der, daß das Dasein für alle ein Gegenstand des Begehrens und der Liebe ist; unser Dasein aber besteht in unserer Wirksamkeit, und mithin im Leben und in der Betätigung. In Wirklichkeit also hat der Schöpfer gewissermaßen sein eigenes Dasein an seinem Werke. So liebt man sein Werk, weil man das Dasein liebt, und das nun ist tief im Wesen begründet. Denn das Werk zeigt als Wirklichkeit, was einer der Möglichkeit nach ist.
Zugleich aber ist für den Wohltäter auch seine Handlungsweise etwas Beglückendes und Edles, so daß er seine Freude an dem hat, dem sie galt. Dagegen der von ihm Geförderte empfindet an dem Spender nicht sowohl das was seine Handlungsweise Edles hat, sondern höchstens das was darin ihm zustatten kommt; dies aber ist nur in geringerem Grade für ihn ein Grund des Wohlgefallens und der Zuneigung. Was Wohlgefallen erregt, ist an dem Gegenwärtigen die Wirklichkeit, an dem Zukünftigen die Hoffnung, am Vergangenen die Erinnerung. Das innigste Wohlgefallen aber ist das, was man an seiner eigenen Wirksamkeit empfindet, und das ruft denn auch in gleichem Maße Zuneigung hervor. Wer die Wohltat vollbracht hat, dem bleibt sie dauernd; denn das beglückend Edle überdauert die Zeit; der Vorteil dagegen für den dem sie erwiesen wurde, geht vorüber. Die Erinnerung an edle Taten ist erfreulich; die an erlangten Vorteil ist es überhaupt nicht oder doch nur in geringerem Maße.
Dagegen möchte es sich mit der Erwartung umgekehrt verhalten. Das Gefühl der Zuneigung gleicht dem Tätigsein, Gegenstand solchen Gefühles sein dem passiven Verhalten. Wer also in der Betätigung der Stärkere ist, auf dessen Seite ist auch das Gefühl der Zuneigung und der Erweis derselben. Überdies, jedermann hat größere Liebe zu dem was ihm sauer geworden ist; so liebt man das Geld mehr, wenn man es selbst erworben, als wenn man es geerbt hat. Wohltat empfangen aber ist im allgemeinen mühelos, sie erweisen mühevoll. Deshalb ist auch die Liebe der Mutter zu dem Kinde die größere; denn sie hat es mit Schmerzen geboren, und sie hat die stärkere Empfindung, daß das Kind das ihre ist. Eben dies aber, darf man sagen, ist auch für den Wohltäter das eigentümlich Bezeichnende.
d) Selbstliebe
Eine weitere Frage ist die: ist es Pflicht sich selbst am meisten zu lieben oder den Nächsten? Man hat gemeinhin für den der sich selbst am meisten liebt nur Tadel; man schilt ihn, als sei er in verwerflicher Selbstsucht befangen. Es ist die allgemeine Ansicht, daß ein Mensch von niedriger Gesinnung alles um seiner selbst willen tut, und je schlechter einer von Charakter ist, umso mehr. Man macht ihm also einen Vorwurf in dem Sinne, daß er nichts tue ohne dabei an sich zu denken. Ein edel gesinnter Mensch dagegen tue alles zu sittlichem Zwecke, und je edler einer von Wesen sei, desto mehr sei sein Motiv die sittliche Pflicht und die Zuneigung zu anderen, während er das eigene Interesse hintansetze.
Indessen, zur Wirklichkeit der Dinge wollen solche Auffassungen schlechterdings nicht stimmen, und das ist auch gar nicht unverständlich. Es heißt wohl, es sei Pflicht, den am meisten zu lieben, der uns am innigsten verbunden sei; am innigsten verbunden aber ist uns der, der, wenn er uns alles Gute wünscht, es rein um unserer Person selber willen wünscht, auch wenn niemand etwas davon erfahren sollte. Das aber paßt am meisten auf jeden Menschen im Verhältnis zu sich selbst, und von allem übrigen, was zum Begriff der Freundschaft gehört, gilt genau dasselbe. Wir haben dargelegt, daß das was für freundschaftliche Liebesgesinnung bezeichnend ist, erst von dem Verhältnis des Menschen zu sich selbst auf das Verhältnis zu den anderen übertragen ist. Das drücken übereinstimmend auch alle solche Sprichwörter aus wie: »Zwei Menschen und eine Seele«; »Unter Freunden ist alles gemeinsam«; »Gleich sein, Freund sein«; »Das Knie ist einem näher als die Wade«. Dies alles also gilt am meisten im Verhältnis eines jeden zu der eigenen Person. Ein jeder ist sich selbst der Nächste, und so muß er denn auch wohl sich selbst am meisten lieben.
Da erhebt sich naturgemäß die Frage: welcher von beiden Ansichten soll man sich nun anschließen? Haben doch beide guten Grund für sich. Man wird solcher Verschiedenheit der Auffassungen gegenüber wohl zu unterscheiden und genau die Grenze zu bestimmen haben, bis zu welcher,