Название | Friedrich Schiller: Philosophische Werke |
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Автор произведения | Friedrich Schiller |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027204052 |
Auch die Würde hat ihre verschiedenen Abstufungen und wird da, wo sie sich der Anmuth und Schönheit nähert, zum Edeln, und wo sie an das Furchtbare grenzt, zur Hoheit.
Der höchste Grad der Anmuth ist das Bezaubernde; der höchste Grad der Würde die Majestät. Bei dem Bezaubernden verlieren wir uns gleichsam selbst und fließen hinüber in den Gegenstand. Der höchste Genuß der Freiheit grenzt an den völligen Verlust derselben, und die Trunkenheit des Geistes an den Taumel der Sinnenlust. Die Majestät hingegen hält uns ein Gesetz vor, das uns nöthigt, in uns selbst zu schauen. Wir schlagen die Augen vor dem gegenwärtigen Gott zu Boden, vergessen alles außer uns und empfinden nichts, als die schwere Bürde unsers eigenen Daseins.
Majestät hat nur das Heilige. Kann ein Mensch uns dieses repräsentieren, so hat er Majestät, und wenn auch unsre Kniee nicht nachfolgen, so wird doch unser Geist vor ihm niederfallen. Aber er richtet sich schnell wieder auf, sobald nur die kleinste Spur menschlicher Schuld an dem Gegenstand seiner Anbetung sichtbar wird; denn nichts, was nur vergleichungsweise groß ist, darf unsern Muth darniederschlagen.
Die bloße Macht, sei sie auch noch so furchtbar und grenzenlos, kann nie Majestät verleihen. Macht imponiert nur dem Sinnenwesen, die Majestät muß dem Geist seine Freiheit nehmen. Ein Mensch, der mir das Todesurtheil schreiben kann, hat darum noch keine Majestät für mich, sobald ich selbst nur bin, was ich sein soll. Sein Vortheil über mich ist aus, sobald ich will. Wer mir aber in seiner Person den reinen Willen darstellt, vor dem werde ich mich, wenn’s möglich ist, auch noch in künftigen Welten beugen.
Anmuth und Würde stehen in einem zu hohen Werth, um die Eitelkeit und Thorheit nicht zur Nachahmung zu reizen. Aber es gibt dazu nur einen Weg, nämlich Nachahmung der Gesinnungen, deren Ausdruck sie sind. Alles andre ist Nachäffung und wird sich als solche durch Uebertreibung bald kenntlich machen.
So wie auf der Affektation des Erhabenen Schwulst, aus der Affektation des Edeln das Kostbare entsteht, so wird aus der affektierten Anmuth Ziererei, und aus der affektierten Würde steife Feierlichkeit und Gravität.
Die echte Anmuth gibt bloß nach und kommt entgegen; die falsche hingegen zerfließt. Die wahre Anmuth schont bloß die Werkzeuge der willkürlichen Bewegung und will der Freiheit der Natur nicht unnöthiger Weise zu nahe treten; die falsche Anmuth hat gar nicht das Herz, die Werkzeuge des Willens gehörig zu gebrauchen, und um ja nicht ins Harte und Schwerfällige zu fallen, opfert sie lieber etwas von dem Zweck der Bewegung auf, oder sucht ihn durch Umschweife zu erreichen. Wenn der unbehilfliche Tänzer bei einer Menuett so viel Kraft aufwendet, als ob er ein Mühlrad zu ziehen hätte, und mit Händen und Füßen so scharfe Ecken schneidet, als wenn es hier um eine geometrische Genauigkeit zu thun wäre, so wird der affektierte Tänzer so schwach auftreten, als ob er den Fußboden fürchtete, und mit Händen und Füßen nichts als Schlangenlinien beschreiben, wenn er auch darüber nicht von der Stelle kommen sollte. Das andre Geschlecht, welches vorzugsweise im Besitze der wahren Anmuth ist, macht sich auch der falschen am meisten schuldig; aber nirgends beleidigt diese mehr, als wo sie der Begierde zum Angel dienet. Aus dem Lächeln der wahren Grazie wird dann die widrigste Grimasse; das schöne Spiel der Augen, so bezaubernd, wenn wahre Empfindung daraus spricht, wird zur Verdrehung; die schmelzend modulierende Stimme, so unwiderstehlich in einem wahren Munde, wird zu einem studierten tremulierenden Klang, und die ganze Musik weiblicher Reizungen zu einer betrüglichen Toilettenkunst.
Wenn man auf Theatern und Ballsälen Gelegenheit hat, die affektierte Anmuth zu beobachten, so kann man oft in den Kabinetten der Minister und in den Studierzimmern der Gelehrten (auf hohen Schulen besonders) die falsche Würde studieren. Wenn die wahre Würde zufrieden ist, den Affekt an seiner Herrschaft zu hindern, und dem Naturtriebe bloß da, wo er den Meister spielen will, in den unwillkürlichen Bewegungen Schranken setzt, so regiert die falsche Würde auch die willkürlichen mit einem eisernen Zepter, unterdrückt die moralischen Bewegungen, die der wahren Würde heilig sind, so gut als die sinnlichen, und löscht das ganze mimische Spiel der Seele in den Gesichtszügen aus. Sie ist nicht bloß streng gegen die widerstrebende, sondern hart gegen die unterwürfige Natur und sucht ihre lächerliche Größe in Unterjochung und, wo dies nicht angehen will, in Verbergung derselben. Nicht anders, als wenn sie allem, was Natur heißt, einen unversöhnlichen Haß gelobt hätte, steckt sie den Leib in lange faltigte Gewänder, die den ganzen Gliederbau des Menschen verbergen, beschränkt den Gebrauch der Glieder durch einen lästigen Apparat unnützer Zierrath und schneidet sogar die Haare ab, um das Geschenk der Natur durch ein Machwerk der Kunst zu ersetzen. Wenn die wahre Würde, die sich nie der Natur, nur der rohen Natur schämt, auch da, wo sie an sich hält, noch stets frei und offen bleibt; wenn in den Augen Empfindung strahlt und der heitere stille Geist auf der beredten Stirne ruht, so legt die Gravität die ihrige in Falten, wird verschlossen und mysteriös und bewacht sorgfältig wie ein Komödiant ihre Züge. Alle ihre Gesichtsmuskeln sind angespannt, aller wahre natürliche Ausdruck verschwindet, und der ganze Mensch ist wie ein versiegelter Brief. Aber die falsche Würde hat nicht immer Unrecht, das mimische Spiel ihrer Züge in scharfer Zucht zu halten, weil es vielleicht mehr aussagen könnte, als man laut machen will; eine Vorsicht, welche die wahre Würde freilich nicht nöthig hat. Diese wird die Natur nur beherrschen, nie verbergen; bei der falschen hingegen herrscht die Natur nur desto gewalttätiger innen, indem sie außen bezwungen ist.
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